Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Land! Land! schrie hier plötzlich der Voranschreitende
dazwischen, und man erblickte zu allgemeiner Freude
von weitem Mauern und Thürme, die sich wie dunkle
Riesen immer deutlicher aus dem trüben Grau auf¬
richteten. Einzelne Lichter schimmerten schon den Rei¬
senden trostreich entgegen, ein jeder strengte neubelebt
seine letzten Kräfte an, und so waren sie bald an dem
Thore eines kleinen Städtchens angelangt. -- Wie
Zugvögel mit begossenen, hängenden Flügeln strichen
sie stumm durch die engen finsteren Gassen, wo sich
die Lichter aus den Fenstern blendend und verwirrend
im Wasser spiegelten, während der Regen von allen
Dächern aus abenteuerlich vorgestreckten Drachenköpfen
auf sie herabstürzte.

So kamen sie endlich in den Hof eines Wirths¬
hauses. Hier war der Reisewagen der Gesellschaft,
den man unterweges umgeworfen hatte, auch so eben
erst angelangt. Der Theaterprinzipal Sorti, ein
kleines fixes Männchen, rannte eifrig hin und her,
vom Wagen wurden Burgen, Drachen und lange Ka¬
meelhälse eilig über den Hof getragen, die Hofhunde
bellten, überall war ein Rufen, Drängen und Schim¬
pfen in der undurchdringlichen Finsterniß, die nur von
einzelnen Blitzen manchmal durchkreuzt wurde. Mitten
aus diesem Rumor hob der Litteratus die jüngere Rei¬
terin schnell vom Pferde und trug sie auf seinem Arme
in das Haus. Das Mädchen war arg durchnäßt.

Land! Land! ſchrie hier ploͤtzlich der Voranſchreitende
dazwiſchen, und man erblickte zu allgemeiner Freude
von weitem Mauern und Thuͤrme, die ſich wie dunkle
Rieſen immer deutlicher aus dem truͤben Grau auf¬
richteten. Einzelne Lichter ſchimmerten ſchon den Rei¬
ſenden troſtreich entgegen, ein jeder ſtrengte neubelebt
ſeine letzten Kraͤfte an, und ſo waren ſie bald an dem
Thore eines kleinen Staͤdtchens angelangt. — Wie
Zugvoͤgel mit begoſſenen, haͤngenden Fluͤgeln ſtrichen
ſie ſtumm durch die engen finſteren Gaſſen, wo ſich
die Lichter aus den Fenſtern blendend und verwirrend
im Waſſer ſpiegelten, waͤhrend der Regen von allen
Daͤchern aus abenteuerlich vorgeſtreckten Drachenkoͤpfen
auf ſie herabſtuͤrzte.

