Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

ich sie eigentlich auch gleich Anfangs erkannt hätte,
und beschwor sie, nur jetzt das Maul zu halten. Aber
sie glaubte und hörte nichts, sie schimpfte und weinte
dazwischen immerfort. Ueber dem Lärm und Gezänke
steckte die alte Amme, die ich noch vom fürstlichen
Schlosse her kannte, ihr Gesicht aus der Schloßthüre,
und verschwand sogleich wieder, ein großer Hund
schlug im Garten ein Paarmal an, und eh' ich mich
noch besinnen kann, thut sich die Balkonthüre weit
auf, und ein verworrener Haufe von Vettern, Lichtern
und Dienern stürzt plötzlich hervor, voran ein großer,
starker Mann in einem damastenen Schlafrock, mit
kleinem dreieckigen Hut und langem Haarzopf, in der
einen Hand eine Pistole, in der andern einen bloßen
Degen. Die alte Amme, der vor den Folgen ihres
Verraths bange wurde, wollte den Wüthenden von
hinten am Zopf aufhalten, darüber ringelte sich das
Band los, und die langen Haare umflatterten ihn
wunderlich wie ein phantastisches Hirngespinnst. Kopu¬
lirt sie in drei Teufels Namen! donnerte er, mit dem
Pistol nach mir zielend, denn es war niemand anders,
als Gertruds Vater. Ein alter Geistlicher, der nicht
wußte wie ihm geschah, trat aus dem Gefolge, und
ich und Gertrud wurden auf der Stelle kopulirt. --

Hier stand Manfred, der schon mehreremal den
beredten Dichter unterbrechen wollte, entrüstet auf.
Schändlich! sagte er, mich friert innerlichst bei der

ich ſie eigentlich auch gleich Anfangs erkannt haͤtte,
und beſchwor ſie, nur jetzt das Maul zu halten. Aber
ſie glaubte und hoͤrte nichts, ſie ſchimpfte und weinte
dazwiſchen immerfort. Ueber dem Laͤrm und Gezaͤnke
ſteckte die alte Amme, die ich noch vom fuͤrſtlichen
Schloſſe her kannte, ihr Geſicht aus der Schloßthuͤre,
und verſchwand ſogleich wieder, ein großer Hund
ſchlug im Garten ein Paarmal an, und eh' ich mich
noch beſinnen kann, thut ſich die Balkonthuͤre weit
auf, und ein verworrener Haufe von Vettern, Lichtern
und Dienern ſtuͤrzt ploͤtzlich hervor, voran ein großer,
ſtarker Mann in einem damaſtenen Schlafrock, mit
kleinem dreieckigen Hut und langem Haarzopf, in der
einen Hand eine Piſtole, in der andern einen bloßen
Degen. Die alte Amme, der vor den Folgen ihres
Verraths bange wurde, wollte den Wuͤthenden von
hinten am Zopf aufhalten, daruͤber ringelte ſich das
Band los, und die langen Haare umflatterten ihn
wunderlich wie ein phantaſtiſches Hirngeſpinnſt. Kopu¬
lirt ſie in drei Teufels Namen! donnerte er, mit dem
Piſtol nach mir zielend, denn es war niemand anders,
als Gertruds Vater. Ein alter Geiſtlicher, der nicht
wußte wie ihm geſchah, trat aus dem Gefolge, und
ich und Gertrud wurden auf der Stelle kopulirt. —

