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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Erwin war mit unbegreiflicher Schnelligkeit reisefer¬
tig. Friedrich erstaunte, ihn auf einmal ganz mun¬
ter und gesund zu sehen. Mit funkelnden Augen
sprang er mit in den Wagen, und so rasselten sie
durch das stille Thor ins Freye hinaus.

Sie fuhren schnell, durch unübersehbar stille
Felder, durch einen dunkeldichten Wald, später zwi¬
schen engen hohen Bergen, an deren Fuß manch
Städtlein zu liegen schien, ein Fluß, den sie nicht
sahen, rauschte immerfort seitwärts unter der Stra¬
ße, alles feenhaft verworren. Leontin erzählte ein
Mährchen, mit den wechselnden Wundern der Nacht,
wie sie sich die Seele ausmahlte, in Worten kühle
spielend. Friedrich schaute still in die Nacht, Erwin
ihm gegenüber hatte die Augen weit offen, die un¬
ausgesetzt, so lange es dunkel war, auf ihn gehef¬
tet schienen, der Postillon blies oft dazwischen.
Der Tag fieng indeß an von der einen Seite zu
hellen, sie erkannten nach und nach ihre Gesichter
wieder, einzelne zu früh erwachte Lerchen schwirr¬
ten schon, wie halb im Schlafe, hoch in den Lüf¬
ten ihr endloses Lied, es wurde herrlich kühl.

Bald darauf langten sie an dem Gebirgsstädt¬
chen an, wohin sie wollten. Das Thor war noch
geschlossen. Der Thorwächter trat schlaftrunken her¬
aus, wünschte ihnen einen guten Morgen und prieß
die Reisenden glückselig und beneidenswerth in die¬
ser Jahrszeit. In dem Städtchen war noch alles
leer und still. Nur einzelne Nachtigallen von den
Fenstern und unzählige von den Bergen über dem

Erwin war mit unbegreiflicher Schnelligkeit reiſefer¬
tig. Friedrich erſtaunte, ihn auf einmal ganz mun¬
ter und geſund zu ſehen. Mit funkelnden Augen
ſprang er mit in den Wagen, und ſo raſſelten ſie
durch das ſtille Thor ins Freye hinaus.

Sie fuhren ſchnell, durch unüberſehbar ſtille
Felder, durch einen dunkeldichten Wald, ſpäter zwi¬
ſchen engen hohen Bergen, an deren Fuß manch
Städtlein zu liegen ſchien, ein Fluß, den ſie nicht
ſahen, rauſchte immerfort ſeitwärts unter der Stra¬
ße, alles feenhaft verworren. Leontin erzählte ein
Mährchen, mit den wechſelnden Wundern der Nacht,
wie ſie ſich die Seele ausmahlte, in Worten kühle
ſpielend. Friedrich ſchaute ſtill in die Nacht, Erwin
ihm gegenüber hatte die Augen weit offen, die un¬
ausgeſetzt, ſo lange es dunkel war, auf ihn gehef¬
tet ſchienen, der Poſtillon blies oft dazwiſchen.
Der Tag fieng indeß an von der einen Seite zu
hellen, ſie erkannten nach und nach ihre Geſichter
wieder, einzelne zu früh erwachte Lerchen ſchwirr¬
ten ſchon, wie halb im Schlafe, hoch in den Lüf¬
ten ihr endloſes Lied, es wurde herrlich kühl.

Bald darauf langten ſie an dem Gebirgsſtädt¬
chen an, wohin ſie wollten. Das Thor war noch
geſchloſſen. Der Thorwächter trat ſchlaftrunken her¬
aus, wünſchte ihnen einen guten Morgen und prieß
die Reiſenden glückſelig und beneidenswerth in die¬
ſer Jahrszeit. In dem Städtchen war noch alles
leer und ſtill. Nur einzelne Nachtigallen von den
Fenſtern und unzählige von den Bergen über dem

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[277/0283] Erwin war mit unbegreiflicher Schnelligkeit reiſefer¬ tig. Friedrich erſtaunte, ihn auf einmal ganz mun¬ ter und geſund zu ſehen. Mit funkelnden Augen ſprang er mit in den Wagen, und ſo raſſelten ſie durch das ſtille Thor ins Freye hinaus. Sie fuhren ſchnell, durch unüberſehbar ſtille Felder, durch einen dunkeldichten Wald, ſpäter zwi¬ ſchen engen hohen Bergen, an deren Fuß manch Städtlein zu liegen ſchien, ein Fluß, den ſie nicht ſahen, rauſchte immerfort ſeitwärts unter der Stra¬ ße, alles feenhaft verworren. Leontin erzählte ein Mährchen, mit den wechſelnden Wundern der Nacht, wie ſie ſich die Seele ausmahlte, in Worten kühle ſpielend. Friedrich ſchaute ſtill in die Nacht, Erwin ihm gegenüber hatte die Augen weit offen, die un¬ ausgeſetzt, ſo lange es dunkel war, auf ihn gehef¬ tet ſchienen, der Poſtillon blies oft dazwiſchen. Der Tag fieng indeß an von der einen Seite zu hellen, ſie erkannten nach und nach ihre Geſichter wieder, einzelne zu früh erwachte Lerchen ſchwirr¬ ten ſchon, wie halb im Schlafe, hoch in den Lüf¬ ten ihr endloſes Lied, es wurde herrlich kühl. Bald darauf langten ſie an dem Gebirgsſtädt¬ chen an, wohin ſie wollten. Das Thor war noch geſchloſſen. Der Thorwächter trat ſchlaftrunken her¬ aus, wünſchte ihnen einen guten Morgen und prieß die Reiſenden glückſelig und beneidenswerth in die¬ ſer Jahrszeit. In dem Städtchen war noch alles leer und ſtill. Nur einzelne Nachtigallen von den Fenſtern und unzählige von den Bergen über dem

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/283>, abgerufen am 25.11.2024.