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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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ben an den ersten besten Buchhändler, wenn es eng
genug wäre, sich in einigen hundert Versen ausfin¬
gern zu lassen. Sehr gut, erwiederte Faber mit
jener Ruhe, welche das Bewußtseyn eines redli¬
chen, ernsthaften Strebens giebt, wir alle sollen
nach allgemeiner Ausbildung und Thätigkeit, nach
dem Verein aller Dinge mit Gott streben; aber wer
von seinem Einzelnen, wenn es überhaupt ein sol¬
ches giebt, es sey Staats- Dicht- oder Kriegs-
Kunst, recht wahrhaft und innig, d. h. christlich
durchdrungen ward, der ist ja eben dadurch allge¬
mein. Denn nimm du einen einzelnen Ring aus
der Kette, so ist es die Kette nicht mehr, folglich ist
eben der Ring auch die Kette. Friedrich sagte: Um
aber ein Ring in der Kette zu seyn, mußt du eben¬
falls tüchtig von Eisen und aus Einem Gusse mit
dem Ganzen seyn, und das meynte ich. Leontin
verwickelte sie hier durch ein vielfaches Wortspiel der¬
gestalt in ihre Kette, daß sie beyde nicht weiter
konnten.

Diese strebende webende Lebensart schien Frie¬
drich'n einigermassen von Rosa zu entfernen, denn
jede große innerliche Thätigkeit macht äusserlich still.
Es schien aber auch nur so, denn eigentlich hatte
seine Liebe zu Rosa, ohne daß er selbst es wußte,
einen großen Antheil an seinem Ringen nach dem
Höchsten. So wie die Erde in tausend Stämmen,
Strömen und Blüthen treibt und singt, wenn sie
der alles belebenden Sonne zugewendet, so ist auch
das menschliche Gemüth zu allem Großen freudig in

ben an den erſten beſten Buchhändler, wenn es eng
genug wäre, ſich in einigen hundert Verſen ausfin¬
gern zu laſſen. Sehr gut, erwiederte Faber mit
jener Ruhe, welche das Bewußtſeyn eines redli¬
chen, ernſthaften Strebens giebt, wir alle ſollen
nach allgemeiner Ausbildung und Thätigkeit, nach
dem Verein aller Dinge mit Gott ſtreben; aber wer
von ſeinem Einzelnen, wenn es überhaupt ein ſol¬
ches giebt, es ſey Staats- Dicht- oder Kriegs-
Kunſt, recht wahrhaft und innig, d. h. chriſtlich
durchdrungen ward, der iſt ja eben dadurch allge¬
mein. Denn nimm du einen einzelnen Ring aus
der Kette, ſo iſt es die Kette nicht mehr, folglich iſt
eben der Ring auch die Kette. Friedrich ſagte: Um
aber ein Ring in der Kette zu ſeyn, mußt du eben¬
falls tüchtig von Eiſen und aus Einem Guſſe mit
dem Ganzen ſeyn, und das meynte ich. Leontin
verwickelte ſie hier durch ein vielfaches Wortſpiel der¬
geſtalt in ihre Kette, daß ſie beyde nicht weiter
konnten.

Dieſe ſtrebende webende Lebensart ſchien Frie¬
drich'n einigermaſſen von Roſa zu entfernen, denn
jede große innerliche Thätigkeit macht äuſſerlich ſtill.
Es ſchien aber auch nur ſo, denn eigentlich hatte
ſeine Liebe zu Roſa, ohne daß er ſelbſt es wußte,
einen großen Antheil an ſeinem Ringen nach dem
Höchſten. So wie die Erde in tauſend Stämmen,
Strömen und Blüthen treibt und ſingt, wenn ſie
der alles belebenden Sonne zugewendet, ſo iſt auch
das menſchliche Gemüth zu allem Großen freudig in

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[260/0266] ben an den erſten beſten Buchhändler, wenn es eng genug wäre, ſich in einigen hundert Verſen ausfin¬ gern zu laſſen. Sehr gut, erwiederte Faber mit jener Ruhe, welche das Bewußtſeyn eines redli¬ chen, ernſthaften Strebens giebt, wir alle ſollen nach allgemeiner Ausbildung und Thätigkeit, nach dem Verein aller Dinge mit Gott ſtreben; aber wer von ſeinem Einzelnen, wenn es überhaupt ein ſol¬ ches giebt, es ſey Staats- Dicht- oder Kriegs- Kunſt, recht wahrhaft und innig, d. h. chriſtlich durchdrungen ward, der iſt ja eben dadurch allge¬ mein. Denn nimm du einen einzelnen Ring aus der Kette, ſo iſt es die Kette nicht mehr, folglich iſt eben der Ring auch die Kette. Friedrich ſagte: Um aber ein Ring in der Kette zu ſeyn, mußt du eben¬ falls tüchtig von Eiſen und aus Einem Guſſe mit dem Ganzen ſeyn, und das meynte ich. Leontin verwickelte ſie hier durch ein vielfaches Wortſpiel der¬ geſtalt in ihre Kette, daß ſie beyde nicht weiter konnten. Dieſe ſtrebende webende Lebensart ſchien Frie¬ drich'n einigermaſſen von Roſa zu entfernen, denn jede große innerliche Thätigkeit macht äuſſerlich ſtill. Es ſchien aber auch nur ſo, denn eigentlich hatte ſeine Liebe zu Roſa, ohne daß er ſelbſt es wußte, einen großen Antheil an ſeinem Ringen nach dem Höchſten. So wie die Erde in tauſend Stämmen, Strömen und Blüthen treibt und ſingt, wenn ſie der alles belebenden Sonne zugewendet, ſo iſt auch das menſchliche Gemüth zu allem Großen freudig in

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/266>, abgerufen am 25.11.2024.