gen. -- Währenddeß stieg der Maler Albert, bis an die Zähne bewaffnet, still und ernst den Waldberg hinan. Er hatte vorhin die Gräfin auf dem Felsen, dann den Fürsten heimlich hinaufschleichen gesehen und in seiner Tugendhaftigkeit sogleich beschlossen, mit Gut und Blut die Unschuld zu beschützen. Die Nacht war schon hereingebrochen, die ganze Gegend stand wie in Gedanken im Mondglanz umher, und als Juanna wieder im Schloß an ihrem Fenster stand, hörte sie unter sich den Strom aufrauschen, wie von Ruder¬ schlägen. Es war Lothario, der unten auf einem Na¬ chen vorüberfuhr und sang, sie konnte durch den Nacht¬ wind nur folgende Worte verstehen:
Wetterleuchten fern im Dunkeln,
Wunderbar die Berge stehn, Nur die Bäche manchmal funkeln, Die im Grund verworren gehn, Und ich schaue froherschrocken Wie in eines Traumes Pracht -- Schüttle nur die dunklen Locken, Deine Augen sind die Nacht!
Der Nachtwächter unter den Fenstern aber schüt¬ telte den Kopf und sah zu seiner Verwunderung auf dem Felsen drüben eine lange Gestalt, auf ihr Schwert gestützt, die halbe Nacht hindurch gleich einer verlornen Schildwacht stehen.
gen. — Waͤhrenddeß ſtieg der Maler Albert, bis an die Zaͤhne bewaffnet, ſtill und ernſt den Waldberg hinan. Er hatte vorhin die Graͤfin auf dem Felſen, dann den Fuͤrſten heimlich hinaufſchleichen geſehen und in ſeiner Tugendhaftigkeit ſogleich beſchloſſen, mit Gut und Blut die Unſchuld zu beſchuͤtzen. Die Nacht war ſchon hereingebrochen, die ganze Gegend ſtand wie in Gedanken im Mondglanz umher, und als Juanna wieder im Schloß an ihrem Fenſter ſtand, hoͤrte ſie unter ſich den Strom aufrauſchen, wie von Ruder¬ ſchlaͤgen. Es war Lothario, der unten auf einem Na¬ chen voruͤberfuhr und ſang, ſie konnte durch den Nacht¬ wind nur folgende Worte verſtehen:
Wetterleuchten fern im Dunkeln,
Wunderbar die Berge ſtehn, Nur die Baͤche manchmal funkeln, Die im Grund verworren gehn, Und ich ſchaue froherſchrocken Wie in eines Traumes Pracht — Schuͤttle nur die dunklen Locken, Deine Augen ſind die Nacht!
Der Nachtwaͤchter unter den Fenſtern aber ſchuͤt¬ telte den Kopf und ſah zu ſeiner Verwunderung auf dem Felſen druͤben eine lange Geſtalt, auf ihr Schwert geſtuͤtzt, die halbe Nacht hindurch gleich einer verlornen Schildwacht ſtehen.
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gen. — Waͤhrenddeß ſtieg der Maler Albert, bis an
die Zaͤhne bewaffnet, ſtill und ernſt den Waldberg
hinan. Er hatte vorhin die Graͤfin auf dem Felſen,
dann den Fuͤrſten heimlich hinaufſchleichen geſehen und
in ſeiner Tugendhaftigkeit ſogleich beſchloſſen, mit Gut
und Blut die Unſchuld zu beſchuͤtzen. Die Nacht war
ſchon hereingebrochen, die ganze Gegend ſtand wie in
Gedanken im Mondglanz umher, und als Juanna
wieder im Schloß an ihrem Fenſter ſtand, hoͤrte ſie
unter ſich den Strom aufrauſchen, wie von Ruder¬
ſchlaͤgen. Es war Lothario, der unten auf einem Na¬
chen voruͤberfuhr und ſang, ſie konnte durch den Nacht¬
wind nur folgende Worte verſtehen:
Wetterleuchten fern im Dunkeln,
Wunderbar die Berge ſtehn,
Nur die Baͤche manchmal funkeln,
Die im Grund verworren gehn,
Und ich ſchaue froherſchrocken
Wie in eines Traumes Pracht —
Schuͤttle nur die dunklen Locken,
Deine Augen ſind die Nacht!
Der Nachtwaͤchter unter den Fenſtern aber ſchuͤt¬
telte den Kopf und ſah zu ſeiner Verwunderung auf
dem Felſen druͤben eine lange Geſtalt, auf ihr Schwert
geſtuͤtzt, die halbe Nacht hindurch gleich einer verlornen
Schildwacht ſtehen.
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/162>, abgerufen am 16.02.2025.
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