jahrelangem dunklen Umhertreiben in den Dachstübchen kleiner Städte, sehr behaglich und laut in dem unge¬ wohnten Glanze sonnten. Ein großer Saal mit Stuckverzierungen, verblichenen Tapeten und einem altväterischen Billard in der Mitte, diente ihnen zum Versammlungsplatz, und wenn gleich die Boursen des Billards zum Theil vom Zahn der Zeit schon abge¬ nagt waren, so hatten die erfindsamen Geister doch so¬ gleich ihre eigenen, ohnedieß ziemlich überflüssigen Geld¬ beutel daran geheftet, und schnitten ihre Karoline mit mehr Behagen als Geschicklichkeit. Nur Kordelchen erwies sich als Meisterin, wobei sie, in gewandten Stellungen über der grünen Tafel schwebend, ihr zier¬ liches Figürchen zu zeigen willkommene Gelegenheit hatte.
Der enthusiastische Maler begann sogleich eine Partie mit ihr, und Fortunat wollte eben Lothario'n aufsuchen, den er in der Gesellschaft vermißte, als der, sonst friedfertige Komiker Fabitz plötzlich mit einem seltsamen jungen Manne, mit welchem er draußen in Zank gerathen, in den Saal hereinstürzte. Der junge Mensch trug die altdeutsche Tracht, deren verschossenes Schwarz aber schon bedeutend in's Gräuliche spielte; lange, grobe Haare hingen ihm von beiden Seiten bis über die Schultern herab, und gaben dem langen, eckigten Gesicht ein gewisses antiquitätisches Ansehen. Es ergab sich, daß es gleichfalls ein Maler, Namens
jahrelangem dunklen Umhertreiben in den Dachſtuͤbchen kleiner Staͤdte, ſehr behaglich und laut in dem unge¬ wohnten Glanze ſonnten. Ein großer Saal mit Stuckverzierungen, verblichenen Tapeten und einem altvaͤteriſchen Billard in der Mitte, diente ihnen zum Verſammlungsplatz, und wenn gleich die Bourſen des Billards zum Theil vom Zahn der Zeit ſchon abge¬ nagt waren, ſo hatten die erfindſamen Geiſter doch ſo¬ gleich ihre eigenen, ohnedieß ziemlich uͤberfluͤſſigen Geld¬ beutel daran geheftet, und ſchnitten ihre Karoline mit mehr Behagen als Geſchicklichkeit. Nur Kordelchen erwies ſich als Meiſterin, wobei ſie, in gewandten Stellungen uͤber der gruͤnen Tafel ſchwebend, ihr zier¬ liches Figuͤrchen zu zeigen willkommene Gelegenheit hatte.
Der enthuſiaſtiſche Maler begann ſogleich eine Partie mit ihr, und Fortunat wollte eben Lothario'n aufſuchen, den er in der Geſellſchaft vermißte, als der, ſonſt friedfertige Komiker Fabitz ploͤtzlich mit einem ſeltſamen jungen Manne, mit welchem er draußen in Zank gerathen, in den Saal hereinſtuͤrzte. Der junge Menſch trug die altdeutſche Tracht, deren verſchoſſenes Schwarz aber ſchon bedeutend in's Graͤuliche ſpielte; lange, grobe Haare hingen ihm von beiden Seiten bis uͤber die Schultern herab, und gaben dem langen, eckigten Geſicht ein gewiſſes antiquitaͤtiſches Anſehen. Es ergab ſich, daß es gleichfalls ein Maler, Namens
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jahrelangem dunklen Umhertreiben in den Dachſtuͤbchen
kleiner Staͤdte, ſehr behaglich und laut in dem unge¬
wohnten Glanze ſonnten. Ein großer Saal mit
Stuckverzierungen, verblichenen Tapeten und einem
altvaͤteriſchen Billard in der Mitte, diente ihnen zum
Verſammlungsplatz, und wenn gleich die Bourſen des
Billards zum Theil vom Zahn der Zeit ſchon abge¬
nagt waren, ſo hatten die erfindſamen Geiſter doch ſo¬
gleich ihre eigenen, ohnedieß ziemlich uͤberfluͤſſigen Geld¬
beutel daran geheftet, und ſchnitten ihre Karoline mit
mehr Behagen als Geſchicklichkeit. Nur Kordelchen
erwies ſich als Meiſterin, wobei ſie, in gewandten
Stellungen uͤber der gruͤnen Tafel ſchwebend, ihr zier¬
liches Figuͤrchen zu zeigen willkommene Gelegenheit
hatte.
Der enthuſiaſtiſche Maler begann ſogleich eine
Partie mit ihr, und Fortunat wollte eben Lothario'n
aufſuchen, den er in der Geſellſchaft vermißte, als der,
ſonſt friedfertige Komiker Fabitz ploͤtzlich mit einem
ſeltſamen jungen Manne, mit welchem er draußen in
Zank gerathen, in den Saal hereinſtuͤrzte. Der junge
Menſch trug die altdeutſche Tracht, deren verſchoſſenes
Schwarz aber ſchon bedeutend in's Graͤuliche ſpielte;
lange, grobe Haare hingen ihm von beiden Seiten bis
uͤber die Schultern herab, und gaben dem langen,
eckigten Geſicht ein gewiſſes antiquitaͤtiſches Anſehen.
Es ergab ſich, daß es gleichfalls ein Maler, Namens
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/99>, abgerufen am 22.11.2024.
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