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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Und im purpurnem Talare
Feyerlich den Reigen führen.
Andre schweben lispelnd lose,
Andre müssen männlich lärmen,
Rittern reissen aus die Roße
Und die schreyen gar erbärmlich.
Bis sie endlich alle müde
Wieder kommen zu Verstande,
Mit der ganzen Welt im Frieden,
Legen ab die Maskerade.
"Jäger sind wir nicht, noch Ritter,"
Hört man sie von fern noch summen,
"Spiel nur war das -- wir sind Dichter!" --
So vertost der ganze Plunder,
Nüchtern liegt die Welt wie ehe,
Und die Zaub'rin bey dem Alten
Spielt die vor'gen Spiele wieder
Einsam wohl noch lange Jahre. --

Die Gräfin, die zuletzt mit ihrem schönen, be¬
geisterten Gesicht einer welschen Improvisatorin glich,
unterbrach sich hier plötzlich selber, indem sie laut
auflachte, ohne daß jemand wußte, warum? Ver¬
wundert fragte alles durcheinander: Was lachen
Sie? Ist die Allegorie schon geschlossen? Ist das
nicht die Poesie? -- Ich weiß nicht, ich weiß nicht,
ich weiß nicht, sagte die Gräfin lustig und sprang
auf.

Von allen Seiten wurden nun die flüchtigen
Verse besprochen. Einige hielten die Prinzessin im
Gedicht für die Venus, andere nannten sie die
Schönheit, andere nannten sie die Poesie des Le¬
bens. -- Es mag wohl die Gräfin selber seyn,

Und im purpurnem Talare
Feyerlich den Reigen führen.
Andre ſchweben liſpelnd loſe,
Andre müſſen männlich lärmen,
Rittern reiſſen aus die Roße
Und die ſchreyen gar erbärmlich.
Bis ſie endlich alle müde
Wieder kommen zu Verſtande,
Mit der ganzen Welt im Frieden,
Legen ab die Maſkerade.
„Jäger ſind wir nicht, noch Ritter,“
Hört man ſie von fern noch ſummen,
„Spiel nur war das — wir ſind Dichter!“ —
So vertoſt der ganze Plunder,
Nüchtern liegt die Welt wie ehe,
Und die Zaub'rin bey dem Alten
Spielt die vor'gen Spiele wieder
Einſam wohl noch lange Jahre. —

Die Gräfin, die zuletzt mit ihrem ſchönen, be¬
geiſterten Geſicht einer welſchen Improviſatorin glich,
unterbrach ſich hier plötzlich ſelber, indem ſie laut
auflachte, ohne daß jemand wußte, warum? Ver¬
wundert fragte alles durcheinander: Was lachen
Sie? Iſt die Allegorie ſchon geſchloſſen? Iſt das
nicht die Poeſie? — Ich weiß nicht, ich weiß nicht,
ich weiß nicht, ſagte die Gräfin luſtig und ſprang
auf.

Von allen Seiten wurden nun die flüchtigen
Verſe beſprochen. Einige hielten die Prinzeſſin im
Gedicht für die Venus, andere nannten ſie die
Schönheit, andere nannten ſie die Poeſie des Le¬
bens. — Es mag wohl die Gräfin ſelber ſeyn,

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[215/0221] Und im purpurnem Talare Feyerlich den Reigen führen. Andre ſchweben liſpelnd loſe, Andre müſſen männlich lärmen, Rittern reiſſen aus die Roße Und die ſchreyen gar erbärmlich. Bis ſie endlich alle müde Wieder kommen zu Verſtande, Mit der ganzen Welt im Frieden, Legen ab die Maſkerade. „Jäger ſind wir nicht, noch Ritter,“ Hört man ſie von fern noch ſummen, „Spiel nur war das — wir ſind Dichter!“ — So vertoſt der ganze Plunder, Nüchtern liegt die Welt wie ehe, Und die Zaub'rin bey dem Alten Spielt die vor'gen Spiele wieder Einſam wohl noch lange Jahre. — Die Gräfin, die zuletzt mit ihrem ſchönen, be¬ geiſterten Geſicht einer welſchen Improviſatorin glich, unterbrach ſich hier plötzlich ſelber, indem ſie laut auflachte, ohne daß jemand wußte, warum? Ver¬ wundert fragte alles durcheinander: Was lachen Sie? Iſt die Allegorie ſchon geſchloſſen? Iſt das nicht die Poeſie? — Ich weiß nicht, ich weiß nicht, ich weiß nicht, ſagte die Gräfin luſtig und ſprang auf. Von allen Seiten wurden nun die flüchtigen Verſe beſprochen. Einige hielten die Prinzeſſin im Gedicht für die Venus, andere nannten ſie die Schönheit, andere nannten ſie die Poeſie des Le¬ bens. — Es mag wohl die Gräfin ſelber ſeyn,

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/221>, abgerufen am 21.11.2024.