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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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tin, Faber und Rosa, sie werden mir doch ewig
fremd bleiben. Auch zwischen diesen Menschen rei¬
sen meine eigentlichsten Gedanken und Empfindungen
hindurch, wie ein Deutscher durch Frankreich. Sind
dir denn die Flügel gebrochen, guter, muthiger,
Geist, der in die Welt hinausschaute, wie in sein
angebohrenes Reich? Das Auge hat in sich Raum
genug für eine ganze Welt, und nun sollte es eine
kleine Mädchenhand bedecken und zudrücken können?
-- Der Eindruck, den Rosa's Lachen während sei¬
ner Erzählung auf ihn gemacht hatte, war noch
nicht vergangen. Sie schlummerte rückwärts auf
ihren Arm gelehnt, ihr Busen, in den sich die
dunklen Locken herabringelten, gieng im Schlafe ru¬
hig auf und nieder, so ruhte sie neben ihm in un¬
beschreiblicher Schönheit. Ihm fiel dabey ein Lied
ein. Er stand auf und sang zur Guitarre:

Ich hab' manch Lied geschrieben,
Die Seele war voll Lust,
Von treuem Thun und Lieben,
Das beste, was ich wußt'.
Was mir das Herz bewogen,
Das sagte treu mein Mund,
Und das ist nicht erlogen,
Was kommt aus Herzensgrund.
Liebchen wußt's nicht zu deuten
Und lacht mir ins Gesicht,
Dreht sich zu andern Leuten
Und achtet's weiter nicht.
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tin, Faber und Roſa, ſie werden mir doch ewig
fremd bleiben. Auch zwiſchen dieſen Menſchen rei¬
ſen meine eigentlichſten Gedanken und Empfindungen
hindurch, wie ein Deutſcher durch Frankreich. Sind
dir denn die Flügel gebrochen, guter, muthiger,
Geiſt, der in die Welt hinausſchaute, wie in ſein
angebohrenes Reich? Das Auge hat in ſich Raum
genug für eine ganze Welt, und nun ſollte es eine
kleine Mädchenhand bedecken und zudrücken können?
— Der Eindruck, den Roſa's Lachen während ſei¬
ner Erzählung auf ihn gemacht hatte, war noch
nicht vergangen. Sie ſchlummerte rückwärts auf
ihren Arm gelehnt, ihr Buſen, in den ſich die
dunklen Locken herabringelten, gieng im Schlafe ru¬
hig auf und nieder, ſo ruhte ſie neben ihm in un¬
beſchreiblicher Schönheit. Ihm fiel dabey ein Lied
ein. Er ſtand auf und ſang zur Guitarre:

Ich hab' manch Lied geſchrieben,
Die Seele war voll Luſt,
Von treuem Thun und Lieben,
Das beſte, was ich wußt'.
Was mir das Herz bewogen,
Das ſagte treu mein Mund,
Und das iſt nicht erlogen,
Was kommt aus Herzensgrund.
Liebchen wußt's nicht zu deuten
Und lacht mir ins Geſicht,
Dreht ſich zu andern Leuten
Und achtet's weiter nicht.
6 *
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[83/0089] tin, Faber und Roſa, ſie werden mir doch ewig fremd bleiben. Auch zwiſchen dieſen Menſchen rei¬ ſen meine eigentlichſten Gedanken und Empfindungen hindurch, wie ein Deutſcher durch Frankreich. Sind dir denn die Flügel gebrochen, guter, muthiger, Geiſt, der in die Welt hinausſchaute, wie in ſein angebohrenes Reich? Das Auge hat in ſich Raum genug für eine ganze Welt, und nun ſollte es eine kleine Mädchenhand bedecken und zudrücken können? — Der Eindruck, den Roſa's Lachen während ſei¬ ner Erzählung auf ihn gemacht hatte, war noch nicht vergangen. Sie ſchlummerte rückwärts auf ihren Arm gelehnt, ihr Buſen, in den ſich die dunklen Locken herabringelten, gieng im Schlafe ru¬ hig auf und nieder, ſo ruhte ſie neben ihm in un¬ beſchreiblicher Schönheit. Ihm fiel dabey ein Lied ein. Er ſtand auf und ſang zur Guitarre: Ich hab' manch Lied geſchrieben, Die Seele war voll Luſt, Von treuem Thun und Lieben, Das beſte, was ich wußt'. Was mir das Herz bewogen, Das ſagte treu mein Mund, Und das iſt nicht erlogen, Was kommt aus Herzensgrund. Liebchen wußt's nicht zu deuten Und lacht mir ins Geſicht, Dreht ſich zu andern Leuten Und achtet's weiter nicht. 6 *

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/89>, abgerufen am 27.11.2024.