auflachen, was sie über diese unerwartete Wendung der Sache für Gesichter schnitten. Doch schien ihnen das zu gefallen, sie betrachteten mich als einen wür¬ digen Kumpan, und fuhrten mich freundschaftlich tiefer in den Wald hinein.
Wir kamen bald auf einen freyen, einsamen Platz, wo bärtige Männer, Weiber und Kinder um ein Feldfeuer herumlagen, und ich bemerkte nun wohl, daß ich unter einen Zigeunerhaufen gerathen war. Da wurde geschlachtet, geschunden, gekocht und geschmort, alle sprachen und sangen ihr Kau¬ derwelsch verworren durcheinander, dabey regnete und stürmte es immerfort; es war eine wahre Wal¬ burgisnacht. Mir war recht kannibalisch wohl. Ue¬ brigens war es, ausser daß sie alle ausgemachte Spitzbuben waren, eine recht gute, unterhaltende Gesellschaft. Sie gaben mir zu essen, Brandtwein zu trinken, tanzten, musizirten und kümmerten sich um die ganze Welt nicht.
Mitten in dem Haufen bemerkte ich bald dar¬ auf ein altes Weib, die ich bey dem Widerscheine der Flamme nicht ohne Schreck für dieselbe Zigeu¬ nerin wieder erkannte, die mir als Kind so fürch¬ terlich geweissagt hatte. Ich gieng zu ihr hin, sie kannte mich nicht mehr. -- Von unserem letzten Zu¬ sammentreffen bey Rom wußte, oder mochte sie nichts wissen. -- Ich reichte ihr noch einmal die Hand hin. Sie betrachtete alle Linien sehr genau, dann sah sie mir scharf in die Augen, und sagte, während sie mit seltsamen Gebehrden nach allen
auflachen, was ſie über dieſe unerwartete Wendung der Sache für Geſichter ſchnitten. Doch ſchien ihnen das zu gefallen, ſie betrachteten mich als einen wür¬ digen Kumpan, und fuhrten mich freundſchaftlich tiefer in den Wald hinein.
Wir kamen bald auf einen freyen, einſamen Platz, wo bärtige Männer, Weiber und Kinder um ein Feldfeuer herumlagen, und ich bemerkte nun wohl, daß ich unter einen Zigeunerhaufen gerathen war. Da wurde geſchlachtet, geſchunden, gekocht und geſchmort, alle ſprachen und ſangen ihr Kau¬ derwelſch verworren durcheinander, dabey regnete und ſtürmte es immerfort; es war eine wahre Wal¬ burgisnacht. Mir war recht kannibaliſch wohl. Ue¬ brigens war es, auſſer daß ſie alle ausgemachte Spitzbuben waren, eine recht gute, unterhaltende Geſellſchaft. Sie gaben mir zu eſſen, Brandtwein zu trinken, tanzten, muſizirten und kümmerten ſich um die ganze Welt nicht.
Mitten in dem Haufen bemerkte ich bald dar¬ auf ein altes Weib, die ich bey dem Widerſcheine der Flamme nicht ohne Schreck für dieſelbe Zigeu¬ nerin wieder erkannte, die mir als Kind ſo fürch¬ terlich geweiſſagt hatte. Ich gieng zu ihr hin, ſie kannte mich nicht mehr. — Von unſerem letzten Zu¬ ſammentreffen bey Rom wußte, oder mochte ſie nichts wiſſen. — Ich reichte ihr noch einmal die Hand hin. Sie betrachtete alle Linien ſehr genau, dann ſah ſie mir ſcharf in die Augen, und ſagte, während ſie mit ſeltſamen Gebehrden nach allen
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auflachen, was ſie über dieſe unerwartete Wendung
der Sache für Geſichter ſchnitten. Doch ſchien ihnen
das zu gefallen, ſie betrachteten mich als einen wür¬
digen Kumpan, und fuhrten mich freundſchaftlich
tiefer in den Wald hinein.
Wir kamen bald auf einen freyen, einſamen
Platz, wo bärtige Männer, Weiber und Kinder
um ein Feldfeuer herumlagen, und ich bemerkte nun
wohl, daß ich unter einen Zigeunerhaufen gerathen
war. Da wurde geſchlachtet, geſchunden, gekocht
und geſchmort, alle ſprachen und ſangen ihr Kau¬
derwelſch verworren durcheinander, dabey regnete
und ſtürmte es immerfort; es war eine wahre Wal¬
burgisnacht. Mir war recht kannibaliſch wohl. Ue¬
brigens war es, auſſer daß ſie alle ausgemachte
Spitzbuben waren, eine recht gute, unterhaltende
Geſellſchaft. Sie gaben mir zu eſſen, Brandtwein
zu trinken, tanzten, muſizirten und kümmerten ſich
um die ganze Welt nicht.
Mitten in dem Haufen bemerkte ich bald dar¬
auf ein altes Weib, die ich bey dem Widerſcheine
der Flamme nicht ohne Schreck für dieſelbe Zigeu¬
nerin wieder erkannte, die mir als Kind ſo fürch¬
terlich geweiſſagt hatte. Ich gieng zu ihr hin, ſie
kannte mich nicht mehr. — Von unſerem letzten Zu¬
ſammentreffen bey Rom wußte, oder mochte ſie
nichts wiſſen. — Ich reichte ihr noch einmal die
Hand hin. Sie betrachtete alle Linien ſehr genau,
dann ſah ſie mir ſcharf in die Augen, und ſagte,
während ſie mit ſeltſamen Gebehrden nach allen
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/440>, abgerufen am 23.11.2024.
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