Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

rathen zu seyn, und kamen in vollem Zanke daher,
einige von ihnen waren bemüht, von hinten einen wi¬
derspenstigen Esel vorzuschieben, auf dem eine seltsame,
phantastisch geschmückte Weibergestalt saß, die voll
Zorn nach den ungestümen Treibern zurückschimpfte.
Wie eine Zigeunerkönigin hatte sie ihr langes zottiges
Haar mit einer Schnur von Gold und Edelsteinen
oben in ein Krönchen zusammengefaßt, in den Ohren
trug sie schwere Gehenke von geschmelzter Arbeit, ihre
Schabracke war von Scharlach, das grüne Kleid mit
silbernen Posamenten verbrämt, und ihr schneeweißes
Hemd an den Näthen mit schwarzer Seide nach böh¬
mischer Art ausgenäht, woraus sie hervorschien, wie
eine Heidelbeere aus der Milch. -- Jetzt erst erkannte
Fortunat in dem Gesindel nach und nach die Gesich¬
ter der Schauspieler, ohne zu begreifen, wie sie zu
dem Narrenstreiche kamen. Seitwärts bemerkte er
nun auch Kamilla, welche die Rolle der Preziosa über¬
nommen zu haben schien, wozu sie ihre große, noble
Figur besonders geeignet glaubte. Sie schwärmte ab¬
gesondert von den andern, eine Guitarre im Arm,
und sang: "Einsam bin ich nicht alleine." Aber sie
blieb doch allein, denn alles lief einer jungen, schönen
Zigeunerin nach, die plötzlich wie ein wildes Reh aus
dem Walde brach. Die pechschwarzen Haare hingen
glänzend über Stirn und Wangen, ihr Gesicht war
wie eine schöne Nacht. Sie blieb dicht vor Otto

rathen zu ſeyn, und kamen in vollem Zanke daher,
einige von ihnen waren bemuͤht, von hinten einen wi¬
derſpenſtigen Eſel vorzuſchieben, auf dem eine ſeltſame,
phantaſtiſch geſchmuͤckte Weibergeſtalt ſaß, die voll
Zorn nach den ungeſtuͤmen Treibern zuruͤckſchimpfte.
Wie eine Zigeunerkoͤnigin hatte ſie ihr langes zottiges
Haar mit einer Schnur von Gold und Edelſteinen
oben in ein Kroͤnchen zuſammengefaßt, in den Ohren
trug ſie ſchwere Gehenke von geſchmelzter Arbeit, ihre
Schabracke war von Scharlach, das gruͤne Kleid mit
ſilbernen Poſamenten verbraͤmt, und ihr ſchneeweißes
Hemd an den Naͤthen mit ſchwarzer Seide nach boͤh¬
miſcher Art ausgenaͤht, woraus ſie hervorſchien, wie
eine Heidelbeere aus der Milch. — Jetzt erſt erkannte
Fortunat in dem Geſindel nach und nach die Geſich¬
ter der Schauſpieler, ohne zu begreifen, wie ſie zu
dem Narrenſtreiche kamen. Seitwaͤrts bemerkte er
nun auch Kamilla, welche die Rolle der Prezioſa uͤber¬
nommen zu haben ſchien, wozu ſie ihre große, noble
Figur beſonders geeignet glaubte. Sie ſchwaͤrmte ab¬
geſondert von den andern, eine Guitarre im Arm,
und ſang: „Einſam bin ich nicht alleine.“ Aber ſie
blieb doch allein, denn alles lief einer jungen, ſchoͤnen
Zigeunerin nach, die ploͤtzlich wie ein wildes Reh aus
dem Walde brach. Die pechſchwarzen Haare hingen
glaͤnzend uͤber Stirn und Wangen, ihr Geſicht war
wie eine ſchoͤne Nacht. Sie blieb dicht vor Otto

