zu ihm hinab: Das Pack da unten ist mir uner¬ träglich; wie sie hinter mir drein quickerten, als ich vorher hinaufstieg! Ich bleibe in den Bergen oben, lebe wohl, Bruder! Hierauf wandte er sich wieder weiter und kam nicht mehr zum Vorschein.
Der Abend rückte heran, in den Thälern wur¬ de es schon dunkel. Die Jagd schien geendigt, nur einzelne kühne Schützen sah man noch hin und wieder an den Klippen hängen, von den letzten Wider¬ scheinen der Abendsonne scharf beleuchtet. Friedrich stand eben in höchster Einsamkeit an seine Flinte ge¬ lehnt, als er in einiger Entfernung im Walde sin¬ gen hörte:
Dämm'rung will die Flügel spreiten,
Schaurig rühren sich die Bäume, Wolken zieh'n wie schwere Träume -- Was will dieses Grau'n bedeuten?
Hast ein Reh Du, lieb vor andern,
Laß es nicht alleine grasen, Jäger zieh'n im Wald' und blasen, Stimmen hin und wieder wandern.
Hast Du einen Freund hienieden,
Trau' ihm nicht zu dieser Stunde, Freundlich wohl mit Aug' und Munde, Sinnt er Krieg im tück'schen Frieden.
Was heut müde gehet unter,
Hebt sich morgen neugebohren. Manches bleibt in Nacht verlohren -- Hüte Dich, bleib' wach und munter!
zu ihm hinab: Das Pack da unten iſt mir uner¬ träglich; wie ſie hinter mir drein quickerten, als ich vorher hinaufſtieg! Ich bleibe in den Bergen oben, lebe wohl, Bruder! Hierauf wandte er ſich wieder weiter und kam nicht mehr zum Vorſchein.
Der Abend rückte heran, in den Thälern wur¬ de es ſchon dunkel. Die Jagd ſchien geendigt, nur einzelne kühne Schützen ſah man noch hin und wieder an den Klippen hängen, von den letzten Wider¬ ſcheinen der Abendſonne ſcharf beleuchtet. Friedrich ſtand eben in höchſter Einſamkeit an ſeine Flinte ge¬ lehnt, als er in einiger Entfernung im Walde ſin¬ gen hörte:
Dämm'rung will die Flügel ſpreiten,
Schaurig rühren ſich die Bäume, Wolken zieh'n wie ſchwere Träume — Was will dieſes Grau'n bedeuten?
Haſt ein Reh Du, lieb vor andern,
Laß es nicht alleine graſen, Jäger zieh'n im Wald' und blaſen, Stimmen hin und wieder wandern.
Haſt Du einen Freund hienieden,
Trau' ihm nicht zu dieſer Stunde, Freundlich wohl mit Aug' und Munde, Sinnt er Krieg im tück'ſchen Frieden.
Was heut müde gehet unter,
Hebt ſich morgen neugebohren. Manches bleibt in Nacht verlohren — Hüte Dich, bleib' wach und munter!
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zu ihm hinab: Das Pack da unten iſt mir uner¬
träglich; wie ſie hinter mir drein quickerten, als
ich vorher hinaufſtieg! Ich bleibe in den Bergen
oben, lebe wohl, Bruder! Hierauf wandte er ſich
wieder weiter und kam nicht mehr zum Vorſchein.
Der Abend rückte heran, in den Thälern wur¬
de es ſchon dunkel. Die Jagd ſchien geendigt, nur
einzelne kühne Schützen ſah man noch hin und wieder
an den Klippen hängen, von den letzten Wider¬
ſcheinen der Abendſonne ſcharf beleuchtet. Friedrich
ſtand eben in höchſter Einſamkeit an ſeine Flinte ge¬
lehnt, als er in einiger Entfernung im Walde ſin¬
gen hörte:
Dämm'rung will die Flügel ſpreiten,
Schaurig rühren ſich die Bäume,
Wolken zieh'n wie ſchwere Träume —
Was will dieſes Grau'n bedeuten?
Haſt ein Reh Du, lieb vor andern,
Laß es nicht alleine graſen,
Jäger zieh'n im Wald' und blaſen,
Stimmen hin und wieder wandern.
Haſt Du einen Freund hienieden,
Trau' ihm nicht zu dieſer Stunde,
Freundlich wohl mit Aug' und Munde,
Sinnt er Krieg im tück'ſchen Frieden.
Was heut müde gehet unter,
Hebt ſich morgen neugebohren.
Manches bleibt in Nacht verlohren —
Hüte Dich, bleib' wach und munter!
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/320>, abgerufen am 16.07.2024.
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