Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

daß ihr die Thränen funkelnd in den schönen Augen
stockten. -- Nun, nun, antwortete die Alte, kein
schlanker Tiger verwundet so tief, als wenn ihr lacht
und ihnen die weißen Zähnchen weist oder einen beim
Küssen heimlich damit beißt; keine buntgefleckte Schlange
ist so schön und stark, als eure Arme, wenn ihr
einen umschlingt. -- Die Gräfin hörte nur halb dar¬
auf und sagte wie in Gedanken: darum habe ich im¬
mer in den alten Büchern meines Vaters gelesen, wie
Fürsten und Könige vor Mädchen knieten, und ihnen
treu und gehorsam waren bis in den Tod. -- Ach,
liebe Amme, du weißt so viele Künste von deinem Va¬
ter, kannst du denn nicht machen, daß alle Männer,
die mich sehen, in Liebe entbrennen, und mir folgen
müssen? -- Hm, entgegnete die Amme zögernd, wenn
nur -- ich wüßte wohl --"

" Die Gräfin aber, deren Seele ganz erfüllt war
von dem Gedanken, hatte sie schon am Arm gefaßt,
und drängte sie ungeduldig fort: die Nacht sey dunkel
und schwül, alles schlafe schon im Schloß, es sey
eben die rechte Zeit. -- So gingen sie weiter den
stillen Garten entlang bis an's einsamste Ende. Un¬
terwegs sagte die Amme: es ist nichts Geringes, dem
Freier, den ich euch zuerst zeigen werde, müßt ihr
den Ring vom Finger ziehn -- aber laßt's euch nicht
anfechten, wann er etwas bleich und wirre sieht --
den Ring drückt ihr an's Herz bis es blutet, dann

daß ihr die Thraͤnen funkelnd in den ſchoͤnen Augen
ſtockten. — Nun, nun, antwortete die Alte, kein
ſchlanker Tiger verwundet ſo tief, als wenn ihr lacht
und ihnen die weißen Zaͤhnchen weiſt oder einen beim
Kuͤſſen heimlich damit beißt; keine buntgefleckte Schlange
iſt ſo ſchoͤn und ſtark, als eure Arme, wenn ihr
einen umſchlingt. — Die Graͤfin hoͤrte nur halb dar¬
auf und ſagte wie in Gedanken: darum habe ich im¬
mer in den alten Buͤchern meines Vaters geleſen, wie
Fuͤrſten und Koͤnige vor Maͤdchen knieten, und ihnen
treu und gehorſam waren bis in den Tod. — Ach,
liebe Amme, du weißt ſo viele Kuͤnſte von deinem Va¬
ter, kannſt du denn nicht machen, daß alle Maͤnner,
die mich ſehen, in Liebe entbrennen, und mir folgen
muͤſſen? — Hm, entgegnete die Amme zoͤgernd, wenn
nur — ich wuͤßte wohl —“

„ Die Graͤfin aber, deren Seele ganz erfuͤllt war
von dem Gedanken, hatte ſie ſchon am Arm gefaßt,
und draͤngte ſie ungeduldig fort: die Nacht ſey dunkel
und ſchwuͤl, alles ſchlafe ſchon im Schloß, es ſey
eben die rechte Zeit. — So gingen ſie weiter den
ſtillen Garten entlang bis an's einſamſte Ende. Un¬
terwegs ſagte die Amme: es iſt nichts Geringes, dem
Freier, den ich euch zuerſt zeigen werde, muͤßt ihr
den Ring vom Finger ziehn — aber laßt's euch nicht
anfechten, wann er etwas bleich und wirre ſieht —
den Ring druͤckt ihr an's Herz bis es blutet, dann

