Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Trennung. I. Denkst Du noch jenes Abends, still vor Sehnen, Wo wir zum Letztenmal im Park beisammen? Kühl standen rings des Abendrothes Flammen, Ich scherzte wild -- Du lächeltest durch Thränen. So spielt der Wahnsinn lieblich mit den Schmerzen An jäher Schlüfte Rand, die nach ihm trachten; Er mag der lauernden Gefahr nicht achten; Er hat den Tod ja schon im öden Herzen. Ob Du die Mutter auch belogst, betrübtest, Was andre Leute drüber deuten, sagen -- Sonst scheu -- heut mocht'st Du nichts nach allem fragen, Mir einzig zeigen nur, wie Du mich liebtest. Und aus dem Hause heimlich so entwichen, Gabst Du in's Feld mir schweigend das Geleite, Vor uns das Thal, das hoffnungsreiche, weite, Und hinter uns kam grau die Nacht geschlichen. Du gehst nun fort, sprach sie, ich bleib' alleine; Ach! dürft' ich alles lassen, still und heiter Mit Dir so zieh'n hinab und immer weiter -- Ich sah Dich an -- es spielten bleiche Scheine So wunderbar um Locken Dir und Glieder; So ruhig, fremd warst Du mir nie erschienen, Es war, als sagten die versteinten Mienen, Was Du verschwiegst: Wir seh'n uns niemals wieder! Trennung. I. Denkſt Du noch jenes Abends, ſtill vor Sehnen, Wo wir zum Letztenmal im Park beiſammen? Kuͤhl ſtanden rings des Abendrothes Flammen, Ich ſcherzte wild — Du laͤchelteſt durch Thraͤnen. So ſpielt der Wahnſinn lieblich mit den Schmerzen An jaͤher Schluͤfte Rand, die nach ihm trachten; Er mag der lauernden Gefahr nicht achten; Er hat den Tod ja ſchon im oͤden Herzen. Ob Du die Mutter auch belogſt, betruͤbteſt, Was andre Leute druͤber deuten, ſagen — Sonſt ſcheu — heut mocht'ſt Du nichts nach allem fragen, Mir einzig zeigen nur, wie Du mich liebteſt. Und aus dem Hauſe heimlich ſo entwichen, Gabſt Du in's Feld mir ſchweigend das Geleite, Vor uns das Thal, das hoffnungsreiche, weite, Und hinter uns kam grau die Nacht geſchlichen. Du gehſt nun fort, ſprach ſie, ich bleib' alleine; Ach! duͤrft' ich alles laſſen, ſtill und heiter Mit Dir ſo zieh'n hinab und immer weiter — Ich ſah Dich an — es ſpielten bleiche Scheine So wunderbar um Locken Dir und Glieder; So ruhig, fremd warſt Du mir nie erſchienen, Es war, als ſagten die verſteinten Mienen, Was Du verſchwiegſt: Wir ſeh'n uns niemals wieder! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0306" n="288"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Trennung</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/> </head> <lg> <head> <hi rendition="#aq #b">I</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">D</hi>enkſt Du noch jenes Abends, ſtill vor Sehnen,</l><lb/> <l>Wo wir zum Letztenmal im Park beiſammen?</l><lb/> <l>Kuͤhl ſtanden rings des Abendrothes Flammen,</l><lb/> <l>Ich ſcherzte wild — Du laͤchelteſt durch Thraͤnen.</l><lb/> <l>So ſpielt der Wahnſinn lieblich mit den Schmerzen</l><lb/> <l>An jaͤher Schluͤfte Rand, die nach ihm trachten;</l><lb/> <l>Er mag der lauernden Gefahr nicht achten;</l><lb/> <l>Er hat den Tod ja ſchon im oͤden Herzen.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Ob Du die Mutter auch belogſt, betruͤbteſt,</l><lb/> <l>Was andre Leute druͤber deuten, ſagen —</l><lb/> <l>Sonſt ſcheu — heut mocht'ſt Du nichts nach allem</l><lb/> <l>fragen,</l><lb/> <l>Mir einzig zeigen nur, wie Du mich liebteſt.</l><lb/> <l>Und aus dem Hauſe heimlich ſo entwichen,</l><lb/> <l>Gabſt Du in's Feld mir ſchweigend das Geleite,</l><lb/> <l>Vor uns das Thal, das hoffnungsreiche, weite,</l><lb/> <l>Und hinter uns kam grau die Nacht geſchlichen.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Du gehſt nun fort, ſprach ſie, ich bleib' alleine;</l><lb/> <l>Ach! duͤrft' ich alles laſſen, ſtill und heiter</l><lb/> <l>Mit Dir ſo zieh'n hinab und immer weiter —</l><lb/> <l>Ich ſah Dich an — es ſpielten bleiche Scheine</l><lb/> <l>So wunderbar um Locken Dir und Glieder;</l><lb/> <l>So ruhig, fremd warſt Du mir nie erſchienen,</l><lb/> <l>Es war, als ſagten die verſteinten Mienen,</l><lb/> <l>Was Du verſchwiegſt: Wir ſeh'n uns niemals wieder!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [288/0306]
Trennung.
I.
Denkſt Du noch jenes Abends, ſtill vor Sehnen,
Wo wir zum Letztenmal im Park beiſammen?
Kuͤhl ſtanden rings des Abendrothes Flammen,
Ich ſcherzte wild — Du laͤchelteſt durch Thraͤnen.
So ſpielt der Wahnſinn lieblich mit den Schmerzen
An jaͤher Schluͤfte Rand, die nach ihm trachten;
Er mag der lauernden Gefahr nicht achten;
Er hat den Tod ja ſchon im oͤden Herzen.
Ob Du die Mutter auch belogſt, betruͤbteſt,
Was andre Leute druͤber deuten, ſagen —
Sonſt ſcheu — heut mocht'ſt Du nichts nach allem
fragen,
Mir einzig zeigen nur, wie Du mich liebteſt.
Und aus dem Hauſe heimlich ſo entwichen,
Gabſt Du in's Feld mir ſchweigend das Geleite,
Vor uns das Thal, das hoffnungsreiche, weite,
Und hinter uns kam grau die Nacht geſchlichen.
Du gehſt nun fort, ſprach ſie, ich bleib' alleine;
Ach! duͤrft' ich alles laſſen, ſtill und heiter
Mit Dir ſo zieh'n hinab und immer weiter —
Ich ſah Dich an — es ſpielten bleiche Scheine
So wunderbar um Locken Dir und Glieder;
So ruhig, fremd warſt Du mir nie erſchienen,
Es war, als ſagten die verſteinten Mienen,
Was Du verſchwiegſt: Wir ſeh'n uns niemals wieder!
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