Stiefeln stiftete der Baron endlich wieder Frieden, und wandte sich dann entschuldigend zur Fürstin. Die Fürstin aber kam darüber in ein unaufhaltsames La¬ chen, das steckte die Andern mit an, und so zog alles fröhlich ein.
Dieser confuse Anfang hatte die ganze Feierlich¬ keit verstört, welche der Baron im Schilde führte. Er brachte die Gesellschaft in ein großes Zimmer, das nicht zum gewöhnlichen Gebrauche bestimmt schien, wie man an der verstaubten Pracht der damastenen Gar¬ dinen abnehmen konnte. Anstatt aber Platz zu neh¬ men, eilte die Fürstin, nach einer leichten Verbeugung, sogleich mit Kennermienen zu einer alten, sehr kunst¬ reich mit Elfenbein ausgelegten Kommode. In dem¬ selben Augenblick fing eine vergoldete Stutzuhr auf dem Schrank mit heiseren Absätzen zu spielen an. Mein Gott, noch aus cosa rara! rief die Fürstin überrascht aus. -- Ich weiß wirklich nicht -- erwiderte der Ba¬ ron, der es für Spott hielt, und zog die Augenbrauen finster zusammen. Aber er irrte sich. Cosa rara war die erste Oper, welche die Fürstin noch als Kind ge¬ hört; jetzt überwältigte sie die Erinnerung, sie hütete sich aber, es zu sagen, damit niemand die Jahre nachzählte. Unterdeß hatte der Fürst auch ein Kla¬ vier entdeckt, und mit der Unbarmherzigkeit der großen Welt wurde Fräulein Trudchen ohne weiteres, wie zur Schlachtbank, zum Spielen gedrängt. Der Prediger,
Stiefeln ſtiftete der Baron endlich wieder Frieden, und wandte ſich dann entſchuldigend zur Fuͤrſtin. Die Fuͤrſtin aber kam daruͤber in ein unaufhaltſames La¬ chen, das ſteckte die Andern mit an, und ſo zog alles froͤhlich ein.
Dieſer confuſe Anfang hatte die ganze Feierlich¬ keit verſtoͤrt, welche der Baron im Schilde fuͤhrte. Er brachte die Geſellſchaft in ein großes Zimmer, das nicht zum gewoͤhnlichen Gebrauche beſtimmt ſchien, wie man an der verſtaubten Pracht der damaſtenen Gar¬ dinen abnehmen konnte. Anſtatt aber Platz zu neh¬ men, eilte die Fuͤrſtin, nach einer leichten Verbeugung, ſogleich mit Kennermienen zu einer alten, ſehr kunſt¬ reich mit Elfenbein ausgelegten Kommode. In dem¬ ſelben Augenblick fing eine vergoldete Stutzuhr auf dem Schrank mit heiſeren Abſaͤtzen zu ſpielen an. Mein Gott, noch aus cosa rara! rief die Fuͤrſtin uͤberraſcht aus. — Ich weiß wirklich nicht — erwiderte der Ba¬ ron, der es fuͤr Spott hielt, und zog die Augenbrauen finſter zuſammen. Aber er irrte ſich. Cosa rara war die erſte Oper, welche die Fuͤrſtin noch als Kind ge¬ hoͤrt; jetzt uͤberwaͤltigte ſie die Erinnerung, ſie huͤtete ſich aber, es zu ſagen, damit niemand die Jahre nachzaͤhlte. Unterdeß hatte der Fuͤrſt auch ein Kla¬ vier entdeckt, und mit der Unbarmherzigkeit der großen Welt wurde Fraͤulein Trudchen ohne weiteres, wie zur Schlachtbank, zum Spielen gedraͤngt. Der Prediger,
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Stiefeln ſtiftete der Baron endlich wieder Frieden,
und wandte ſich dann entſchuldigend zur Fuͤrſtin. Die
Fuͤrſtin aber kam daruͤber in ein unaufhaltſames La¬
chen, das ſteckte die Andern mit an, und ſo zog alles
froͤhlich ein.
Dieſer confuſe Anfang hatte die ganze Feierlich¬
keit verſtoͤrt, welche der Baron im Schilde fuͤhrte.
Er brachte die Geſellſchaft in ein großes Zimmer, das
nicht zum gewoͤhnlichen Gebrauche beſtimmt ſchien, wie
man an der verſtaubten Pracht der damaſtenen Gar¬
dinen abnehmen konnte. Anſtatt aber Platz zu neh¬
men, eilte die Fuͤrſtin, nach einer leichten Verbeugung,
ſogleich mit Kennermienen zu einer alten, ſehr kunſt¬
reich mit Elfenbein ausgelegten Kommode. In dem¬
ſelben Augenblick fing eine vergoldete Stutzuhr auf dem
Schrank mit heiſeren Abſaͤtzen zu ſpielen an. Mein
Gott, noch aus cosa rara! rief die Fuͤrſtin uͤberraſcht
aus. — Ich weiß wirklich nicht — erwiderte der Ba¬
ron, der es fuͤr Spott hielt, und zog die Augenbrauen
finſter zuſammen. Aber er irrte ſich. Cosa rara war
die erſte Oper, welche die Fuͤrſtin noch als Kind ge¬
hoͤrt; jetzt uͤberwaͤltigte ſie die Erinnerung, ſie huͤtete
ſich aber, es zu ſagen, damit niemand die Jahre
nachzaͤhlte. Unterdeß hatte der Fuͤrſt auch ein Kla¬
vier entdeckt, und mit der Unbarmherzigkeit der großen
Welt wurde Fraͤulein Trudchen ohne weiteres, wie zur
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/127>, abgerufen am 16.02.2025.
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