Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

gluthroth darüber, es war, als stünd' er ganz im
Feuer. Auf seine Büchse gelehnt, schaute er von der
andern Seite in die Thäler hinab, er hörte ihn oben
singen:

Hier steh' ich wie auf treuer Wacht,
Vergangen ist die dunkle Nacht,
Wie blitzt nun auf der Länder Pracht!
Du schöne Welt, nimm dich in Acht!

Jetzt wandt' er sich herum -- es war Lotha¬
rio
! Auch er hatte nun den Ankommenden bemerkt,
sprang rasch herab, und die beiden Freunde lagen ein¬
ander in den Armen. Der wilde Jäger sah bleich,
gebräunt und dennoch schöner aus, als ehemals, For¬
tunat erschrak fast vor der wunderbaren Tiefe der dun¬
len Augen, in die er so lange nicht gesehen. -- Aber
wie kommst du hier herauf? fragte er endlich auf's
höchste überrascht. -- Ich spiele den letzten Act, erwie¬
derte Jener lächelnd, Gräber, Hochzeit, Gottes grüne
Zinnen und die aufgehende Sonne als Schluß-Deco¬
ration. -- Hier waren sie am Gipfel bei den Trüm¬
mern angelangt, er band Fortunats Pferd an einen
Baum. Laß unterdeß hier alles stehen, und komm
nur schnell mit mir. -- Du bist nicht allein hier oben,
meinte Fortunat, wen habt ihr heute Nacht im Wald
begraben? -- Den armen Otto. -- O Gott! du
fröhliches Liederherz, so früh wie eine Lerche singend
aus der Luft zu fallen! mir ist's, als hört' ich's noch

gluthroth daruͤber, es war, als ſtuͤnd' er ganz im
Feuer. Auf ſeine Buͤchſe gelehnt, ſchaute er von der
andern Seite in die Thaͤler hinab, er hoͤrte ihn oben
ſingen:

Hier ſteh' ich wie auf treuer Wacht,
Vergangen iſt die dunkle Nacht,
Wie blitzt nun auf der Laͤnder Pracht!
Du ſchoͤne Welt, nimm dich in Acht!

