Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Sonnette. I. Es qualmt' der eitle Markt in Staub und Schwüle, So klanglos öde wallend auf und nieder, Wie dacht' ich da an meine Berge wieder, An frischen Sang, Felsquell und Waldeskühle! Doch steht ein Thurm dort über dem Gewühle, Der andre Zeiten sah und bess're Brüder, Das Kreuz treu halten seine Riesenglieder, Wie auch der Menschlein Fluth den Fels umspüle. Das war mein Hafen auf der weiten Wüste, Oft kniet' ich betend in des Domes Mitte, Dort hab' ich Dich, mein liebes Kind, gefunden; Ein Himmelsbote wohl, der so mich grüßte: "Verzweif'le nicht! die Schönheit und die Sitte Sie sind noch von der Erde nicht verschwunden." II. Ein alt Gemach voll sinn'ger Seltsamkeiten, Still' Blumen aufgestellt am Fensterbogen, Gebirg' und Länder draußen blau gezogen, Wo Ströme geh'n und Ritter ferne reiten. Ein Mädchen, schlicht und fromm wie jene Zeiten,
Das, von den Abendscheinen angeflogen, Versenkt in solcher Stille tiefen Wogen -- Das mocht' auf Bildern oft das Herz mir weiten. Sonnette. I. Es qualmt' der eitle Markt in Staub und Schwuͤle, So klanglos oͤde wallend auf und nieder, Wie dacht' ich da an meine Berge wieder, An friſchen Sang, Felsquell und Waldeskuͤhle! Doch ſteht ein Thurm dort uͤber dem Gewuͤhle, Der andre Zeiten ſah und beſſ're Bruͤder, Das Kreuz treu halten ſeine Rieſenglieder, Wie auch der Menſchlein Fluth den Fels umſpuͤle. Das war mein Hafen auf der weiten Wuͤſte, Oft kniet' ich betend in des Domes Mitte, Dort hab' ich Dich, mein liebes Kind, gefunden; Ein Himmelsbote wohl, der ſo mich gruͤßte: „Verzweif'le nicht! die Schoͤnheit und die Sitte Sie ſind noch von der Erde nicht verſchwunden.“ II. Ein alt Gemach voll ſinn'ger Seltſamkeiten, Still' Blumen aufgeſtellt am Fenſterbogen, Gebirg' und Laͤnder draußen blau gezogen, Wo Stroͤme geh'n und Ritter ferne reiten. Ein Maͤdchen, ſchlicht und fromm wie jene Zeiten,
Das, von den Abendſcheinen angeflogen, Verſenkt in ſolcher Stille tiefen Wogen — Das mocht' auf Bildern oft das Herz mir weiten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0334" n="316"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Sonnette</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/> </head> <lg> <head><hi rendition="#aq">I</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">E</hi>s qualmt' der eitle Markt in Staub und Schwuͤle,</l><lb/> <l>So klanglos oͤde wallend auf und nieder,</l><lb/> <l>Wie dacht' ich da an meine Berge wieder,</l><lb/> <l>An friſchen Sang, Felsquell und Waldeskuͤhle!</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Doch ſteht ein Thurm dort uͤber dem Gewuͤhle,</l><lb/> <l>Der andre Zeiten ſah und beſſ're Bruͤder,</l><lb/> <l>Das Kreuz treu halten ſeine Rieſenglieder,</l><lb/> <l>Wie auch der Menſchlein Fluth den Fels umſpuͤle.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Das war mein Hafen auf der weiten Wuͤſte,</l><lb/> <l>Oft kniet' ich betend in des Domes Mitte,</l><lb/> <l>Dort hab' ich Dich, mein liebes Kind, gefunden;</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Ein Himmelsbote wohl, der ſo mich gruͤßte:</l><lb/> <l>„Verzweif'le nicht! die Schoͤnheit und die Sitte</l><lb/> <l>Sie ſind noch von der Erde nicht verſchwunden.“</l><lb/> </lg> </lg> <lg> <head><hi rendition="#aq">II</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <l>Ein alt Gemach voll ſinn'ger Seltſamkeiten,</l><lb/> <l>Still' Blumen aufgeſtellt am Fenſterbogen,</l><lb/> <l>Gebirg' und Laͤnder draußen blau gezogen,</l><lb/> <l>Wo Stroͤme geh'n und Ritter ferne reiten.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Ein Maͤdchen, ſchlicht und fromm wie jene Zeiten,</l><lb/> <l>Das, von den Abendſcheinen angeflogen,</l><lb/> <l>Verſenkt in ſolcher Stille tiefen Wogen —</l><lb/> <l>Das mocht' auf Bildern oft das Herz mir weiten.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [316/0334]
Sonnette.
I.
Es qualmt' der eitle Markt in Staub und Schwuͤle,
So klanglos oͤde wallend auf und nieder,
Wie dacht' ich da an meine Berge wieder,
An friſchen Sang, Felsquell und Waldeskuͤhle!
Doch ſteht ein Thurm dort uͤber dem Gewuͤhle,
Der andre Zeiten ſah und beſſ're Bruͤder,
Das Kreuz treu halten ſeine Rieſenglieder,
Wie auch der Menſchlein Fluth den Fels umſpuͤle.
Das war mein Hafen auf der weiten Wuͤſte,
Oft kniet' ich betend in des Domes Mitte,
Dort hab' ich Dich, mein liebes Kind, gefunden;
Ein Himmelsbote wohl, der ſo mich gruͤßte:
„Verzweif'le nicht! die Schoͤnheit und die Sitte
Sie ſind noch von der Erde nicht verſchwunden.“
II.
Ein alt Gemach voll ſinn'ger Seltſamkeiten,
Still' Blumen aufgeſtellt am Fenſterbogen,
Gebirg' und Laͤnder draußen blau gezogen,
Wo Stroͤme geh'n und Ritter ferne reiten.
Ein Maͤdchen, ſchlicht und fromm wie jene Zeiten,
Das, von den Abendſcheinen angeflogen,
Verſenkt in ſolcher Stille tiefen Wogen —
Das mocht' auf Bildern oft das Herz mir weiten.
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