zu fallen. Aber das Unglück wollte, daß er eben nicht zu Hause war. Da stand sie im Vorhaus und weinte bitterlich. Mehrere Thüren giengen indeß im Hause auf und zu, Bediente eilten hin und her über die Gänge. Sie konnte nicht länger weilen, ohne verrathen zu werden.
Die Furcht, so allein und zu dieser Zeit auf der Gasse erkannt zu werden, trieb sie schnell durch die Gassen zurück, das Gesicht tief in den seidenen Mantel gehüllt. Aber das Geschick war in seiner teuflischen Laune. Als sie eben um eine Ecke bog, stand der Prinz plötzlich vor ihr. Eine Laterne schien ihr grade ins Gesicht, er hatte sie erkannt. Ohne irgend ein Erstaunen zu äussern, bot er ihr den Arm, um sie nach Hause zu begleiten. Sie sagte nichts, sondern hieng kraftlos und vernichtet vor Schaam an seinem Arm. Er wunderte sich nicht, er lächelte nicht, er fragte um nichts, son¬ dern sprach artig von gewöhnlichen Dingen. -- Als sie an ihr Haus kamen, bat er sie scherzend um ei¬ nen Kuß. Sie willigte verwirrt ein, er umschlang sie heftig und küßte sie zum erstenmal. Eine lange Gestalt stand indeß unbemerkt gegenüber an der Mauer und kam plötzlich auf den Prinzen los. Der Prinz, der sich nichts Gutes versah, sprang schnell in ein Nebenhaus und schloß die Thüre hinter sich zu. Es war Friedrich, den der Zufall eben hier vorbeygeführt hatte. Sie hatten beyde einander nicht erkannt. Er saß noch die halbe Nacht dort auf der Schwelle des Hauses und lauerte auf den
zu fallen. Aber das Unglück wollte, daß er eben nicht zu Hauſe war. Da ſtand ſie im Vorhaus und weinte bitterlich. Mehrere Thüren giengen indeß im Hauſe auf und zu, Bediente eilten hin und her über die Gänge. Sie konnte nicht länger weilen, ohne verrathen zu werden.
Die Furcht, ſo allein und zu dieſer Zeit auf der Gaſſe erkannt zu werden, trieb ſie ſchnell durch die Gaſſen zurück, das Geſicht tief in den ſeidenen Mantel gehüllt. Aber das Geſchick war in ſeiner teufliſchen Laune. Als ſie eben um eine Ecke bog, ſtand der Prinz plötzlich vor ihr. Eine Laterne ſchien ihr grade ins Geſicht, er hatte ſie erkannt. Ohne irgend ein Erſtaunen zu äuſſern, bot er ihr den Arm, um ſie nach Hauſe zu begleiten. Sie ſagte nichts, ſondern hieng kraftlos und vernichtet vor Schaam an ſeinem Arm. Er wunderte ſich nicht, er lächelte nicht, er fragte um nichts, ſon¬ dern ſprach artig von gewöhnlichen Dingen. — Als ſie an ihr Haus kamen, bat er ſie ſcherzend um ei¬ nen Kuß. Sie willigte verwirrt ein, er umſchlang ſie heftig und küßte ſie zum erſtenmal. Eine lange Geſtalt ſtand indeß unbemerkt gegenüber an der Mauer und kam plötzlich auf den Prinzen los. Der Prinz, der ſich nichts Gutes verſah, ſprang ſchnell in ein Nebenhaus und ſchloß die Thüre hinter ſich zu. Es war Friedrich, den der Zufall eben hier vorbeygeführt hatte. Sie hatten beyde einander nicht erkannt. Er ſaß noch die halbe Nacht dort auf der Schwelle des Hauſes und lauerte auf den
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zu fallen. Aber das Unglück wollte, daß er eben
nicht zu Hauſe war. Da ſtand ſie im Vorhaus und
weinte bitterlich. Mehrere Thüren giengen indeß
im Hauſe auf und zu, Bediente eilten hin und her
über die Gänge. Sie konnte nicht länger weilen,
ohne verrathen zu werden.
Die Furcht, ſo allein und zu dieſer Zeit auf
der Gaſſe erkannt zu werden, trieb ſie ſchnell durch
die Gaſſen zurück, das Geſicht tief in den ſeidenen
Mantel gehüllt. Aber das Geſchick war in ſeiner
teufliſchen Laune. Als ſie eben um eine Ecke bog,
ſtand der Prinz plötzlich vor ihr. Eine Laterne
ſchien ihr grade ins Geſicht, er hatte ſie erkannt.
Ohne irgend ein Erſtaunen zu äuſſern, bot er ihr
den Arm, um ſie nach Hauſe zu begleiten. Sie
ſagte nichts, ſondern hieng kraftlos und vernichtet
vor Schaam an ſeinem Arm. Er wunderte ſich
nicht, er lächelte nicht, er fragte um nichts, ſon¬
dern ſprach artig von gewöhnlichen Dingen. — Als
ſie an ihr Haus kamen, bat er ſie ſcherzend um ei¬
nen Kuß. Sie willigte verwirrt ein, er umſchlang
ſie heftig und küßte ſie zum erſtenmal. Eine lange
Geſtalt ſtand indeß unbemerkt gegenüber an der
Mauer und kam plötzlich auf den Prinzen los. Der
Prinz, der ſich nichts Gutes verſah, ſprang ſchnell
in ein Nebenhaus und ſchloß die Thüre hinter ſich
zu. Es war Friedrich, den der Zufall eben hier
vorbeygeführt hatte. Sie hatten beyde einander
nicht erkannt. Er ſaß noch die halbe Nacht dort
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/316>, abgerufen am 23.11.2024.
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