Gott als die Männer zu lieben, darauf hätte ich noch eine Weile sehr streng und ernsthaft mit ihr gesprochen, wovon sie aber nur wenig verstanden, und wäre dann ohne Abschied fortgegangen. --
Ich erschrack nicht wenig über diese Rede, denn ich war jenen Abend nicht von meinem Schlosse weggekommen. Während sie noch so erzählte, be¬ merkte ich, daß sie plötzlich blaß wurde und starr auf einen Fleck im Walde hinsah. Ich konnte nir¬ gends etwas erblicken, aber Sie fiel auf einmal für todt auf die Erde. --
Als sie sich zu Hause, wohin ich sie gebracht, nach einiger Zeit wieder erholt hatte, schien sie sich ordentlich vor mir zu fürchten und bat mich in ei¬ ner sonderbaren Gemüthsbewegung, niemals mehr wieder kommen. Ich mußt' es ihr versprechen, um sie einigermassen zu beruhigen. Demohngeachtet trieb mich die Besorgniß um das Mädchen und die Neugierde den folgenden Abend wieder hinaus, um wenigstens von der Mutter etwas zu erfahren.
Es war schon ziemlich spät, der Mond schien wie heute. Als ich in dem Walde, durch den ich hindurch mußte, eben auf einem etwas freyen, mondhellen Platz herumbeuge, steigt auf einmal mein Pferd und mein eignes Haar vom Kopf in die Höh'. Denn einige Schritt' vor mir, lang und unbeweglich an einem Baume, stehe Ich selber leib¬ haftig. Mir fiel dabey ein, was das Mädchen ge¬ stern sagte; mir grauste durch Mark und Bein bey
Gott als die Männer zu lieben, darauf hätte ich noch eine Weile ſehr ſtreng und ernſthaft mit ihr geſprochen, wovon ſie aber nur wenig verſtanden, und wäre dann ohne Abſchied fortgegangen. —
Ich erſchrack nicht wenig über dieſe Rede, denn ich war jenen Abend nicht von meinem Schloſſe weggekommen. Während ſie noch ſo erzählte, be¬ merkte ich, daß ſie plötzlich blaß wurde und ſtarr auf einen Fleck im Walde hinſah. Ich konnte nir¬ gends etwas erblicken, aber Sie fiel auf einmal für todt auf die Erde. —
Als ſie ſich zu Hauſe, wohin ich ſie gebracht, nach einiger Zeit wieder erholt hatte, ſchien ſie ſich ordentlich vor mir zu fürchten und bat mich in ei¬ ner ſonderbaren Gemüthsbewegung, niemals mehr wieder kommen. Ich mußt' es ihr verſprechen, um ſie einigermaſſen zu beruhigen. Demohngeachtet trieb mich die Beſorgniß um das Mädchen und die Neugierde den folgenden Abend wieder hinaus, um wenigſtens von der Mutter etwas zu erfahren.
Es war ſchon ziemlich ſpät, der Mond ſchien wie heute. Als ich in dem Walde, durch den ich hindurch mußte, eben auf einem etwas freyen, mondhellen Platz herumbeuge, ſteigt auf einmal mein Pferd und mein eignes Haar vom Kopf in die Höh'. Denn einige Schritt' vor mir, lang und unbeweglich an einem Baume, ſtehe Ich ſelber leib¬ haftig. Mir fiel dabey ein, was das Mädchen ge¬ ſtern ſagte; mir grauſte durch Mark und Bein bey
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0408"n="402"/>
Gott als die Männer zu lieben, darauf hätte ich<lb/>
noch eine Weile ſehr ſtreng und ernſthaft mit ihr<lb/>
geſprochen, wovon ſie aber nur wenig verſtanden,<lb/>
und wäre dann ohne Abſchied fortgegangen. —</p><lb/><p>Ich erſchrack nicht wenig über dieſe Rede, denn<lb/>
ich war jenen Abend nicht von meinem Schloſſe<lb/>
weggekommen. Während ſie noch ſo erzählte, be¬<lb/>
merkte ich, daß ſie plötzlich blaß wurde und ſtarr<lb/>
auf einen Fleck im Walde hinſah. Ich konnte nir¬<lb/>
gends etwas erblicken, aber Sie fiel auf einmal<lb/>
für todt auf die Erde. —</p><lb/><p>Als ſie ſich zu Hauſe, wohin ich ſie gebracht,<lb/>
nach einiger Zeit wieder erholt hatte, ſchien ſie ſich<lb/>
ordentlich vor mir zu fürchten und bat mich in ei¬<lb/>
ner ſonderbaren Gemüthsbewegung, niemals mehr<lb/>
wieder kommen. Ich mußt' es ihr verſprechen, um<lb/>ſie einigermaſſen zu beruhigen. Demohngeachtet<lb/>
trieb mich die Beſorgniß um das Mädchen und die<lb/>
Neugierde den folgenden Abend wieder hinaus, um<lb/>
wenigſtens von der Mutter etwas zu erfahren.</p><lb/><p>Es war ſchon ziemlich ſpät, der Mond ſchien<lb/>
wie heute. Als ich in dem Walde, durch den ich<lb/>
hindurch mußte, eben auf einem etwas freyen,<lb/>
mondhellen Platz herumbeuge, ſteigt auf einmal<lb/>
mein Pferd und mein eignes Haar vom Kopf in<lb/>
die Höh'. Denn einige Schritt' vor mir, lang und<lb/>
unbeweglich an einem Baume, ſtehe Ich ſelber leib¬<lb/>
haftig. Mir fiel dabey ein, was das Mädchen ge¬<lb/>ſtern ſagte; mir grauſte durch Mark und Bein bey<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[402/0408]
Gott als die Männer zu lieben, darauf hätte ich
noch eine Weile ſehr ſtreng und ernſthaft mit ihr
geſprochen, wovon ſie aber nur wenig verſtanden,
und wäre dann ohne Abſchied fortgegangen. —
Ich erſchrack nicht wenig über dieſe Rede, denn
ich war jenen Abend nicht von meinem Schloſſe
weggekommen. Während ſie noch ſo erzählte, be¬
merkte ich, daß ſie plötzlich blaß wurde und ſtarr
auf einen Fleck im Walde hinſah. Ich konnte nir¬
gends etwas erblicken, aber Sie fiel auf einmal
für todt auf die Erde. —
Als ſie ſich zu Hauſe, wohin ich ſie gebracht,
nach einiger Zeit wieder erholt hatte, ſchien ſie ſich
ordentlich vor mir zu fürchten und bat mich in ei¬
ner ſonderbaren Gemüthsbewegung, niemals mehr
wieder kommen. Ich mußt' es ihr verſprechen, um
ſie einigermaſſen zu beruhigen. Demohngeachtet
trieb mich die Beſorgniß um das Mädchen und die
Neugierde den folgenden Abend wieder hinaus, um
wenigſtens von der Mutter etwas zu erfahren.
Es war ſchon ziemlich ſpät, der Mond ſchien
wie heute. Als ich in dem Walde, durch den ich
hindurch mußte, eben auf einem etwas freyen,
mondhellen Platz herumbeuge, ſteigt auf einmal
mein Pferd und mein eignes Haar vom Kopf in
die Höh'. Denn einige Schritt' vor mir, lang und
unbeweglich an einem Baume, ſtehe Ich ſelber leib¬
haftig. Mir fiel dabey ein, was das Mädchen ge¬
ſtern ſagte; mir grauſte durch Mark und Bein bey
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/408>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.