Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

über ihren Jungen, und schlägt grimmig um sich.
-- So sollte jeder Dichter dichten, meynte Frie¬
drich
, am frühen Morgen, unter freyem Himmel,
in einer schönen Gegend. Da ist die Seele rüstig,
und so wie dann die Bäume rauschen, die Vögel
singen und der Jäger vor Lust in sein Horn stößt,
so muß der Dichter dichten. -- Sie sind ein Natu¬
ralist in der Poesie, entgegnete Faber mit einer
etwas zweydeutigen Miene. -- Ich wünschte, fiel
ihm Leontin ins Wort, Sie ritten lieber alle
Morgen mit mir auf die Jagd, lieber Faber.
Der Morgen glüht Sie wie eine reizende Geliebte
an, und Sie klecken ihr mit Dinte in das schöne
Gesicht. Faber lachte, zog eine kleine Flöte her¬
vor und fieng an darauf zu blasen. Friedrich
fand ihn in diesem Augenblicke sehr liebenswürdig.

Leontin trug dem Grafen an, mit ihm zu
seiner Schwester hinüberzureiten, wenn er sich schon
stark genug dazu fühlte. Friedrich willigte mit
Freuden ein, und bald darauf saßen beyde zu Pfer¬
de. Die Gegend war sehr heiter. Sie ritten eben
über einen weiten grünen Anger. Friedrich fühl¬
te sich bey dem schönen Morgen recht in allen Sin¬
nen genesen, und freute sich über den anmuthigen
Leontin, wie das Pferd unter ihm mit geboge¬
nem Halse über die Ebne hintanzte. Meine Schwe¬
ster, sagte Leontin unterweges, und sah den Gra¬
fen mit verstecktem Lachen immerfort an, meine
Schwester ist viel älter als ich, und, ich muß es
nur im Voraus sagen, recht häßlich. So! sagte

über ihren Jungen, und ſchlägt grimmig um ſich.
— So ſollte jeder Dichter dichten, meynte Frie¬
drich
, am frühen Morgen, unter freyem Himmel,
in einer ſchönen Gegend. Da iſt die Seele rüſtig,
und ſo wie dann die Bäume rauſchen, die Vögel
ſingen und der Jäger vor Luſt in ſein Horn ſtößt,
ſo muß der Dichter dichten. — Sie ſind ein Natu¬
raliſt in der Poeſie, entgegnete Faber mit einer
etwas zweydeutigen Miene. — Ich wünſchte, fiel
ihm Leontin ins Wort, Sie ritten lieber alle
Morgen mit mir auf die Jagd, lieber Faber.
Der Morgen glüht Sie wie eine reizende Geliebte
an, und Sie klecken ihr mit Dinte in das ſchöne
Geſicht. Faber lachte, zog eine kleine Flöte her¬
vor und fieng an darauf zu blaſen. Friedrich
fand ihn in dieſem Augenblicke ſehr liebenswürdig.

