sie trugen lautlos einen Sarg. Die rothen Wider¬ scheine schweiften wunderbar zwischen den Tannen über ein Felsenthor, in welchem auf einmal alles wieder verschwand. -- Da war's ihm, als trügen sie Fia¬ metta fort, er stürzte hastig nach in den Wald. Aber vergebens suchte er einen Steg durch die Wildniß, in der flimmernden Dämmerung des Mondscheins starr¬ ten ihm überall zackige Klüfte entgegen, er mußte wie¬ der umkehren. Nur zu, sagte er ganz verstört, nur immer zu! der Spuk und die Nacht müssen doch ein¬ mal ein Ende nehmen! -- Dann lehnte er sich über den Hals seines schlummernden Pferdes und starrte gedankenvoll in die weite Einsamkeit hinaus.
So hatte er lange, halb im Traume gestanden, als er auf einmal von fern den lustigen Schrei eines Waldvogels zu hören glaubte. Erfreut blickte er um¬ her, da schweifte wirklich schon ein ungewisser Mor¬ genschein leise über den Himmel, wie ein Hauch über den Spiegel, seitwärts, als er sich bewegte, fuhr ein Reh auf und flog scheu durch die Dämmerung. Nun dacht' er dran, daß heute Sonntag war. Da rannte er schnell in die Klause. Schau nicht so grämlich in dieser gnadenreichen Stunde, rief er dem knöchernen Klausner zu, jetzt ist's ja licht und alles, alles wieder gut! Dann zog er fröhlich die Glocke, als wollt' er den Tag anbrechen, und das Herz wurde ihm still und weit, als der Schall so hell durch die Waldesnacht
ſie trugen lautlos einen Sarg. Die rothen Wider¬ ſcheine ſchweiften wunderbar zwiſchen den Tannen uͤber ein Felſenthor, in welchem auf einmal alles wieder verſchwand. — Da war's ihm, als truͤgen ſie Fia¬ metta fort, er ſtuͤrzte haſtig nach in den Wald. Aber vergebens ſuchte er einen Steg durch die Wildniß, in der flimmernden Daͤmmerung des Mondſcheins ſtarr¬ ten ihm uͤberall zackige Kluͤfte entgegen, er mußte wie¬ der umkehren. Nur zu, ſagte er ganz verſtoͤrt, nur immer zu! der Spuk und die Nacht muͤſſen doch ein¬ mal ein Ende nehmen! — Dann lehnte er ſich uͤber den Hals ſeines ſchlummernden Pferdes und ſtarrte gedankenvoll in die weite Einſamkeit hinaus.
So hatte er lange, halb im Traume geſtanden, als er auf einmal von fern den luſtigen Schrei eines Waldvogels zu hoͤren glaubte. Erfreut blickte er um¬ her, da ſchweifte wirklich ſchon ein ungewiſſer Mor¬ genſchein leiſe uͤber den Himmel, wie ein Hauch uͤber den Spiegel, ſeitwaͤrts, als er ſich bewegte, fuhr ein Reh auf und flog ſcheu durch die Daͤmmerung. Nun dacht' er dran, daß heute Sonntag war. Da rannte er ſchnell in die Klauſe. Schau nicht ſo graͤmlich in dieſer gnadenreichen Stunde, rief er dem knoͤchernen Klausner zu, jetzt iſt's ja licht und alles, alles wieder gut! Dann zog er froͤhlich die Glocke, als wollt' er den Tag anbrechen, und das Herz wurde ihm ſtill und weit, als der Schall ſo hell durch die Waldesnacht
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ſie trugen lautlos einen Sarg. Die rothen Wider¬
ſcheine ſchweiften wunderbar zwiſchen den Tannen uͤber
ein Felſenthor, in welchem auf einmal alles wieder
verſchwand. — Da war's ihm, als truͤgen ſie Fia¬
metta fort, er ſtuͤrzte haſtig nach in den Wald. Aber
vergebens ſuchte er einen Steg durch die Wildniß, in
der flimmernden Daͤmmerung des Mondſcheins ſtarr¬
ten ihm uͤberall zackige Kluͤfte entgegen, er mußte wie¬
der umkehren. Nur zu, ſagte er ganz verſtoͤrt, nur
immer zu! der Spuk und die Nacht muͤſſen doch ein¬
mal ein Ende nehmen! — Dann lehnte er ſich uͤber
den Hals ſeines ſchlummernden Pferdes und ſtarrte
gedankenvoll in die weite Einſamkeit hinaus.
So hatte er lange, halb im Traume geſtanden,
als er auf einmal von fern den luſtigen Schrei eines
Waldvogels zu hoͤren glaubte. Erfreut blickte er um¬
her, da ſchweifte wirklich ſchon ein ungewiſſer Mor¬
genſchein leiſe uͤber den Himmel, wie ein Hauch uͤber
den Spiegel, ſeitwaͤrts, als er ſich bewegte, fuhr ein
Reh auf und flog ſcheu durch die Daͤmmerung. Nun
dacht' er dran, daß heute Sonntag war. Da rannte
er ſchnell in die Klauſe. Schau nicht ſo graͤmlich in
dieſer gnadenreichen Stunde, rief er dem knoͤchernen
Klausner zu, jetzt iſt's ja licht und alles, alles wieder
gut! Dann zog er froͤhlich die Glocke, als wollt' er
den Tag anbrechen, und das Herz wurde ihm ſtill und
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/367>, abgerufen am 23.11.2024.
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