Jetzt wandt' er ſich herum — es war Lotha¬
rio
! Auch er hatte nun den Ankommenden bemerkt,
ſprang raſch herab, und die beiden Freunde lagen ein¬
ander in den Armen. Der wilde Jaͤger ſah bleich,
gebraͤunt und dennoch ſchoͤner aus, als ehemals, For¬
tunat erſchrak faſt vor der wunderbaren Tiefe der dun¬
len Augen, in die er ſo lange nicht geſehen. — Aber
wie kommſt du hier herauf? fragte er endlich auf's
hoͤchſte uͤberraſcht. — Ich ſpiele den letzten Act, erwie¬
derte Jener laͤchelnd, Graͤber, Hochzeit, Gottes gruͤne
Zinnen und die aufgehende Sonne als Schluß-Deco¬
ration. — Hier waren ſie am Gipfel bei den Truͤm¬
mern angelangt, er band Fortunats Pferd an einen
Baum. Laß unterdeß hier alles ſtehen, und komm
nur ſchnell mit mir. — Du biſt nicht allein hier oben,
meinte Fortunat, wen habt ihr heute Nacht im Wald
begraben? — Den armen Otto. — O Gott! du
froͤhliches Liederherz, ſo fruͤh wie eine Lerche ſingend
aus der Luft zu fallen! mir iſt's, als hoͤrt' ich's noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0369" n="362"/>
gluthroth daru&#x0364;ber, es war, als &#x017F;tu&#x0364;nd' er ganz im<lb/>
Feuer. Auf &#x017F;eine Bu&#x0364;ch&#x017F;e gelehnt, &#x017F;chaute er von der<lb/>
andern Seite in die Tha&#x0364;ler hinab, er ho&#x0364;rte ihn oben<lb/>
&#x017F;ingen:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Hier &#x017F;teh' ich wie auf treuer Wacht,</l><lb/>
            <l>Vergangen i&#x017F;t die dunkle Nacht,</l><lb/>
            <l>Wie blitzt nun auf der La&#x0364;nder Pracht!</l><lb/>
            <l>Du &#x017F;cho&#x0364;ne Welt, nimm dich in Acht!</l><lb/>
          </lg>
          <p>Jetzt wandt' er &#x017F;ich herum &#x2014; es war <hi rendition="#g">Lotha¬<lb/>
rio</hi>! Auch er hatte nun den Ankommenden bemerkt,<lb/>
&#x017F;prang ra&#x017F;ch herab, und die beiden Freunde lagen ein¬<lb/>
ander in den Armen. Der wilde Ja&#x0364;ger &#x017F;ah bleich,<lb/>
gebra&#x0364;unt und dennoch &#x017F;cho&#x0364;ner aus, als ehemals, For¬<lb/>
tunat er&#x017F;chrak fa&#x017F;t vor der wunderbaren Tiefe der dun¬<lb/>
len Augen, in die er &#x017F;o lange nicht ge&#x017F;ehen. &#x2014; Aber<lb/>
wie komm&#x017F;t du hier herauf? fragte er endlich auf's<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;te u&#x0364;berra&#x017F;cht. &#x2014; Ich &#x017F;piele den letzten Act, erwie¬<lb/>
derte Jener la&#x0364;chelnd, Gra&#x0364;ber, Hochzeit, Gottes gru&#x0364;ne<lb/>
Zinnen und die aufgehende Sonne als Schluß-Deco¬<lb/>
ration. &#x2014; Hier waren &#x017F;ie am Gipfel bei den Tru&#x0364;<lb/>
mern angelangt, er band Fortunats Pferd an einen<lb/>
Baum. Laß unterdeß hier alles &#x017F;tehen, und komm<lb/>
nur &#x017F;chnell mit mir. &#x2014; Du bi&#x017F;t nicht allein hier oben,<lb/>
meinte Fortunat, wen habt ihr heute Nacht im Wald<lb/>
begraben? &#x2014; Den armen <hi rendition="#g">Otto</hi>. &#x2014; O Gott! du<lb/>
fro&#x0364;hliches Liederherz, &#x017F;o fru&#x0364;h wie eine Lerche &#x017F;ingend<lb/>
aus der Luft zu fallen! mir i&#x017F;t's, als ho&#x0364;rt' ich's noch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[362/0369] gluthroth daruͤber, es war, als ſtuͤnd' er ganz im Feuer. Auf ſeine Buͤchſe gelehnt, ſchaute er von der andern Seite in die Thaͤler hinab, er hoͤrte ihn oben ſingen: Hier ſteh' ich wie auf treuer Wacht, Vergangen iſt die dunkle Nacht, Wie blitzt nun auf der Laͤnder Pracht! Du ſchoͤne Welt, nimm dich in Acht! Jetzt wandt' er ſich herum — es war Lotha¬ rio! Auch er hatte nun den Ankommenden bemerkt, ſprang raſch herab, und die beiden Freunde lagen ein¬ ander in den Armen. Der wilde Jaͤger ſah bleich, gebraͤunt und dennoch ſchoͤner aus, als ehemals, For¬ tunat erſchrak faſt vor der wunderbaren Tiefe der dun¬ len Augen, in die er ſo lange nicht geſehen. — Aber wie kommſt du hier herauf? fragte er endlich auf's hoͤchſte uͤberraſcht. — Ich ſpiele den letzten Act, erwie¬ derte Jener laͤchelnd, Graͤber, Hochzeit, Gottes gruͤne Zinnen und die aufgehende Sonne als Schluß-Deco¬ ration. — Hier waren ſie am Gipfel bei den Truͤm¬ mern angelangt, er band Fortunats Pferd an einen Baum. Laß unterdeß hier alles ſtehen, und komm nur ſchnell mit mir. — Du biſt nicht allein hier oben, meinte Fortunat, wen habt ihr heute Nacht im Wald begraben? — Den armen Otto. — O Gott! du froͤhliches Liederherz, ſo fruͤh wie eine Lerche ſingend aus der Luft zu fallen! mir iſt's, als hoͤrt' ich's noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/369
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/369>, abgerufen am 23.11.2024.