Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

Bedienten nach meinem Schloß. Der vermeynte
Bräutigam, der noch dort war, ließ es sich durch¬
aus nicht nehmen, die Romanze, wie er es nann¬
te, mitzumachen. Er schmückte sich in aller Eile
sehr phantastisch und abentheuerlich aus, bewaffne¬
te sich mit einem Schwerdt, einer Flinte und meh¬
reren Pistolen, obschon die Feinde mein Schloß
längst wieder verlassen hatten, da es ihnen jetzt,
bey dem großen Vorsprunge der Unsrigen, ganz
unnütz geworden war. Julie suchte unermüdlich
zwischen den zusammengefallenen Steinen, erkann¬
te mich endlich und trug mich selbst aus den dam¬
pfenden Trümmern. Der Bräutigam machte ein
Sonett darauf und Julie heilte mich zu Hause aus.

Da aber meine Vertheidigung des Schlosses als
unberufen, und, in einem bereits eroberten Lande,
als rebellisch angesehen wird, so wurde mir vom
Feinde nachgestellt und ich befand mich auf dem
Schlosse des Herrn v. A. nicht mehr sicher. Man
brachte mich daher auf diese abgelegene Mühle hier,
wo mich Julie täglich besucht, bis ich endlich jetzt
wieder ganz hergestellt bin.

So endigte Leontin seine Erzählung. -- Und
wohin willst Du nun? fragte Friedrich. Jetzt weiß
ich nichts mehr in der Welt, sagte Leontin unmu¬
thig. -- Sie mußten abbrechen, denn eben kam
Julie wieder zurück und winkte Leontinen heimlich
mit den Augen, als sey etwas Bewußtes glücklich
vollbracht.

Bedienten nach meinem Schloß. Der vermeynte
Bräutigam, der noch dort war, ließ es ſich durch¬
aus nicht nehmen, die Romanze, wie er es nann¬
te, mitzumachen. Er ſchmückte ſich in aller Eile
ſehr phantaſtiſch und abentheuerlich aus, bewaffne¬
te ſich mit einem Schwerdt, einer Flinte und meh¬
reren Piſtolen, obſchon die Feinde mein Schloß
längſt wieder verlaſſen hatten, da es ihnen jetzt,
bey dem großen Vorſprunge der Unſrigen, ganz
unnütz geworden war. Julie ſuchte unermüdlich
zwiſchen den zuſammengefallenen Steinen, erkann¬
te mich endlich und trug mich ſelbſt aus den dam¬
pfenden Trümmern. Der Bräutigam machte ein
Sonett darauf und Julie heilte mich zu Hauſe aus.

Da aber meine Vertheidigung des Schloſſes als
unberufen, und, in einem bereits eroberten Lande,
als rebelliſch angeſehen wird, ſo wurde mir vom
Feinde nachgeſtellt und ich befand mich auf dem
Schloſſe des Herrn v. A. nicht mehr ſicher. Man
brachte mich daher auf dieſe abgelegene Mühle hier,
wo mich Julie täglich beſucht, bis ich endlich jetzt
wieder ganz hergeſtellt bin.