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0113" n="106"/>
rathen zu &#x017F;eyn, und kamen in vollem Zanke daher,<lb/>
einige von ihnen waren bemu&#x0364;ht, von hinten einen wi¬<lb/>
der&#x017F;pen&#x017F;tigen E&#x017F;el vorzu&#x017F;chieben, auf dem eine &#x017F;elt&#x017F;ame,<lb/>
phanta&#x017F;ti&#x017F;ch ge&#x017F;chmu&#x0364;ckte Weiberge&#x017F;talt &#x017F;aß, die voll<lb/>
Zorn nach den unge&#x017F;tu&#x0364;men Treibern zuru&#x0364;ck&#x017F;chimpfte.<lb/>
Wie eine Zigeunerko&#x0364;nigin hatte &#x017F;ie ihr langes zottiges<lb/>
Haar mit einer Schnur von Gold und Edel&#x017F;teinen<lb/>
oben in ein Kro&#x0364;nchen zu&#x017F;ammengefaßt, in den Ohren<lb/>
trug &#x017F;ie &#x017F;chwere Gehenke von ge&#x017F;chmelzter Arbeit, ihre<lb/>
Schabracke war von Scharlach, das gru&#x0364;ne Kleid mit<lb/>
&#x017F;ilbernen Po&#x017F;amenten verbra&#x0364;mt, und ihr &#x017F;chneeweißes<lb/>
Hemd an den Na&#x0364;then mit &#x017F;chwarzer Seide nach bo&#x0364;<lb/>
mi&#x017F;cher Art ausgena&#x0364;ht, woraus &#x017F;ie hervor&#x017F;chien, wie<lb/>
eine Heidelbeere aus der Milch. &#x2014; Jetzt er&#x017F;t erkannte<lb/>
Fortunat in dem Ge&#x017F;indel nach und nach die Ge&#x017F;ich¬<lb/>
ter der Schau&#x017F;pieler, ohne zu begreifen, wie &#x017F;ie zu<lb/>
dem Narren&#x017F;treiche kamen. Seitwa&#x0364;rts bemerkte er<lb/>
nun auch Kamilla, welche die Rolle der Prezio&#x017F;a u&#x0364;ber¬<lb/>
nommen zu haben &#x017F;chien, wozu &#x017F;ie ihre große, noble<lb/>
Figur be&#x017F;onders geeignet glaubte. Sie &#x017F;chwa&#x0364;rmte ab¬<lb/>
ge&#x017F;ondert von den andern, eine Guitarre im Arm,<lb/>
und &#x017F;ang: &#x201E;Ein&#x017F;am bin ich nicht alleine.&#x201C; Aber &#x017F;ie<lb/>
blieb doch allein, denn alles lief einer jungen, &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Zigeunerin nach, die plo&#x0364;tzlich wie ein wildes Reh aus<lb/>
dem Walde brach. Die pech&#x017F;chwarzen Haare hingen<lb/>
gla&#x0364;nzend u&#x0364;ber Stirn und Wangen, ihr Ge&#x017F;icht war<lb/>
wie eine &#x017F;cho&#x0364;ne Nacht. Sie blieb dicht vor Otto<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0113] rathen zu ſeyn, und kamen in vollem Zanke daher, einige von ihnen waren bemuͤht, von hinten einen wi¬ derſpenſtigen Eſel vorzuſchieben, auf dem eine ſeltſame, phantaſtiſch geſchmuͤckte Weibergeſtalt ſaß, die voll Zorn nach den ungeſtuͤmen Treibern zuruͤckſchimpfte. Wie eine Zigeunerkoͤnigin hatte ſie ihr langes zottiges Haar mit einer Schnur von Gold und Edelſteinen oben in ein Kroͤnchen zuſammengefaßt, in den Ohren trug ſie ſchwere Gehenke von geſchmelzter Arbeit, ihre Schabracke war von Scharlach, das gruͤne Kleid mit ſilbernen Poſamenten verbraͤmt, und ihr ſchneeweißes Hemd an den Naͤthen mit ſchwarzer Seide nach boͤh¬ miſcher Art ausgenaͤht, woraus ſie hervorſchien, wie eine Heidelbeere aus der Milch. — Jetzt erſt erkannte Fortunat in dem Geſindel nach und nach die Geſich¬ ter der Schauſpieler, ohne zu begreifen, wie ſie zu dem Narrenſtreiche kamen. Seitwaͤrts bemerkte er nun auch Kamilla, welche die Rolle der Prezioſa uͤber¬ nommen zu haben ſchien, wozu ſie ihre große, noble Figur beſonders geeignet glaubte. Sie ſchwaͤrmte ab¬ geſondert von den andern, eine Guitarre im Arm, und ſang: „Einſam bin ich nicht alleine.“ Aber ſie blieb doch allein, denn alles lief einer jungen, ſchoͤnen Zigeunerin nach, die ploͤtzlich wie ein wildes Reh aus dem Walde brach. Die pechſchwarzen Haare hingen glaͤnzend uͤber Stirn und Wangen, ihr Geſicht war wie eine ſchoͤne Nacht. Sie blieb dicht vor Otto

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/113
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/113>, abgerufen am 25.11.2024.