Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.Garten und sah noch einmal von dem Berge in die O Thäler weit, o Höhen, O schöner, grüner Wald,Du meiner Lust und Wehen Andächt'ger Aufenthalt! Da draussen, stets betrogen, Saust die geschäft'ge Welt, Schlag' noch einmal die Bogen Um mich, du grünes Zelt! Wann es beginnt zu tagen, Die Erde dampft und blinkt,Die Vögel lustig schlagen, Daß dir dein Herz erklingt: Da mag vergeh'n, verwehen Das trübe Erdenleid Da sollst du auferstehen In junger Herrlichkeit. Da steht im Wald geschrieben Ein stilles, ernstes Wort,Von rechtem Thun und Lieben, Und was des Menschen Hort. Ich habe treu gelesen Die Worte schlicht und wahr, Und durch mein ganzes Wesen Ward's unaussprechlich klar. Garten und ſah noch einmal von dem Berge in die O Thäler weit, o Höhen, O ſchöner, grüner Wald,Du meiner Luſt und Wehen Andächt'ger Aufenthalt! Da drauſſen, ſtets betrogen, Saust die geſchäft'ge Welt, Schlag' noch einmal die Bogen Um mich, du grünes Zelt! Wann es beginnt zu tagen, Die Erde dampft und blinkt,Die Vögel luſtig ſchlagen, Daß dir dein Herz erklingt: Da mag vergeh'n, verwehen Das trübe Erdenleid Da ſollſt du auferſtehen In junger Herrlichkeit. Da ſteht im Wald geſchrieben Ein ſtilles, ernſtes Wort,Von rechtem Thun und Lieben, Und was des Menſchen Hort. Ich habe treu geleſen Die Worte ſchlicht und wahr, Und durch mein ganzes Weſen Ward's unausſprechlich klar. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0175" n="169"/> Garten und ſah noch einmal von dem Berge in die<lb/> herrlichen Thäler hinaus. Auch das ſtille, kühle<lb/> Plätzchen, wo er ſo oft gedichtet und glücklich ge¬<lb/> weſen, beſuchte er. Wie im Fluge ſchrieb er dort<lb/> folgende Verse in ſeine Schreibtafel:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l rendition="#et">O Thäler weit, o Höhen,</l><lb/> <l>O ſchöner, grüner Wald,</l><lb/> <l>Du meiner Luſt und Wehen</l><lb/> <l>Andächt'ger Aufenthalt!</l><lb/> <l>Da drauſſen, ſtets betrogen,</l><lb/> <l>Saust die geſchäft'ge Welt,</l><lb/> <l>Schlag' noch einmal die Bogen</l><lb/> <l>Um mich, du grünes Zelt!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l rendition="#et">Wann es beginnt zu tagen,</l><lb/> <l>Die Erde dampft und blinkt,</l><lb/> <l>Die Vögel luſtig ſchlagen,</l><lb/> <l>Daß dir dein Herz erklingt:</l><lb/> <l>Da mag vergeh'n, verwehen</l><lb/> <l>Das trübe Erdenleid</l><lb/> <l>Da ſollſt du auferſtehen</l><lb/> <l>In junger Herrlichkeit.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l rendition="#et">Da ſteht im Wald geſchrieben</l><lb/> <l>Ein ſtilles, ernſtes Wort,</l><lb/> <l>Von rechtem Thun und Lieben,</l><lb/> <l>Und was des Menſchen Hort.</l><lb/> <l>Ich habe treu geleſen</l><lb/> <l>Die Worte ſchlicht und wahr,</l><lb/> <l>Und durch mein ganzes Weſen</l><lb/> <l>Ward's unausſprechlich klar.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [169/0175]
Garten und ſah noch einmal von dem Berge in die
herrlichen Thäler hinaus. Auch das ſtille, kühle
Plätzchen, wo er ſo oft gedichtet und glücklich ge¬
weſen, beſuchte er. Wie im Fluge ſchrieb er dort
folgende Verse in ſeine Schreibtafel:
O Thäler weit, o Höhen,
O ſchöner, grüner Wald,
Du meiner Luſt und Wehen
Andächt'ger Aufenthalt!
Da drauſſen, ſtets betrogen,
Saust die geſchäft'ge Welt,
Schlag' noch einmal die Bogen
Um mich, du grünes Zelt!
Wann es beginnt zu tagen,
Die Erde dampft und blinkt,
Die Vögel luſtig ſchlagen,
Daß dir dein Herz erklingt:
Da mag vergeh'n, verwehen
Das trübe Erdenleid
Da ſollſt du auferſtehen
In junger Herrlichkeit.
Da ſteht im Wald geſchrieben
Ein ſtilles, ernſtes Wort,
Von rechtem Thun und Lieben,
Und was des Menſchen Hort.
Ich habe treu geleſen
Die Worte ſchlicht und wahr,
Und durch mein ganzes Weſen
Ward's unausſprechlich klar.
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