verschwunden, wir wußten lange nicht wohin er ge¬ kommen. Er aber war an diesem Abend, wie er da¬ mals oft zu thun pflegte, einsam in der Gegend her¬ umgeschweift. Da hörte er wunderschönen Klang in der Abendluft wie eine Kriegs-Musik aus der Ferne -- man sagt, daß es in der Morgendämmerung vor großen Schlachten so in den Lüften musizirt -- es waren die Guerilla's, die im Gebirge sangen. Die Klänge verlockten ihn, er ging wie im Traume immer¬ fort, so kam er in den Wald, wo damals die Gräfin hauste. Die Abendsonne leuchtete durch's Gebirge als stände alles in Feuer, die Vögel sangen den funkeln¬ den Wald entlang, dazwischen hörte er immerfort Stimmen bald da, bald dort, darunter eine wie ein Glöckchen bei Nacht, es klang ihm, als müßt' es die Gräfin selber seyn. Ihm graute, und doch mußt' er der Stimme folgen. So war er schon lange gegan¬ gen, als er, plötzlich um einen Felsen tretend, auf einem stillen Rasenplatz über den Wipfeln eine weib¬ liche Gestalt, wie eingeschlummert sitzen sah, die Stirn über beiden Armen auf die Kniee gesenkt, daß die herabgefallenen reichen Locken sie wie ein dunkler Schleier umgaben. Sie hielt ein Roß am Zügel, das weidete ruhig neben ihr, von allen Seiten rauschten die Wälder herauf, sonst war's so still daneben, daß man die Quellen gehen hörte. Und wie er noch so staunend stand in dieser Einsamkeit, erblickte er seit¬
verſchwunden, wir wußten lange nicht wohin er ge¬ kommen. Er aber war an dieſem Abend, wie er da¬ mals oft zu thun pflegte, einſam in der Gegend her¬ umgeſchweift. Da hoͤrte er wunderſchoͤnen Klang in der Abendluft wie eine Kriegs-Muſik aus der Ferne — man ſagt, daß es in der Morgendaͤmmerung vor großen Schlachten ſo in den Luͤften muſizirt — es waren die Guerilla's, die im Gebirge ſangen. Die Klaͤnge verlockten ihn, er ging wie im Traume immer¬ fort, ſo kam er in den Wald, wo damals die Graͤfin hauſte. Die Abendſonne leuchtete durch's Gebirge als ſtaͤnde alles in Feuer, die Voͤgel ſangen den funkeln¬ den Wald entlang, dazwiſchen hoͤrte er immerfort Stimmen bald da, bald dort, darunter eine wie ein Gloͤckchen bei Nacht, es klang ihm, als muͤßt' es die Graͤfin ſelber ſeyn. Ihm graute, und doch mußt' er der Stimme folgen. So war er ſchon lange gegan¬ gen, als er, ploͤtzlich um einen Felſen tretend, auf einem ſtillen Raſenplatz uͤber den Wipfeln eine weib¬ liche Geſtalt, wie eingeſchlummert ſitzen ſah, die Stirn uͤber beiden Armen auf die Kniee geſenkt, daß die herabgefallenen reichen Locken ſie wie ein dunkler Schleier umgaben. Sie hielt ein Roß am Zuͤgel, das weidete ruhig neben ihr, von allen Seiten rauſchten die Waͤlder herauf, ſonſt war's ſo ſtill daneben, daß man die Quellen gehen hoͤrte. Und wie er noch ſo ſtaunend ſtand in dieſer Einſamkeit, erblickte er ſeit¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0140"n="133"/>
verſchwunden, wir wußten lange nicht wohin er ge¬<lb/>
kommen. Er aber war an dieſem Abend, wie er da¬<lb/>