Leontin trug dem Grafen an, mit ihm zu
ſeiner Schweſter hinüberzureiten, wenn er ſich ſchon
ſtark genug dazu fühlte. Friedrich willigte mit
Freuden ein, und bald darauf ſaßen beyde zu Pfer¬
de. Die Gegend war ſehr heiter. Sie ritten eben
über einen weiten grünen Anger. Friedrich fühl¬
te ſich bey dem ſchönen Morgen recht in allen Sin¬
nen geneſen, und freute ſich über den anmuthigen
Leontin, wie das Pferd unter ihm mit geboge¬
nem Halſe über die Ebne hintanzte. Meine Schwe¬
ſter, ſagte Leontin unterweges, und ſah den Gra¬
fen mit verſtecktem Lachen immerfort an, meine
Schweſter iſt viel älter als ich, und, ich muß es
nur im Voraus ſagen, recht häßlich. So! ſagte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0042" n="36"/>
über ihren Jungen, und &#x017F;chlägt grimmig um &#x017F;ich.<lb/>
&#x2014; So &#x017F;ollte jeder Dichter dichten, meynte <hi rendition="#g">Frie¬<lb/>
drich</hi>, am frühen Morgen, unter freyem Himmel,<lb/>
in einer &#x017F;chönen Gegend. Da i&#x017F;t die Seele rü&#x017F;tig,<lb/>
und &#x017F;o wie dann die Bäume rau&#x017F;chen, die Vögel<lb/>
&#x017F;ingen und der Jäger vor Lu&#x017F;t in &#x017F;ein Horn &#x017F;tößt,<lb/>
&#x017F;o muß der Dichter dichten. &#x2014; Sie &#x017F;ind ein Natu¬<lb/>
rali&#x017F;t in der Poe&#x017F;ie, entgegnete <hi rendition="#g">Faber</hi> mit einer<lb/>
etwas zweydeutigen Miene. &#x2014; Ich wün&#x017F;chte, fiel<lb/>
ihm <hi rendition="#g">Leontin</hi> ins Wort, Sie ritten lieber alle<lb/>
Morgen mit mir auf die Jagd, lieber <hi rendition="#g">Faber</hi>.<lb/>
Der Morgen glüht Sie wie eine reizende Geliebte<lb/>
an, und Sie klecken ihr mit Dinte in das &#x017F;chöne<lb/>
Ge&#x017F;icht. <hi rendition="#g">Faber</hi> lachte, zog eine kleine Flöte her¬<lb/>
vor und fieng an darauf zu bla&#x017F;en. <hi rendition="#g">Friedrich</hi><lb/>
fand ihn in die&#x017F;em Augenblicke &#x017F;ehr liebenswürdig.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Leontin</hi> trug dem Grafen an, mit ihm zu<lb/>
&#x017F;einer Schwe&#x017F;ter hinüberzureiten, wenn er &#x017F;ich &#x017F;chon<lb/>
&#x017F;tark genug dazu fühlte. <hi rendition="#g">Friedrich</hi> willigte mit<lb/>
Freuden ein, und bald darauf &#x017F;aßen beyde zu Pfer¬<lb/>
de. Die Gegend war &#x017F;ehr heiter. Sie ritten eben<lb/>
über einen weiten grünen Anger. <hi rendition="#g">Friedrich</hi> fühl¬<lb/>
te &#x017F;ich bey dem &#x017F;chönen Morgen recht in allen Sin¬<lb/>
nen gene&#x017F;en, und freute &#x017F;ich über den anmuthigen<lb/><hi rendition="#g">Leontin</hi>, wie das Pferd unter ihm mit geboge¬<lb/>
nem Hal&#x017F;e über die Ebne hintanzte. Meine Schwe¬<lb/>
&#x017F;ter, &#x017F;agte <hi rendition="#g">Leontin</hi> unterweges, und &#x017F;ah den Gra¬<lb/>
fen mit ver&#x017F;tecktem Lachen immerfort an, meine<lb/>
Schwe&#x017F;ter i&#x017F;t viel älter als ich, und, ich muß es<lb/>
nur im Voraus &#x017F;agen, recht häßlich. So! &#x017F;agte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0042] über ihren Jungen, und ſchlägt grimmig um ſich. — So ſollte jeder Dichter dichten, meynte Frie¬ drich, am frühen Morgen, unter freyem Himmel, in einer ſchönen Gegend. Da iſt die Seele rüſtig, und ſo wie dann die Bäume rauſchen, die Vögel ſingen und der Jäger vor Luſt in ſein Horn ſtößt, ſo muß der Dichter dichten. — Sie ſind ein Natu¬ raliſt in der Poeſie, entgegnete Faber mit einer etwas zweydeutigen Miene. — Ich wünſchte, fiel ihm Leontin ins Wort, Sie ritten lieber alle Morgen mit mir auf die Jagd, lieber Faber. Der Morgen glüht Sie wie eine reizende Geliebte an, und Sie klecken ihr mit Dinte in das ſchöne Geſicht. Faber lachte, zog eine kleine Flöte her¬ vor und fieng an darauf zu blaſen. Friedrich fand ihn in dieſem Augenblicke ſehr liebenswürdig. Leontin trug dem Grafen an, mit ihm zu ſeiner Schweſter hinüberzureiten, wenn er ſich ſchon ſtark genug dazu fühlte. Friedrich willigte mit Freuden ein, und bald darauf ſaßen beyde zu Pfer¬ de. Die Gegend war ſehr heiter. Sie ritten eben über einen weiten grünen Anger. Friedrich fühl¬ te ſich bey dem ſchönen Morgen recht in allen Sin¬ nen geneſen, und freute ſich über den anmuthigen Leontin, wie das Pferd unter ihm mit geboge¬ nem Halſe über die Ebne hintanzte. Meine Schwe¬ ſter, ſagte Leontin unterweges, und ſah den Gra¬ fen mit verſtecktem Lachen immerfort an, meine Schweſter iſt viel älter als ich, und, ich muß es nur im Voraus ſagen, recht häßlich. So! ſagte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/42
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/42>, abgerufen am 21.11.2024.