die ganze Welt in schönen gereimten Versen, daß ich bis zu Thränen lachen mußte. Gieb dich zufrie¬ den, Gevatter! sagte ich so gelinde als möglich zu ihm, aber er nimmt keine Vernunft an, und schimpft immerfort. -- Rudolph lachte hiebey so übermässig und aus Herzensgrund, wie sie ihn noch niemals gesehen.
Sie hatten indeß in seinem Begleiter mit Freu¬ den den langentbehrten Herrn Faber erkannt. Leontin sprang sogleich auf, ergriff ihn und walzte mit ihm auf der Wiese herum, bis sie beyde nicht mehr weiter konnten. Et tu Brute? -- rief end¬ lich Faber aus, als er wieder zu Athem gekommen war, nein, das ist zu toll, der Berg muß verzau¬ bert seyn! Unten begegne ich der kleinen Marie, ich will sie aus alter Bekanntschaft haschen und küs¬ sen, und bekomme eine Ohrfeige, weiter oben sitzt auf einer Felsenspitze eine Figur mit breitem Man¬ tel und Krone auf dem Haupt, wie der Metall¬ fürst, und will mir grämlich nicht den Weg wei¬ sen, ein als Ritter verkappter Phantast rennt mich fast um, dann falle ich jenem Melankolikus da in die Hände, der nicht weiß, warum er lacht, und nachdem ich mich endlich mit Lebensgefahr hinaufge¬ arbeitet habe, seyd ihr hier oben am Ende auch noch verrückt. -- Das kann wohl seyn, sagte Leon¬ tin lustig, denn ich bin verheyrathet (hiebey küßte er Julien, die ihm die Hand auf den Mund legte) und Friedrich da, fuhr er fort, will ins Kloster geh'n. Aber Du weißt ja den alten Spruch: sie
die ganze Welt in ſchönen gereimten Verſen, daß ich bis zu Thränen lachen mußte. Gieb dich zufrie¬ den, Gevatter! ſagte ich ſo gelinde als möglich zu ihm, aber er nimmt keine Vernunft an, und ſchimpft immerfort. — Rudolph lachte hiebey ſo übermäſſig und aus Herzensgrund, wie ſie ihn noch niemals geſehen.
Sie hatten indeß in ſeinem Begleiter mit Freu¬ den den langentbehrten Herrn Faber erkannt. Leontin ſprang ſogleich auf, ergriff ihn und walzte mit ihm auf der Wieſe herum, bis ſie beyde nicht mehr weiter konnten. Et tu Brute? — rief end¬ lich Faber aus, als er wieder zu Athem gekommen war, nein, das iſt zu toll, der Berg muß verzau¬ bert ſeyn! Unten begegne ich der kleinen Marie, ich will ſie aus alter Bekanntſchaft haſchen und küſ¬ ſen, und bekomme eine Ohrfeige, weiter oben ſitzt auf einer Felſenſpitze eine Figur mit breitem Man¬ tel und Krone auf dem Haupt, wie der Metall¬ fürſt, und will mir grämlich nicht den Weg wei¬ ſen, ein als Ritter verkappter Phantaſt rennt mich faſt um, dann falle ich jenem Melankolikus da in die Hände, der nicht weiß, warum er lacht, und nachdem ich mich endlich mit Lebensgefahr hinaufge¬ arbeitet habe, ſeyd ihr hier oben am Ende auch noch verrückt. — Das kann wohl ſeyn, ſagte Leon¬ tin luſtig, denn ich bin verheyrathet (hiebey küßte er Julien, die ihm die Hand auf den Mund legte) und Friedrich da, fuhr er fort, will ins Kloſter geh'n. Aber Du weißt ja den alten Spruch: ſie
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die ganze Welt in ſchönen gereimten Verſen, daß
ich bis zu Thränen lachen mußte. Gieb dich zufrie¬
den, Gevatter! ſagte ich ſo gelinde als möglich zu
ihm, aber er nimmt keine Vernunft an, und
ſchimpft immerfort. — Rudolph lachte hiebey ſo
übermäſſig und aus Herzensgrund, wie ſie ihn noch
niemals geſehen.
Sie hatten indeß in ſeinem Begleiter mit Freu¬
den den langentbehrten Herrn Faber erkannt.
Leontin ſprang ſogleich auf, ergriff ihn und walzte
mit ihm auf der Wieſe herum, bis ſie beyde nicht
mehr weiter konnten. Et tu Brute? — rief end¬
lich Faber aus, als er wieder zu Athem gekommen
war, nein, das iſt zu toll, der Berg muß verzau¬
bert ſeyn! Unten begegne ich der kleinen Marie,
ich will ſie aus alter Bekanntſchaft haſchen und küſ¬
ſen, und bekomme eine Ohrfeige, weiter oben ſitzt
auf einer Felſenſpitze eine Figur mit breitem Man¬
tel und Krone auf dem Haupt, wie der Metall¬
fürſt, und will mir grämlich nicht den Weg wei¬
ſen, ein als Ritter verkappter Phantaſt rennt mich
faſt um, dann falle ich jenem Melankolikus da in
die Hände, der nicht weiß, warum er lacht, und
nachdem ich mich endlich mit Lebensgefahr hinaufge¬
arbeitet habe, ſeyd ihr hier oben am Ende auch
noch verrückt. — Das kann wohl ſeyn, ſagte Leon¬
tin luſtig, denn ich bin verheyrathet (hiebey küßte
er Julien, die ihm die Hand auf den Mund legte)
und Friedrich da, fuhr er fort, will ins Kloſter
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/464>, abgerufen am 25.11.2024.
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