war inzwischen in den vollen Redestrom seiner Feier¬ tagslaune gerathen, und brachte alle seine alten Jagd¬ späße und lateinische Brocken wieder aufs Tapet, wor¬ über die Pachterstöchter, die ihn insgeheim für einen gewandten Weltmann und Gelehrten hielten, jedesmal in ein unmäßiges Lachen ausbrachen. Bald aber nahm Otto die Aufmerksamkeit ausschließlich in An¬ spruch, noch in der vollen Heimathsfreude des ersten Wiedersehens erzählte er von seinem Studentenleben in Halle, er sprach so frisch, und als nun gar der Amtmann die funkelnden Weinflaschen auf den Tisch setzte, glitten alle Gedanken fröhlich mit dem bunten Studentenschifflein am Gibichenstein und den blühenden Kirschgärten die Saale hinab in das gelobte Land der Jugend.
So war unvermerkt der Abend herangekommen, der Förster und die Mädchen hatten sich heimlich ins Haus geschlichen, Otto erzählte noch immer, als plötz¬ lich die Thür sich weit aufthat, und bei dem Geschwirr einer Geige ein ganzer Hofstaat von Damen und Herren in Reifröcken, Haarbeuteln und altfranzösischen Fräcken sich rauschend herausbewegte. Man erkannte sogleich den Förster unter ihnen, er führte feierlich die jungen Leute vom Tisch den verlegen knixenden Da¬ men auf, die Geige schwirrte von neuem, und so ent¬ spann sich unversehens ein Tanz auf dem Rasen. Waltern wollt' es gar nicht gelingen, er wurde immer
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war inzwiſchen in den vollen Redeſtrom ſeiner Feier¬ tagslaune gerathen, und brachte alle ſeine alten Jagd¬ ſpaͤße und lateiniſche Brocken wieder aufs Tapet, wor¬ uͤber die Pachterstoͤchter, die ihn insgeheim fuͤr einen gewandten Weltmann und Gelehrten hielten, jedesmal in ein unmaͤßiges Lachen ausbrachen. Bald aber nahm Otto die Aufmerkſamkeit ausſchließlich in An¬ ſpruch, noch in der vollen Heimathsfreude des erſten Wiederſehens erzaͤhlte er von ſeinem Studentenleben in Halle, er ſprach ſo friſch, und als nun gar der Amtmann die funkelnden Weinflaſchen auf den Tiſch ſetzte, glitten alle Gedanken froͤhlich mit dem bunten Studentenſchifflein am Gibichenſtein und den bluͤhenden Kirſchgaͤrten die Saale hinab in das gelobte Land der Jugend.
So war unvermerkt der Abend herangekommen, der Foͤrſter und die Maͤdchen hatten ſich heimlich ins Haus geſchlichen, Otto erzaͤhlte noch immer, als ploͤtz¬ lich die Thuͤr ſich weit aufthat, und bei dem Geſchwirr einer Geige ein ganzer Hofſtaat von Damen und Herren in Reifroͤcken, Haarbeuteln und altfranzoͤſiſchen Fraͤcken ſich rauſchend herausbewegte. Man erkannte ſogleich den Foͤrſter unter ihnen, er fuͤhrte feierlich die jungen Leute vom Tiſch den verlegen knixenden Da¬ men auf, die Geige ſchwirrte von neuem, und ſo ent¬ ſpann ſich unverſehens ein Tanz auf dem Raſen. Waltern wollt' es gar nicht gelingen, er wurde immer
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war inzwiſchen in den vollen Redeſtrom ſeiner Feier¬
tagslaune gerathen, und brachte alle ſeine alten Jagd¬
ſpaͤße und lateiniſche Brocken wieder aufs Tapet, wor¬
uͤber die Pachterstoͤchter, die ihn insgeheim fuͤr einen
gewandten Weltmann und Gelehrten hielten, jedesmal
in ein unmaͤßiges Lachen ausbrachen. Bald aber
nahm Otto die Aufmerkſamkeit ausſchließlich in An¬
ſpruch, noch in der vollen Heimathsfreude des erſten
Wiederſehens erzaͤhlte er von ſeinem Studentenleben
in Halle, er ſprach ſo friſch, und als nun gar der
Amtmann die funkelnden Weinflaſchen auf den Tiſch
ſetzte, glitten alle Gedanken froͤhlich mit dem bunten
Studentenſchifflein am Gibichenſtein und den bluͤhenden
Kirſchgaͤrten die Saale hinab in das gelobte Land
der Jugend.
So war unvermerkt der Abend herangekommen,
der Foͤrſter und die Maͤdchen hatten ſich heimlich ins
Haus geſchlichen, Otto erzaͤhlte noch immer, als ploͤtz¬
lich die Thuͤr ſich weit aufthat, und bei dem Geſchwirr
einer Geige ein ganzer Hofſtaat von Damen und
Herren in Reifroͤcken, Haarbeuteln und altfranzoͤſiſchen
Fraͤcken ſich rauſchend herausbewegte. Man erkannte
ſogleich den Foͤrſter unter ihnen, er fuͤhrte feierlich die
jungen Leute vom Tiſch den verlegen knixenden Da¬
men auf, die Geige ſchwirrte von neuem, und ſo ent¬
ſpann ſich unverſehens ein Tanz auf dem Raſen.
Waltern wollt' es gar nicht gelingen, er wurde immer
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/42>, abgerufen am 23.11.2024.
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