Gewitterschwüle ist ein bedeutungsvolles Bild der Ge¬ genwart, alles liegt in banger Erwartung, daß man fast den leisen Schritt der Zeit hört, Gedankenblitze spielen auf dem dunklen Grunde -- Ah bah! erwie¬ derte der Baron, sich eine neue Pfeife stopfend, Ge¬ witter ist Gewitter, und dummes Zeug ist dummes Zeug! -- Der Prediger, ein wenig pikirt, rückte sich vornehm zurecht und sprach von der unaufhaltsamen Intelligenz, von der Mündigkeit der Zeit und der unsichtbaren Gewalt unverjährbarer Wahrheit. Da wurde der Baron ganz hitzig. Was ist wahr? was ist wahr? rief er dicht heranrückend aus. Dem Pre¬ diger, erschrocken und verblüfft wie er war, wollte gerade in diesem kritischen Moment keine passende Antwort einfallen. -- Na seht, fuhr der Baron fort, ihr wißt's nicht, und ich weiß es auch nicht, das weiß der liebe Gott allein. Aber mein Jagdrevier hier das kenn' ich ganz genau, und wer mir in meine Wild¬ bahn bricht, mündig oder unmündig, den schieß ich vor den Kopf, wie einen tollen Hund, und damit Basta! Und wenn jeder so thäte in seinem Revier, so hätten wir bald Ruhe vor der verjährten Intelli¬ genz und der unsichtbaren Wahrheit und alle dem Plunder. Glaubt einem altgedienten Offizier, Prediger, die Zeit will nur Prügel haben, weiter ist's nichts!
Gäste kommen! Gäste kommen! rief hier auf einmal das Fräulein im Kirschbaum. Und in der
Gewitterſchwuͤle iſt ein bedeutungsvolles Bild der Ge¬ genwart, alles liegt in banger Erwartung, daß man faſt den leiſen Schritt der Zeit hoͤrt, Gedankenblitze ſpielen auf dem dunklen Grunde — Ah bah! erwie¬ derte der Baron, ſich eine neue Pfeife ſtopfend, Ge¬ witter iſt Gewitter, und dummes Zeug iſt dummes Zeug! — Der Prediger, ein wenig pikirt, ruͤckte ſich vornehm zurecht und ſprach von der unaufhaltſamen Intelligenz, von der Muͤndigkeit der Zeit und der unſichtbaren Gewalt unverjaͤhrbarer Wahrheit. Da wurde der Baron ganz hitzig. Was iſt wahr? was iſt wahr? rief er dicht heranruͤckend aus. Dem Pre¬ diger, erſchrocken und verbluͤfft wie er war, wollte gerade in dieſem kritiſchen Moment keine paſſende Antwort einfallen. — Na ſeht, fuhr der Baron fort, ihr wißt's nicht, und ich weiß es auch nicht, das weiß der liebe Gott allein. Aber mein Jagdrevier hier das kenn' ich ganz genau, und wer mir in meine Wild¬ bahn bricht, muͤndig oder unmuͤndig, den ſchieß ich vor den Kopf, wie einen tollen Hund, und damit Baſta! Und wenn jeder ſo thaͤte in ſeinem Revier, ſo haͤtten wir bald Ruhe vor der verjaͤhrten Intelli¬ genz und der unſichtbaren Wahrheit und alle dem Plunder. Glaubt einem altgedienten Offizier, Prediger, die Zeit will nur Pruͤgel haben, weiter iſt's nichts!