So endigte Leontin ſeine Erzählung. — Und
wohin willſt Du nun? fragte Friedrich. Jetzt weiß
ich nichts mehr in der Welt, ſagte Leontin unmu¬
thig. — Sie mußten abbrechen, denn eben kam
Julie wieder zurück und winkte Leontinen heimlich
mit den Augen, als ſey etwas Bewußtes glücklich
vollbracht.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0380" n="374"/>
Bedienten nach meinem Schloß. Der vermeynte<lb/>
Bräutigam, der noch dort war, ließ es &#x017F;ich durch¬<lb/>
aus nicht nehmen, die Romanze, wie er es nann¬<lb/>
te, mitzumachen. Er &#x017F;chmückte &#x017F;ich in aller Eile<lb/>
&#x017F;ehr phanta&#x017F;ti&#x017F;ch und abentheuerlich aus, bewaffne¬<lb/>
te &#x017F;ich mit einem Schwerdt, einer Flinte und meh¬<lb/>
reren Pi&#x017F;tolen, ob&#x017F;chon die Feinde mein Schloß<lb/>
läng&#x017F;t wieder verla&#x017F;&#x017F;en hatten, da es ihnen jetzt,<lb/>
bey dem großen Vor&#x017F;prunge der Un&#x017F;rigen, ganz<lb/>
unnütz geworden war. Julie &#x017F;uchte unermüdlich<lb/>
zwi&#x017F;chen den zu&#x017F;ammengefallenen Steinen, erkann¬<lb/>
te mich endlich und trug mich &#x017F;elb&#x017F;t aus den dam¬<lb/>
pfenden Trümmern. Der Bräutigam machte ein<lb/>
Sonett darauf und Julie heilte mich zu Hau&#x017F;e aus.</p><lb/>
          <p>Da aber meine Vertheidigung des Schlo&#x017F;&#x017F;es als<lb/>
unberufen, und, in einem bereits eroberten Lande,<lb/>
als rebelli&#x017F;ch ange&#x017F;ehen wird, &#x017F;o wurde mir vom<lb/>
Feinde nachge&#x017F;tellt und ich befand mich auf dem<lb/>
Schlo&#x017F;&#x017F;e des Herrn v. A. nicht mehr &#x017F;icher. Man<lb/>
brachte mich daher auf die&#x017F;e abgelegene Mühle hier,<lb/>
wo mich Julie täglich be&#x017F;ucht, bis ich endlich jetzt<lb/>
wieder ganz herge&#x017F;tellt bin.</p><lb/>
          <p>So endigte Leontin &#x017F;eine Erzählung. &#x2014; Und<lb/>
wohin will&#x017F;t Du nun? fragte Friedrich. Jetzt weiß<lb/>
ich nichts mehr in der Welt, &#x017F;agte Leontin unmu¬<lb/>
thig. &#x2014; Sie mußten abbrechen, denn eben kam<lb/>
Julie wieder zurück und winkte Leontinen heimlich<lb/>
mit den Augen, als &#x017F;ey etwas Bewußtes glücklich<lb/>
vollbracht.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[374/0380] Bedienten nach meinem Schloß. Der vermeynte Bräutigam, der noch dort war, ließ es ſich durch¬ aus nicht nehmen, die Romanze, wie er es nann¬ te, mitzumachen. Er ſchmückte ſich in aller Eile ſehr phantaſtiſch und abentheuerlich aus, bewaffne¬ te ſich mit einem Schwerdt, einer Flinte und meh¬ reren Piſtolen, obſchon die Feinde mein Schloß längſt wieder verlaſſen hatten, da es ihnen jetzt, bey dem großen Vorſprunge der Unſrigen, ganz unnütz geworden war. Julie ſuchte unermüdlich zwiſchen den zuſammengefallenen Steinen, erkann¬ te mich endlich und trug mich ſelbſt aus den dam¬ pfenden Trümmern. Der Bräutigam machte ein Sonett darauf und Julie heilte mich zu Hauſe aus. Da aber meine Vertheidigung des Schloſſes als unberufen, und, in einem bereits eroberten Lande, als rebelliſch angeſehen wird, ſo wurde mir vom Feinde nachgeſtellt und ich befand mich auf dem Schloſſe des Herrn v. A. nicht mehr ſicher. Man brachte mich daher auf dieſe abgelegene Mühle hier, wo mich Julie täglich beſucht, bis ich endlich jetzt wieder ganz hergeſtellt bin. So endigte Leontin ſeine Erzählung. — Und wohin willſt Du nun? fragte Friedrich. Jetzt weiß ich nichts mehr in der Welt, ſagte Leontin unmu¬ thig. — Sie mußten abbrechen, denn eben kam Julie wieder zurück und winkte Leontinen heimlich mit den Augen, als ſey etwas Bewußtes glücklich vollbracht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/380
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/380>, abgerufen am 22.11.2024.