Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.Frühmorgens durch die Winde kühl Zwey Ritter hergeritten sind,Im Garten klingt ihr Saitenspiel, Wach' auf, wach' auf, mein schönes Kind! Ringsum viel' Schlösser schimmernd steh'n, So silbern geht der Ströme Lauf,Hoch, weit rings Lerchenlieder weh'n, Schließ' Fenster, Herz und Aeuglein auf! Friedrich war gar nicht begierig, die alte So wie du bist, verschlafen heiß, Laß allen Putz und Zier zu Haus,Tritt nur herfür im Hemdlein weiß, Siehst so gar schön verliebet aus. Wenn du so garstig singst, sagte oben die lieb¬ Ich hab' einen Fremden wohl bey mir, Der lauert unten auf der Wacht,Der bittet schön dich um Quartier, Verschlafnes Kind, nimm dich in Acht! Friedrich trat nun aus seinem Hinterhalte Frühmorgens durch die Winde kühl Zwey Ritter hergeritten ſind,Im Garten klingt ihr Saitenſpiel, Wach' auf, wach' auf, mein ſchönes Kind! Ringsum viel' Schlöſſer ſchimmernd ſteh'n, So ſilbern geht der Ströme Lauf,Hoch, weit rings Lerchenlieder weh'n, Schließ' Fenſter, Herz und Aeuglein auf! Friedrich war gar nicht begierig, die alte So wie du biſt, verſchlafen heiß, Laß allen Putz und Zier zu Haus,Tritt nur herfür im Hemdlein weiß, Siehſt ſo gar ſchön verliebet aus. Wenn du ſo garſtig ſingſt, ſagte oben die lieb¬ Ich hab' einen Fremden wohl bey mir, Der lauert unten auf der Wacht,Der bittet ſchön dich um Quartier, Verſchlafnes Kind, nimm dich in Acht! Friedrich trat nun aus ſeinem Hinterhalte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0044" n="38"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l rendition="#et">Frühmorgens durch die Winde kühl</l><lb/> <l>Zwey Ritter hergeritten ſind,</l><lb/> <l>Im Garten klingt ihr Saitenſpiel,</l><lb/> <l>Wach' auf, wach' auf, mein ſchönes Kind!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l rendition="#et">Ringsum viel' Schlöſſer ſchimmernd ſteh'n,</l><lb/> <l>So ſilbern geht der Ströme Lauf,</l><lb/> <l>Hoch, weit rings Lerchenlieder weh'n,</l><lb/> <l>Schließ' Fenſter, Herz und Aeuglein auf!</l><lb/> </lg> </lg> <p><hi rendition="#g">Friedrich</hi> war gar nicht begierig, die alte<lb/> Schöne kennen zu lernen, und blieb ruhig in der<lb/> Thüre ſtehen. Da hörte er oben ein Fenſter ſich<lb/> öffnen. Guten Morgen, lieber Bruder! ſagte eine<lb/> liebliche Stimme. <hi rendition="#g">Leontin</hi> ſang:</p><lb/> <lg type="poem"> <l rendition="#et">So wie du biſt, verſchlafen heiß,</l><lb/> <l>Laß allen Putz und Zier zu Haus,</l><lb/> <l>Tritt nur herfür im Hemdlein weiß,</l><lb/> <l>Siehſt ſo gar ſchön verliebet aus.</l><lb/> </lg> <p>Wenn du ſo garſtig ſingſt, ſagte oben die lieb¬<lb/> liche Stimme, ſo leg' ich mich gleich wieder ſchlafen.<lb/><hi rendition="#g">Friedrich</hi> erblickte einen ſchneeweißen, vollen Arm<lb/> im Fenſter und <hi rendition="#g">Leontin</hi> ſang wieder:</p><lb/> <lg type="poem"> <l rendition="#et">Ich hab' einen Fremden wohl bey mir,</l><lb/> <l>Der lauert unten auf der Wacht,</l><lb/> <l>Der bittet ſchön dich um Quartier,</l><lb/> <l>Verſchlafnes Kind, nimm dich in Acht!</l><lb/> </lg> <p><hi rendition="#g">Friedrich</hi> trat nun aus ſeinem Hinterhalte<lb/> hervor und ſah mit Erſtaunen — ſeine <hi rendition="#g">Roſa</hi> im<lb/> Fenſter. Sie war in einem leichten Nachtkleide und<lb/> dehnte ſich eben mit aufgehobenen Armen in den<lb/> friſchen Morgen hinaus. Als ſie ſo unverhofft<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [38/0044]
Frühmorgens durch die Winde kühl
Zwey Ritter hergeritten ſind,
Im Garten klingt ihr Saitenſpiel,
Wach' auf, wach' auf, mein ſchönes Kind!
Ringsum viel' Schlöſſer ſchimmernd ſteh'n,
So ſilbern geht der Ströme Lauf,
Hoch, weit rings Lerchenlieder weh'n,
Schließ' Fenſter, Herz und Aeuglein auf!
Friedrich war gar nicht begierig, die alte
Schöne kennen zu lernen, und blieb ruhig in der
Thüre ſtehen. Da hörte er oben ein Fenſter ſich
öffnen. Guten Morgen, lieber Bruder! ſagte eine
liebliche Stimme. Leontin ſang:
So wie du biſt, verſchlafen heiß,
Laß allen Putz und Zier zu Haus,
Tritt nur herfür im Hemdlein weiß,
Siehſt ſo gar ſchön verliebet aus.
Wenn du ſo garſtig ſingſt, ſagte oben die lieb¬
liche Stimme, ſo leg' ich mich gleich wieder ſchlafen.
Friedrich erblickte einen ſchneeweißen, vollen Arm
im Fenſter und Leontin ſang wieder:
Ich hab' einen Fremden wohl bey mir,
Der lauert unten auf der Wacht,
Der bittet ſchön dich um Quartier,
Verſchlafnes Kind, nimm dich in Acht!
Friedrich trat nun aus ſeinem Hinterhalte
hervor und ſah mit Erſtaunen — ſeine Roſa im
Fenſter. Sie war in einem leichten Nachtkleide und
dehnte ſich eben mit aufgehobenen Armen in den
friſchen Morgen hinaus. Als ſie ſo unverhofft
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