Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

war. Er wollte umkehren, aber der Schläfer, von
dem Geräusch erweckt, fuhr so eben rasch auf, blickte
verworren ringsumher, und fragte Fortunaten, wer er
sey? Dieser erzählte nun sein nächtliches Abenteuer
und seinen langgehegten Wunsch, diese Gegend einmal
zum Angedenken des Dichter-Grafen Victor zu durch¬
streifen. -- Vortrefflich, erwiederte der Andere, so will
ich Sie sogleich herumführen! -- Kennen Sie den
Grafen Victor? fragte Fortunat. -- Nicht sonderlich,
erwiederte jener, doch weiß ich eben genug von ihm,
um Ihnen hier überall genügende Auskunft zu geben.

Fortunat nahm das unerwartete Anerbieten dank¬
bar an, und betrachtete, als sie nun mit einander wei¬
ter gingen, mit freudiger Ueberraschung das schöne,
aber etwas bleiche und wüste Gesicht des Unbekann¬
ten, über das die Morgenlichter durch das Laub wun¬
derlich wechselnde Scheine warfen. Er äußerte endlich
seine Verwunderung über die, wie es schien, absichtlich
und sehr sorgfältig festgehaltene Altmodigkeit dieses
Gartens. -- Der Graf, entgegnete sein Begleiter, will
es so haben. Buxbaumene Kindlichkeit! Wie es in
seiner Kindheit gewesen, so soll es hier ferner verblei¬
ben, selbst dieselben Blumen müssen jährlich an densel¬
ben Plätzen wieder gepflanzt werden, wie damals. --
Er hat Recht, sagte Fortunat, was soll ein Garten,
wenn er nicht ein Gedicht von ganz bestimmtem Klange
ist! In diesem einförmigen Plätschern der Wasser¬

war. Er wollte umkehren, aber der Schlaͤfer, von
dem Geraͤuſch erweckt, fuhr ſo eben raſch auf, blickte
verworren ringsumher, und fragte Fortunaten, wer er
ſey? Dieſer erzaͤhlte nun ſein naͤchtliches Abenteuer
und ſeinen langgehegten Wunſch, dieſe Gegend einmal
zum Angedenken des Dichter-Grafen Victor zu durch¬
ſtreifen. — Vortrefflich, erwiederte der Andere, ſo will
ich Sie ſogleich herumfuͤhren! — Kennen Sie den
Grafen Victor? fragte Fortunat. — Nicht ſonderlich,
erwiederte jener, doch weiß ich eben genug von ihm,
um Ihnen hier uͤberall genuͤgende Auskunft zu geben.