mals oft zu thun pflegte, einſam in der Gegend her¬<lb/>
umgeſchweift. Da hoͤrte er wunderſchoͤnen Klang in<lb/>
der Abendluft wie eine Kriegs-Muſik aus der Ferne —<lb/>
man ſagt, daß es in der Morgendaͤmmerung vor<lb/>
großen Schlachten ſo in den Luͤften muſizirt — es<lb/>
waren die Guerilla's, die im Gebirge ſangen. Die<lb/>
Klaͤnge verlockten ihn, er ging wie im Traume immer¬<lb/>
fort, ſo kam er in den Wald, wo damals die Graͤfin<lb/>
hauſte. Die Abendſonne leuchtete durch's Gebirge als<lb/>ſtaͤnde alles in Feuer, die Voͤgel ſangen den funkeln¬<lb/>
den Wald entlang, dazwiſchen hoͤrte er immerfort<lb/>
Stimmen bald da, bald dort, darunter eine wie ein<lb/>
Gloͤckchen bei Nacht, es klang ihm, als muͤßt' es die<lb/>
Graͤfin ſelber ſeyn. Ihm graute, und doch mußt' er<lb/>
der Stimme folgen. So war er ſchon lange gegan¬<lb/>
gen, als er, ploͤtzlich um einen Felſen tretend, auf<lb/>
einem ſtillen Raſenplatz uͤber den Wipfeln eine weib¬<lb/>
liche Geſtalt, wie eingeſchlummert ſitzen ſah, die Stirn<lb/>
uͤber beiden Armen auf die Kniee geſenkt, daß die<lb/>
herabgefallenen reichen Locken ſie wie ein dunkler<lb/>
Schleier umgaben. Sie hielt ein Roß am Zuͤgel, das<lb/>
weidete ruhig neben ihr, von allen Seiten rauſchten<lb/>
die Waͤlder herauf, ſonſt war's ſo ſtill daneben, daß<lb/>
man die Quellen gehen hoͤrte. Und wie er noch ſo<lb/>ſtaunend ſtand in dieſer Einſamkeit, erblickte er ſeit¬<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[133/0140]
verſchwunden, wir wußten lange nicht wohin er ge¬
kommen. Er aber war an dieſem Abend, wie er da¬
mals oft zu thun pflegte, einſam in der Gegend her¬
umgeſchweift. Da hoͤrte er wunderſchoͤnen Klang in
der Abendluft wie eine Kriegs-Muſik aus der Ferne —
man ſagt, daß es in der Morgendaͤmmerung vor
großen Schlachten ſo in den Luͤften muſizirt — es
waren die Guerilla's, die im Gebirge ſangen. Die
Klaͤnge verlockten ihn, er ging wie im Traume immer¬
fort, ſo kam er in den Wald, wo damals die Graͤfin
hauſte. Die Abendſonne leuchtete durch's Gebirge als
ſtaͤnde alles in Feuer, die Voͤgel ſangen den funkeln¬
den Wald entlang, dazwiſchen hoͤrte er immerfort
Stimmen bald da, bald dort, darunter eine wie ein
Gloͤckchen bei Nacht, es klang ihm, als muͤßt' es die
Graͤfin ſelber ſeyn. Ihm graute, und doch mußt' er
der Stimme folgen. So war er ſchon lange gegan¬
gen, als er, ploͤtzlich um einen Felſen tretend, auf
einem ſtillen Raſenplatz uͤber den Wipfeln eine weib¬
liche Geſtalt, wie eingeſchlummert ſitzen ſah, die Stirn
uͤber beiden Armen auf die Kniee geſenkt, daß die
herabgefallenen reichen Locken ſie wie ein dunkler
Schleier umgaben. Sie hielt ein Roß am Zuͤgel, das
weidete ruhig neben ihr, von allen Seiten rauſchten
die Waͤlder herauf, ſonſt war's ſo ſtill daneben, daß
man die Quellen gehen hoͤrte. Und wie er noch ſo
ſtaunend ſtand in dieſer Einſamkeit, erblickte er ſeit¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/140>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.