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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

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beißt mich in dem Gemetzel noch in die Wade, ich
spick' ihn fest an den Boden --

Aber was Teufel! fuhr Grundling hier plötzlich
mit sichtbarem Schrecken von seinem Sitze auf, stehen
denn die Todten wieder auf? da geht wahrhaftig der
Lord vorüber! -- Und in der That, durch die offenen
Thüren des Hauses sah man draußen auf der Gasse
beim hellsten Mondschein die gelben Lederhosen eines
rasch vorübergehenden Mannes deutlich schimmern.
Ueberrascht sprangen nun auch die Andern auf, denn
sie glaubten in der Figur flüchtig ihren langen Lord
vom fürstlichen Hofe wiederzuerkennen. Eine schlanke
Mädchengestalt, mit welcher die Eile des Fremden
vielleicht in einigem Zusammenhang stehen mochte,
schlüpfte unterdeß, noch einmal zurückblickend, schnell
um die dunkle Straßenecke. Grundling aber hatte den
Engländer schon erreicht, und sie sahen nun beide in
der Dämmerung wie zwei Schatten im Reiche der
Todten dahin schweben.

Laßt die Phantasten laufen! sagte Kordelchen in
der Hausthür. Wißt ihr denn nun aber auch, wer
den Grundling eigentlich aus Heidelberg fortgeschafft
hat? Der vermeintliche Proselytenknabe war ich selbst,
und der sogenannte Jesuit niemand anders als ein
junger Schauspieler, der mich damals heimlich von
Heidelberg entführte. Wir mußten wohl den tollen
Kautz über Hals und Kopf mit auf den Wagen packen,

beißt mich in dem Gemetzel noch in die Wade, ich
ſpick' ihn feſt an den Boden —

Aber was Teufel! fuhr Grundling hier ploͤtzlich
mit ſichtbarem Schrecken von ſeinem Sitze auf, ſtehen
denn die Todten wieder auf? da geht wahrhaftig der
Lord voruͤber! — Und in der That, durch die offenen
Thuͤren des Hauſes ſah man draußen auf der Gaſſe
beim hellſten Mondſchein die gelben Lederhoſen eines
raſch voruͤbergehenden Mannes deutlich ſchimmern.
Ueberraſcht ſprangen nun auch die Andern auf, denn
ſie glaubten in der Figur fluͤchtig ihren langen Lord
vom fuͤrſtlichen Hofe wiederzuerkennen. Eine ſchlanke
Maͤdchengeſtalt, mit welcher die Eile des Fremden
vielleicht in einigem Zuſammenhang ſtehen mochte,
ſchluͤpfte unterdeß, noch einmal zuruͤckblickend, ſchnell
um die dunkle Straßenecke. Grundling aber hatte den
Englaͤnder ſchon erreicht, und ſie ſahen nun beide in
der Daͤmmerung wie zwei Schatten im Reiche der
Todten dahin ſchweben.

Laßt die Phantaſten laufen! ſagte Kordelchen in
der Hausthuͤr. Wißt ihr denn nun aber auch, wer
den Grundling eigentlich aus Heidelberg fortgeſchafft
hat? Der vermeintliche Proſelytenknabe war ich ſelbſt,
und der ſogenannte Jeſuit niemand anders als ein
junger Schauſpieler, der mich damals heimlich von
Heidelberg entfuͤhrte. Wir mußten wohl den tollen
Kautz uͤber Hals und Kopf mit auf den Wagen packen,

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[214/0221] beißt mich in dem Gemetzel noch in die Wade, ich ſpick' ihn feſt an den Boden — Aber was Teufel! fuhr Grundling hier ploͤtzlich mit ſichtbarem Schrecken von ſeinem Sitze auf, ſtehen denn die Todten wieder auf? da geht wahrhaftig der Lord voruͤber! — Und in der That, durch die offenen Thuͤren des Hauſes ſah man draußen auf der Gaſſe beim hellſten Mondſchein die gelben Lederhoſen eines raſch voruͤbergehenden Mannes deutlich ſchimmern. Ueberraſcht ſprangen nun auch die Andern auf, denn ſie glaubten in der Figur fluͤchtig ihren langen Lord vom fuͤrſtlichen Hofe wiederzuerkennen. Eine ſchlanke Maͤdchengeſtalt, mit welcher die Eile des Fremden vielleicht in einigem Zuſammenhang ſtehen mochte, ſchluͤpfte unterdeß, noch einmal zuruͤckblickend, ſchnell um die dunkle Straßenecke. Grundling aber hatte den Englaͤnder ſchon erreicht, und ſie ſahen nun beide in der Daͤmmerung wie zwei Schatten im Reiche der Todten dahin ſchweben. Laßt die Phantaſten laufen! ſagte Kordelchen in der Hausthuͤr. Wißt ihr denn nun aber auch, wer den Grundling eigentlich aus Heidelberg fortgeſchafft hat? Der vermeintliche Proſelytenknabe war ich ſelbſt, und der ſogenannte Jeſuit niemand anders als ein junger Schauſpieler, der mich damals heimlich von Heidelberg entfuͤhrte. Wir mußten wohl den tollen Kautz uͤber Hals und Kopf mit auf den Wagen packen,

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/221>, abgerufen am 03.05.2024.