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0134" n="127"/>
daß ihr die Thra&#x0364;nen funkelnd in den &#x017F;cho&#x0364;nen Augen<lb/>
&#x017F;tockten. &#x2014; Nun, nun, antwortete die Alte, kein<lb/>
&#x017F;chlanker Tiger verwundet &#x017F;o tief, als wenn ihr lacht<lb/>
und ihnen die weißen Za&#x0364;hnchen wei&#x017F;t oder einen beim<lb/>
Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en heimlich damit beißt; keine buntgefleckte Schlange<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n und &#x017F;tark, als eure Arme, wenn ihr<lb/>
einen um&#x017F;chlingt. &#x2014; Die Gra&#x0364;fin ho&#x0364;rte nur halb dar¬<lb/>
auf und &#x017F;agte wie in Gedanken: darum habe ich im¬<lb/>
mer in den alten Bu&#x0364;chern meines Vaters gele&#x017F;en, wie<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten und Ko&#x0364;nige vor Ma&#x0364;dchen knieten, und ihnen<lb/>
treu und gehor&#x017F;am waren bis in den Tod. &#x2014; Ach,<lb/>
liebe Amme, du weißt &#x017F;o viele Ku&#x0364;n&#x017F;te von deinem Va¬<lb/>
ter, kann&#x017F;t du denn nicht machen, daß alle Ma&#x0364;nner,<lb/>
die mich &#x017F;ehen, in Liebe entbrennen, und mir folgen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en? &#x2014; Hm, entgegnete die Amme zo&#x0364;gernd, wenn<lb/>
nur &#x2014; ich wu&#x0364;ßte wohl &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
            <p>&#x201E; Die Gra&#x0364;fin aber, deren Seele ganz erfu&#x0364;llt war<lb/>
von dem Gedanken, hatte &#x017F;ie &#x017F;chon am Arm gefaßt,<lb/>
und dra&#x0364;ngte &#x017F;ie ungeduldig fort: die Nacht &#x017F;ey dunkel<lb/>
und &#x017F;chwu&#x0364;l, alles &#x017F;chlafe &#x017F;chon im Schloß, es &#x017F;ey<lb/>
eben die rechte Zeit. &#x2014; So gingen &#x017F;ie weiter den<lb/>
&#x017F;tillen Garten entlang bis an's ein&#x017F;am&#x017F;te Ende. Un¬<lb/>
terwegs &#x017F;agte die Amme: es i&#x017F;t nichts Geringes, dem<lb/>
Freier, den ich euch zuer&#x017F;t zeigen werde, mu&#x0364;ßt ihr<lb/>
den Ring vom Finger ziehn &#x2014; aber laßt's euch nicht<lb/>
anfechten, wann er etwas bleich und wirre &#x017F;ieht &#x2014;<lb/>
den Ring dru&#x0364;ckt ihr an's Herz bis es blutet, dann<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0134] daß ihr die Thraͤnen funkelnd in den ſchoͤnen Augen ſtockten. — Nun, nun, antwortete die Alte, kein ſchlanker Tiger verwundet ſo tief, als wenn ihr lacht und ihnen die weißen Zaͤhnchen weiſt oder einen beim Kuͤſſen heimlich damit beißt; keine buntgefleckte Schlange iſt ſo ſchoͤn und ſtark, als eure Arme, wenn ihr einen umſchlingt. — Die Graͤfin hoͤrte nur halb dar¬ auf und ſagte wie in Gedanken: darum habe ich im¬ mer in den alten Buͤchern meines Vaters geleſen, wie Fuͤrſten und Koͤnige vor Maͤdchen knieten, und ihnen treu und gehorſam waren bis in den Tod. — Ach, liebe Amme, du weißt ſo viele Kuͤnſte von deinem Va¬ ter, kannſt du denn nicht machen, daß alle Maͤnner, die mich ſehen, in Liebe entbrennen, und mir folgen muͤſſen? — Hm, entgegnete die Amme zoͤgernd, wenn nur — ich wuͤßte wohl —“ „ Die Graͤfin aber, deren Seele ganz erfuͤllt war von dem Gedanken, hatte ſie ſchon am Arm gefaßt, und draͤngte ſie ungeduldig fort: die Nacht ſey dunkel und ſchwuͤl, alles ſchlafe ſchon im Schloß, es ſey eben die rechte Zeit. — So gingen ſie weiter den ſtillen Garten entlang bis an's einſamſte Ende. Un¬ terwegs ſagte die Amme: es iſt nichts Geringes, dem Freier, den ich euch zuerſt zeigen werde, muͤßt ihr den Ring vom Finger ziehn — aber laßt's euch nicht anfechten, wann er etwas bleich und wirre ſieht — den Ring druͤckt ihr an's Herz bis es blutet, dann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/134
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/134>, abgerufen am 22.11.2024.