Hier ſtand Manfred, der ſchon mehreremal den
beredten Dichter unterbrechen wollte, entruͤſtet auf.
Schaͤndlich! ſagte er, mich friert innerlichſt bei der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0278" n="271"/>
ich &#x017F;ie eigentlich auch gleich Anfangs erkannt ha&#x0364;tte,<lb/>
und be&#x017F;chwor &#x017F;ie, nur jetzt das Maul zu halten. Aber<lb/>
&#x017F;ie glaubte und ho&#x0364;rte nichts, &#x017F;ie &#x017F;chimpfte und weinte<lb/>
dazwi&#x017F;chen immerfort. Ueber dem La&#x0364;rm und Geza&#x0364;nke<lb/>
&#x017F;teckte die alte Amme, die ich noch vom fu&#x0364;r&#x017F;tlichen<lb/>
Schlo&#x017F;&#x017F;e her kannte, ihr Ge&#x017F;icht aus der Schloßthu&#x0364;re,<lb/>
und ver&#x017F;chwand &#x017F;ogleich wieder, ein großer Hund<lb/>
&#x017F;chlug im Garten ein Paarmal an, und eh' ich mich<lb/>
noch be&#x017F;innen kann, thut &#x017F;ich die Balkonthu&#x0364;re weit<lb/>
auf, und ein verworrener Haufe von Vettern, Lichtern<lb/>
und Dienern &#x017F;tu&#x0364;rzt plo&#x0364;tzlich hervor, voran ein großer,<lb/>
&#x017F;tarker Mann in einem dama&#x017F;tenen Schlafrock, mit<lb/>
kleinem dreieckigen Hut und langem Haarzopf, in der<lb/>
einen Hand eine Pi&#x017F;tole, in der andern einen bloßen<lb/>
Degen. Die alte Amme, der vor den Folgen ihres<lb/>
Verraths bange wurde, wollte den Wu&#x0364;thenden von<lb/>
hinten am Zopf aufhalten, daru&#x0364;ber ringelte &#x017F;ich das<lb/>
Band los, und die langen Haare umflatterten ihn<lb/>
wunderlich wie ein phanta&#x017F;ti&#x017F;ches Hirnge&#x017F;pinn&#x017F;t. Kopu¬<lb/>
lirt &#x017F;ie in drei Teufels Namen! donnerte er, mit dem<lb/>
Pi&#x017F;tol nach mir zielend, denn es war niemand anders,<lb/>
als Gertruds Vater. Ein alter Gei&#x017F;tlicher, der nicht<lb/>
wußte wie ihm ge&#x017F;chah, trat aus dem Gefolge, und<lb/>
ich und Gertrud wurden auf der Stelle kopulirt. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Hier &#x017F;tand Manfred, der &#x017F;chon mehreremal den<lb/>
beredten Dichter unterbrechen wollte, entru&#x0364;&#x017F;tet auf.<lb/>
Scha&#x0364;ndlich! &#x017F;agte er, mich friert innerlich&#x017F;t bei der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0278] ich ſie eigentlich auch gleich Anfangs erkannt haͤtte, und beſchwor ſie, nur jetzt das Maul zu halten. Aber ſie glaubte und hoͤrte nichts, ſie ſchimpfte und weinte dazwiſchen immerfort. Ueber dem Laͤrm und Gezaͤnke ſteckte die alte Amme, die ich noch vom fuͤrſtlichen Schloſſe her kannte, ihr Geſicht aus der Schloßthuͤre, und verſchwand ſogleich wieder, ein großer Hund ſchlug im Garten ein Paarmal an, und eh' ich mich noch beſinnen kann, thut ſich die Balkonthuͤre weit auf, und ein verworrener Haufe von Vettern, Lichtern und Dienern ſtuͤrzt ploͤtzlich hervor, voran ein großer, ſtarker Mann in einem damaſtenen Schlafrock, mit kleinem dreieckigen Hut und langem Haarzopf, in der einen Hand eine Piſtole, in der andern einen bloßen Degen. Die alte Amme, der vor den Folgen ihres Verraths bange wurde, wollte den Wuͤthenden von hinten am Zopf aufhalten, daruͤber ringelte ſich das Band los, und die langen Haare umflatterten ihn wunderlich wie ein phantaſtiſches Hirngeſpinnſt. Kopu¬ lirt ſie in drei Teufels Namen! donnerte er, mit dem Piſtol nach mir zielend, denn es war niemand anders, als Gertruds Vater. Ein alter Geiſtlicher, der nicht wußte wie ihm geſchah, trat aus dem Gefolge, und ich und Gertrud wurden auf der Stelle kopulirt. — Hier ſtand Manfred, der ſchon mehreremal den beredten Dichter unterbrechen wollte, entruͤſtet auf. Schaͤndlich! ſagte er, mich friert innerlichſt bei der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/278
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/278>, abgerufen am 27.11.2024.