daß ihm schwindelte, lenkte sie mit kühner Gewandtheit ihr Pferd langsam den schmalen Steg hinab. Von dem letzten Abhange endlich wagte es einen verzweifel¬ ten Sprung, und stürzte unten sammt der Reiterin auf dem Rasen zusammen. In demselben Augenblick riß sie es gewaltsam wieder empor, beide hatten keinen Schaden genommen, nur der Zaum war entzwei. Da sprang Lothario rasch hinzu, ein langer Blitz beleuch¬ tete plötzlich die ganze schöne Gestalt. Wie das blen¬ det! rief er, während er, auf den Nacken des Pfer¬ des gelehnt, ihr lächelnd unter dem Barett in die Au¬ gen blickte. -- Sie sah ihn groß an -- da, die Kinn¬ kette noch, erwiederte sie kurz und stolz, dann, als er den Zaum in Ordnung gebracht, drückte sie rasch die Sporen ein, und zwischen den rothen Scheinen der Windlichter sah er ihren weißen Federschmuck, wie einen Schwan, durch die finstere Nacht dahinziehn.
Achtes Kapitel.
Als Fortunat erwachte, blickte er erstaunt in einem hohen vom Morgenroth schimmernden Gemache umher. Nach und nach erst besann er sich auf allese wie er gestern noch vor Ausbruch des Gwitters aus:
daß ihm ſchwindelte, lenkte ſie mit kuͤhner Gewandtheit ihr Pferd langſam den ſchmalen Steg hinab. Von dem letzten Abhange endlich wagte es einen verzweifel¬ ten Sprung, und ſtuͤrzte unten ſammt der Reiterin auf dem Raſen zuſammen. In demſelben Augenblick riß ſie es gewaltſam wieder empor, beide hatten keinen Schaden genommen, nur der Zaum war entzwei. Da ſprang Lothario raſch hinzu, ein langer Blitz beleuch¬ tete ploͤtzlich die ganze ſchoͤne Geſtalt. Wie das blen¬ det! rief er, waͤhrend er, auf den Nacken des Pfer¬ des gelehnt, ihr laͤchelnd unter dem Barett in die Au¬ gen blickte. — Sie ſah ihn groß an — da, die Kinn¬ kette noch, erwiederte ſie kurz und ſtolz, dann, als er den Zaum in Ordnung gebracht, druͤckte ſie raſch die Sporen ein, und zwiſchen den rothen Scheinen der Windlichter ſah er ihren weißen Federſchmuck, wie einen Schwan, durch die finſtere Nacht dahinziehn.
Achtes Kapitel.
Als Fortunat erwachte, blickte er erſtaunt in einem hohen vom Morgenroth ſchimmernden Gemache umher. Nach und nach erſt beſann er ſich auf allese wie er geſtern noch vor Ausbruch des Gwitters aus:
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daß ihm ſchwindelte, lenkte ſie mit kuͤhner Gewandtheit
ihr Pferd langſam den ſchmalen Steg hinab. Von
dem letzten Abhange endlich wagte es einen verzweifel¬
ten Sprung, und ſtuͤrzte unten ſammt der Reiterin
auf dem Raſen zuſammen. In demſelben Augenblick
riß ſie es gewaltſam wieder empor, beide hatten keinen
Schaden genommen, nur der Zaum war entzwei. Da
ſprang Lothario raſch hinzu, ein langer Blitz beleuch¬
tete ploͤtzlich die ganze ſchoͤne Geſtalt. Wie das blen¬
det! rief er, waͤhrend er, auf den Nacken des Pfer¬
des gelehnt, ihr laͤchelnd unter dem Barett in die Au¬
gen blickte. — Sie ſah ihn groß an — da, die Kinn¬
kette noch, erwiederte ſie kurz und ſtolz, dann, als er
den Zaum in Ordnung gebracht, druͤckte ſie raſch die
Sporen ein, und zwiſchen den rothen Scheinen der
Windlichter ſah er ihren weißen Federſchmuck, wie
einen Schwan, durch die finſtere Nacht dahinziehn.
Achtes Kapitel.
Als Fortunat erwachte, blickte er erſtaunt in
einem hohen vom Morgenroth ſchimmernden Gemache
umher. Nach und nach erſt beſann er ſich auf allese
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/94>, abgerufen am 22.11.2024.
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