fresser am liebsten gleich zerpflücken! Nun kommen gewiß die armen Kinder auseinander.
Ja freilich, entgegnete Fortunat. In der Angst und Finsterniß arbeitete Kasperl wüthend mit seinen Ellbogen in den Aepfeln herum. Aber seyn Sie doch nicht so sackgrob, Sie erdrücken mich ja, wisperte da plötzlich ein feines Stimmchen neben ihm. -- Bist du's, fragte er leise. Ja wohl, antwortete das Stimm¬ chen, ich bin auch gefangen, und nage schon lange an dem Sack, daß mir die Zähne weh thun. Jetzt ist der Alte eingeschlafen, hören Sie nur, wie er schnarcht. Sie haben so starke, dicke Finger, seyn Sie doch so gütig und helfen Sie mir ein wenig reißen. -- Es war ein allerliebstes, kleinwinziges Mäuschen, das so artig sprach. Kasperl riß nun ganz vorsichtig an dem Sack, das Mäuschen wischte hinaus, biß ihn im Fortspringen noch schelmisch in den Finger und ver¬ schlüpfte dann schnell im Mondschein, er hörte es noch fern zwischen den Steinen kichern. Jetzt kroch er sel¬ ber sacht hervor, steckte noch geschwind einen hübschen Apfel in die Tasche, und nahm dann eilig Reißaus. -- Aber, Gott weiß, der Alte mußte einen groben Flausrock anhaben, denn Kasperl gerieth auf einmal in ein verworrenes, ungebürstetes Gestrüpp, in der Eile hatte er den Weg verloren und war, anstatt her¬ abzuklettern, an dem alten Rockärmel gerade hinauf¬ gelaufen. Als er aber oben stand, erstaunt' er erst
freſſer am liebſten gleich zerpfluͤcken! Nun kommen gewiß die armen Kinder auseinander.
Ja freilich, entgegnete Fortunat. In der Angſt und Finſterniß arbeitete Kasperl wuͤthend mit ſeinen Ellbogen in den Aepfeln herum. Aber ſeyn Sie doch nicht ſo ſackgrob, Sie erdruͤcken mich ja, wiſperte da ploͤtzlich ein feines Stimmchen neben ihm. — Biſt du's, fragte er leiſe. Ja wohl, antwortete das Stimm¬ chen, ich bin auch gefangen, und nage ſchon lange an dem Sack, daß mir die Zaͤhne weh thun. Jetzt iſt der Alte eingeſchlafen, hoͤren Sie nur, wie er ſchnarcht. Sie haben ſo ſtarke, dicke Finger, ſeyn Sie doch ſo guͤtig und helfen Sie mir ein wenig reißen. — Es war ein allerliebſtes, kleinwinziges Maͤuschen, das ſo artig ſprach. Kasperl riß nun ganz vorſichtig an dem Sack, das Maͤuschen wiſchte hinaus, biß ihn im Fortſpringen noch ſchelmiſch in den Finger und ver¬ ſchluͤpfte dann ſchnell im Mondſchein, er hoͤrte es noch fern zwiſchen den Steinen kichern. Jetzt kroch er ſel¬ ber ſacht hervor, ſteckte noch geſchwind einen huͤbſchen Apfel in die Taſche, und nahm dann eilig Reißaus. — Aber, Gott weiß, der Alte mußte einen groben Flausrock anhaben, denn Kasperl gerieth auf einmal in ein verworrenes, ungebuͤrſtetes Geſtruͤpp, in der Eile hatte er den Weg verloren und war, anſtatt her¬ abzuklettern, an dem alten Rockaͤrmel gerade hinauf¬ gelaufen. Als er aber oben ſtand, erſtaunt' er erſt
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freſſer am liebſten gleich zerpfluͤcken! Nun kommen
gewiß die armen Kinder auseinander.
Ja freilich, entgegnete Fortunat. In der Angſt
und Finſterniß arbeitete Kasperl wuͤthend mit ſeinen
Ellbogen in den Aepfeln herum. Aber ſeyn Sie doch
nicht ſo ſackgrob, Sie erdruͤcken mich ja, wiſperte da
ploͤtzlich ein feines Stimmchen neben ihm. — Biſt
du's, fragte er leiſe. Ja wohl, antwortete das Stimm¬
chen, ich bin auch gefangen, und nage ſchon lange an
dem Sack, daß mir die Zaͤhne weh thun. Jetzt iſt
der Alte eingeſchlafen, hoͤren Sie nur, wie er ſchnarcht.
Sie haben ſo ſtarke, dicke Finger, ſeyn Sie doch ſo
guͤtig und helfen Sie mir ein wenig reißen. — Es
war ein allerliebſtes, kleinwinziges Maͤuschen, das ſo
artig ſprach. Kasperl riß nun ganz vorſichtig an dem
Sack, das Maͤuschen wiſchte hinaus, biß ihn im
Fortſpringen noch ſchelmiſch in den Finger und ver¬
ſchluͤpfte dann ſchnell im Mondſchein, er hoͤrte es noch
fern zwiſchen den Steinen kichern. Jetzt kroch er ſel¬
ber ſacht hervor, ſteckte noch geſchwind einen huͤbſchen
Apfel in die Taſche, und nahm dann eilig Reißaus.
— Aber, Gott weiß, der Alte mußte einen groben
Flausrock anhaben, denn Kasperl gerieth auf einmal
in ein verworrenes, ungebuͤrſtetes Geſtruͤpp, in der
Eile hatte er den Weg verloren und war, anſtatt her¬
abzuklettern, an dem alten Rockaͤrmel gerade hinauf¬
gelaufen. Als er aber oben ſtand, erſtaunt' er erſt
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/338>, abgerufen am 22.11.2024.
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