So kamen ſie endlich in den Hof eines Wirths¬
hauſes. Hier war der Reiſewagen der Geſellſchaft,
den man unterweges umgeworfen hatte, auch ſo eben
erſt angelangt. Der Theaterprinzipal Sorti, ein
kleines fixes Maͤnnchen, rannte eifrig hin und her,
vom Wagen wurden Burgen, Drachen und lange Ka¬
meelhaͤlſe eilig uͤber den Hof getragen, die Hofhunde
bellten, uͤberall war ein Rufen, Draͤngen und Schim¬
pfen in der undurchdringlichen Finſterniß, die nur von
einzelnen Blitzen manchmal durchkreuzt wurde. Mitten
aus dieſem Rumor hob der Litteratus die juͤngere Rei¬
terin ſchnell vom Pferde und trug ſie auf ſeinem Arme
in das Haus. Das Maͤdchen war arg durchnaͤßt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0070" n="63"/>
Land! Land! &#x017F;chrie hier plo&#x0364;tzlich der Voran&#x017F;chreitende<lb/>
dazwi&#x017F;chen, und man erblickte zu allgemeiner Freude<lb/>
von weitem Mauern und Thu&#x0364;rme, die &#x017F;ich wie dunkle<lb/>
Rie&#x017F;en immer deutlicher aus dem tru&#x0364;ben Grau auf¬<lb/>
richteten. Einzelne Lichter &#x017F;chimmerten &#x017F;chon den Rei¬<lb/>
&#x017F;enden tro&#x017F;treich entgegen, ein jeder &#x017F;trengte neubelebt<lb/>
&#x017F;eine letzten Kra&#x0364;fte an, und &#x017F;o waren &#x017F;ie bald an dem<lb/>
Thore eines kleinen Sta&#x0364;dtchens angelangt. &#x2014; Wie<lb/>
Zugvo&#x0364;gel mit bego&#x017F;&#x017F;enen, ha&#x0364;ngenden Flu&#x0364;geln &#x017F;trichen<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;tumm durch die engen fin&#x017F;teren Ga&#x017F;&#x017F;en, wo &#x017F;ich<lb/>
die Lichter aus den Fen&#x017F;tern blendend und verwirrend<lb/>
im Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;piegelten, wa&#x0364;hrend der Regen von allen<lb/>
Da&#x0364;chern aus abenteuerlich vorge&#x017F;treckten Drachenko&#x0364;pfen<lb/>
auf &#x017F;ie herab&#x017F;tu&#x0364;rzte.</p><lb/>
          <p>So kamen &#x017F;ie endlich in den Hof eines Wirths¬<lb/>
hau&#x017F;es. Hier war der Rei&#x017F;ewagen der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft,<lb/>
den man unterweges umgeworfen hatte, auch &#x017F;o eben<lb/>
er&#x017F;t angelangt. Der Theaterprinzipal <hi rendition="#g">Sorti</hi>, ein<lb/>
kleines fixes Ma&#x0364;nnchen, rannte eifrig hin und her,<lb/>
vom Wagen wurden Burgen, Drachen und lange Ka¬<lb/>
meelha&#x0364;l&#x017F;e eilig u&#x0364;ber den Hof getragen, die Hofhunde<lb/>
bellten, u&#x0364;berall war ein Rufen, Dra&#x0364;ngen und Schim¬<lb/>
pfen in der undurchdringlichen Fin&#x017F;terniß, die nur von<lb/>
einzelnen Blitzen manchmal durchkreuzt wurde. Mitten<lb/>
aus die&#x017F;em Rumor hob der Litteratus die ju&#x0364;ngere Rei¬<lb/>
terin &#x017F;chnell vom Pferde und trug &#x017F;ie auf &#x017F;einem Arme<lb/>
in das Haus. Das Ma&#x0364;dchen war arg durchna&#x0364;ßt.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0070] Land! Land! ſchrie hier ploͤtzlich der Voranſchreitende dazwiſchen, und man erblickte zu allgemeiner Freude von weitem Mauern und Thuͤrme, die ſich wie dunkle Rieſen immer deutlicher aus dem truͤben Grau auf¬ richteten. Einzelne Lichter ſchimmerten ſchon den Rei¬ ſenden troſtreich entgegen, ein jeder ſtrengte neubelebt ſeine letzten Kraͤfte an, und ſo waren ſie bald an dem Thore eines kleinen Staͤdtchens angelangt. — Wie Zugvoͤgel mit begoſſenen, haͤngenden Fluͤgeln ſtrichen ſie ſtumm durch die engen finſteren Gaſſen, wo ſich die Lichter aus den Fenſtern blendend und verwirrend im Waſſer ſpiegelten, waͤhrend der Regen von allen Daͤchern aus abenteuerlich vorgeſtreckten Drachenkoͤpfen auf ſie herabſtuͤrzte. So kamen ſie endlich in den Hof eines Wirths¬ hauſes. Hier war der Reiſewagen der Geſellſchaft, den man unterweges umgeworfen hatte, auch ſo eben erſt angelangt. Der Theaterprinzipal Sorti, ein kleines fixes Maͤnnchen, rannte eifrig hin und her, vom Wagen wurden Burgen, Drachen und lange Ka¬ meelhaͤlſe eilig uͤber den Hof getragen, die Hofhunde bellten, uͤberall war ein Rufen, Draͤngen und Schim¬ pfen in der undurchdringlichen Finſterniß, die nur von einzelnen Blitzen manchmal durchkreuzt wurde. Mitten aus dieſem Rumor hob der Litteratus die juͤngere Rei¬ terin ſchnell vom Pferde und trug ſie auf ſeinem Arme in das Haus. Das Maͤdchen war arg durchnaͤßt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/70
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/70>, abgerufen am 22.11.2024.