Gaͤſte kommen! Gaͤſte kommen! rief hier auf einmal das Fraͤulein im Kirſchbaum. Und in der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0123"n="116"/>
Gewitterſchwuͤle iſt ein bedeutungsvolles Bild der Ge¬<lb/>
genwart, alles liegt in banger Erwartung, daß man<lb/>
faſt den leiſen Schritt der Zeit hoͤrt, Gedankenblitze<lb/>ſpielen auf dem dunklen Grunde — Ah bah! erwie¬<lb/>
derte der Baron, ſich eine neue Pfeife ſtopfend, Ge¬<lb/>
witter iſt Gewitter, und dummes Zeug iſt dummes<lb/>
Zeug! — Der Prediger, ein wenig pikirt, ruͤckte ſich<lb/>
vornehm zurecht und ſprach von der unaufhaltſamen<lb/>
Intelligenz, von der Muͤndigkeit der Zeit und der<lb/>
unſichtbaren Gewalt unverjaͤhrbarer Wahrheit. Da<lb/>
wurde der Baron ganz hitzig. Was iſt wahr? was<lb/>
iſt wahr? rief er dicht heranruͤckend aus. Dem Pre¬<lb/>
diger, erſchrocken und verbluͤfft wie er war, wollte<lb/>
gerade in dieſem kritiſchen Moment keine paſſende<lb/>
Antwort einfallen. — Na ſeht, fuhr der Baron fort,<lb/>
ihr wißt's nicht, und ich weiß es auch nicht, das weiß<lb/>
der liebe Gott allein. Aber mein Jagdrevier hier das<lb/>
kenn' ich ganz genau, und wer mir in meine Wild¬<lb/>
bahn bricht, muͤndig oder unmuͤndig, den ſchieß ich<lb/>
vor den Kopf, wie einen tollen Hund, und damit<lb/>
Baſta! Und wenn jeder ſo thaͤte in ſeinem Revier,<lb/>ſo haͤtten wir bald Ruhe vor der verjaͤhrten Intelli¬<lb/>
genz und der unſichtbaren Wahrheit und alle dem<lb/>
Plunder. Glaubt einem altgedienten Offizier, Prediger,<lb/>
die Zeit will nur Pruͤgel haben, weiter iſt's nichts!</p><lb/><p>Gaͤſte kommen! Gaͤſte kommen! rief hier auf<lb/>
einmal das Fraͤulein im Kirſchbaum. Und in der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[116/0123]
Gewitterſchwuͤle iſt ein bedeutungsvolles Bild der Ge¬
genwart, alles liegt in banger Erwartung, daß man
faſt den leiſen Schritt der Zeit hoͤrt, Gedankenblitze
ſpielen auf dem dunklen Grunde — Ah bah! erwie¬
derte der Baron, ſich eine neue Pfeife ſtopfend, Ge¬
witter iſt Gewitter, und dummes Zeug iſt dummes
Zeug! — Der Prediger, ein wenig pikirt, ruͤckte ſich
vornehm zurecht und ſprach von der unaufhaltſamen
Intelligenz, von der Muͤndigkeit der Zeit und der
unſichtbaren Gewalt unverjaͤhrbarer Wahrheit. Da
wurde der Baron ganz hitzig. Was iſt wahr? was
iſt wahr? rief er dicht heranruͤckend aus. Dem Pre¬
diger, erſchrocken und verbluͤfft wie er war, wollte
gerade in dieſem kritiſchen Moment keine paſſende
Antwort einfallen. — Na ſeht, fuhr der Baron fort,
ihr wißt's nicht, und ich weiß es auch nicht, das weiß
der liebe Gott allein. Aber mein Jagdrevier hier das
kenn' ich ganz genau, und wer mir in meine Wild¬
bahn bricht, muͤndig oder unmuͤndig, den ſchieß ich
vor den Kopf, wie einen tollen Hund, und damit
Baſta! Und wenn jeder ſo thaͤte in ſeinem Revier,
ſo haͤtten wir bald Ruhe vor der verjaͤhrten Intelli¬
genz und der unſichtbaren Wahrheit und alle dem
Plunder. Glaubt einem altgedienten Offizier, Prediger,
die Zeit will nur Pruͤgel haben, weiter iſt's nichts!
Gaͤſte kommen! Gaͤſte kommen! rief hier auf
einmal das Fraͤulein im Kirſchbaum. Und in der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/123>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.