Fortunat nahm das unerwartete Anerbieten dank¬
bar an, und betrachtete, als ſie nun mit einander wei¬
ter gingen, mit freudiger Ueberraſchung das ſchoͤne,
aber etwas bleiche und wuͤſte Geſicht des Unbekann¬
ten, uͤber das die Morgenlichter durch das Laub wun¬
derlich wechſelnde Scheine warfen. Er aͤußerte endlich
ſeine Verwunderung uͤber die, wie es ſchien, abſichtlich
und ſehr ſorgfaͤltig feſtgehaltene Altmodigkeit dieſes
Gartens. — Der Graf, entgegnete ſein Begleiter, will
es ſo haben. Buxbaumene Kindlichkeit! Wie es in
ſeiner Kindheit geweſen, ſo ſoll es hier ferner verblei¬
ben, ſelbſt dieſelben Blumen muͤſſen jaͤhrlich an denſel¬
ben Plaͤtzen wieder gepflanzt werden, wie damals. —
Er hat Recht, ſagte Fortunat, was ſoll ein Garten,
wenn er nicht ein Gedicht von ganz beſtimmtem Klange
iſt! In dieſem einfoͤrmigen Plaͤtſchern der Waſſer¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0031" n="24"/>
war. Er wollte umkehren, aber der Schla&#x0364;fer, von<lb/>
dem Gera&#x0364;u&#x017F;ch erweckt, fuhr &#x017F;o eben ra&#x017F;ch auf, blickte<lb/>
verworren ringsumher, und fragte Fortunaten, wer er<lb/>
&#x017F;ey? Die&#x017F;er erza&#x0364;hlte nun &#x017F;ein na&#x0364;chtliches Abenteuer<lb/>
und &#x017F;einen langgehegten Wun&#x017F;ch, die&#x017F;e Gegend einmal<lb/>
zum Angedenken des Dichter-Grafen Victor zu durch¬<lb/>
&#x017F;treifen. &#x2014; Vortrefflich, erwiederte der Andere, &#x017F;o will<lb/>
ich Sie &#x017F;ogleich herumfu&#x0364;hren! &#x2014; Kennen Sie den<lb/>
Grafen Victor? fragte Fortunat. &#x2014; Nicht &#x017F;onderlich,<lb/>
erwiederte jener, doch weiß ich eben genug von ihm,<lb/>
um Ihnen hier u&#x0364;berall genu&#x0364;gende Auskunft zu geben.</p><lb/>
          <p>Fortunat nahm das unerwartete Anerbieten dank¬<lb/>
bar an, und betrachtete, als &#x017F;ie nun mit einander wei¬<lb/>
ter gingen, mit freudiger Ueberra&#x017F;chung das &#x017F;cho&#x0364;ne,<lb/>
aber etwas bleiche und wu&#x0364;&#x017F;te Ge&#x017F;icht des Unbekann¬<lb/>
ten, u&#x0364;ber das die Morgenlichter durch das Laub wun¬<lb/>
derlich wech&#x017F;elnde Scheine warfen. Er a&#x0364;ußerte endlich<lb/>
&#x017F;eine Verwunderung u&#x0364;ber die, wie es &#x017F;chien, ab&#x017F;ichtlich<lb/>
und &#x017F;ehr &#x017F;orgfa&#x0364;ltig fe&#x017F;tgehaltene Altmodigkeit die&#x017F;es<lb/>
Gartens. &#x2014; Der Graf, entgegnete &#x017F;ein Begleiter, will<lb/>
es &#x017F;o haben. Buxbaumene Kindlichkeit! Wie es in<lb/>
&#x017F;einer Kindheit gewe&#x017F;en, &#x017F;o &#x017F;oll es hier ferner verblei¬<lb/>
ben, &#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;elben Blumen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ja&#x0364;hrlich an den&#x017F;el¬<lb/>
ben Pla&#x0364;tzen wieder gepflanzt werden, wie damals. &#x2014;<lb/>
Er hat Recht, &#x017F;agte Fortunat, was &#x017F;oll ein Garten,<lb/>
wenn er nicht ein Gedicht von ganz be&#x017F;timmtem Klange<lb/>
i&#x017F;t! In die&#x017F;em einfo&#x0364;rmigen Pla&#x0364;t&#x017F;chern der Wa&#x017F;&#x017F;er¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0031] war. Er wollte umkehren, aber der Schlaͤfer, von dem Geraͤuſch erweckt, fuhr ſo eben raſch auf, blickte verworren ringsumher, und fragte Fortunaten, wer er ſey? Dieſer erzaͤhlte nun ſein naͤchtliches Abenteuer und ſeinen langgehegten Wunſch, dieſe Gegend einmal zum Angedenken des Dichter-Grafen Victor zu durch¬ ſtreifen. — Vortrefflich, erwiederte der Andere, ſo will ich Sie ſogleich herumfuͤhren! — Kennen Sie den Grafen Victor? fragte Fortunat. — Nicht ſonderlich, erwiederte jener, doch weiß ich eben genug von ihm, um Ihnen hier uͤberall genuͤgende Auskunft zu geben. Fortunat nahm das unerwartete Anerbieten dank¬ bar an, und betrachtete, als ſie nun mit einander wei¬ ter gingen, mit freudiger Ueberraſchung das ſchoͤne, aber etwas bleiche und wuͤſte Geſicht des Unbekann¬ ten, uͤber das die Morgenlichter durch das Laub wun¬ derlich wechſelnde Scheine warfen. Er aͤußerte endlich ſeine Verwunderung uͤber die, wie es ſchien, abſichtlich und ſehr ſorgfaͤltig feſtgehaltene Altmodigkeit dieſes Gartens. — Der Graf, entgegnete ſein Begleiter, will es ſo haben. Buxbaumene Kindlichkeit! Wie es in ſeiner Kindheit geweſen, ſo ſoll es hier ferner verblei¬ ben, ſelbſt dieſelben Blumen muͤſſen jaͤhrlich an denſel¬ ben Plaͤtzen wieder gepflanzt werden, wie damals. — Er hat Recht, ſagte Fortunat, was ſoll ein Garten, wenn er nicht ein Gedicht von ganz beſtimmtem Klange iſt! In dieſem einfoͤrmigen Plaͤtſchern der Waſſer¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/31
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/31>, abgerufen am 23.11.2024.