Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht, was er wider ihn hat. Der Marquis
ist hier in allen gebildeten Gesellschaften beliebt
und ein geistreicher Mann. Ich weiß gewiß,
Du und der Marquis werdet die besten Freun¬
de werden. Denn er macht auch Verse, und
von der Musik ist er ein großer Kenner. Ue¬
brigens lebe ich hier recht glücklich, so gut es
Deine Rosa ohne Dich seyn kann. Ich bekom¬
me und erwiedere Besuche, mache Landparthien
u. s. w. Dabey fällt mir immer ein, wie ganz
anders Du doch eigentlich bist, als alle diese
Leute, und dann wird mir mitten in dem
Schwarme so bange, daß ich mich oft heimlich
wegschleichen muß, um mich recht auszuweinen.
-- Die junge, schöne Gräfin Romana, die mich
alle Morgen an der Toilette besucht, sagt mir
immer, wenn ich mich anziehe, daß meine Au¬
gen so schön wären, und wickelt sich meine
Haare um ihren Arm und küßt mich. -- Ich
denke dann immer an Dich. Du hast das auch
gesagt und gethan, und nun bleibst Du auf
einmal so lange aus. Ich bitte Dich, wenn
Du mir gut bist, laß mich nicht so allein; es
ist nicht gut so. --

Ich hatte mich gestern so eben erst recht
eingeschrieben und hatte Dir noch so viel zu sa¬
gen, da wurde ich zu meinem Verdruße durch
einen Besuch unterbrochen. Jezt ist es schon
zu spät, da die Post sogleich abgeh'n wird.
Ich schließe also schnell in der Hoffnung, Dich
bald an mein liebendes Herz zu drücken.

nicht, was er wider ihn hat. Der Marquis
iſt hier in allen gebildeten Geſellſchaften beliebt
und ein geiſtreicher Mann. Ich weiß gewiß,
Du und der Marquis werdet die beſten Freun¬
de werden. Denn er macht auch Verſe, und
von der Muſik iſt er ein großer Kenner. Ue¬
brigens lebe ich hier recht glücklich, ſo gut es
Deine Roſa ohne Dich ſeyn kann. Ich bekom¬
me und erwiedere Beſuche, mache Landparthien
u. ſ. w. Dabey fällt mir immer ein, wie ganz
anders Du doch eigentlich biſt, als alle dieſe
Leute, und dann wird mir mitten in dem
Schwarme ſo bange, daß ich mich oft heimlich
wegſchleichen muß, um mich recht auszuweinen.
— Die junge, ſchöne Gräfin Romana, die mich
alle Morgen an der Toilette beſucht, ſagt mir
immer, wenn ich mich anziehe, daß meine Au¬
gen ſo ſchön wären, und wickelt ſich meine
Haare um ihren Arm und küßt mich. — Ich
denke dann immer an Dich. Du haſt das auch
geſagt und gethan, und nun bleibſt Du auf
einmal ſo lange aus. Ich bitte Dich, wenn
Du mir gut biſt, laß mich nicht ſo allein; es
iſt nicht gut ſo. —

Ich hatte mich geſtern ſo eben erſt recht
eingeſchrieben und hatte Dir noch ſo viel zu ſa¬
gen, da wurde ich zu meinem Verdruße durch
einen Beſuch unterbrochen. Jezt iſt es ſchon
zu ſpät, da die Poſt ſogleich abgeh'n wird.
Ich ſchließe alſo ſchnell in der Hoffnung, Dich
bald an mein liebendes Herz zu drücken.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <floatingText rendition="#et">
            <body>
              <div type="letter">
                <p><pb facs="#f0170" n="164"/>
nicht, was er wider ihn hat. Der Marquis<lb/>
i&#x017F;t hier in allen gebildeten Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften beliebt<lb/>
und ein gei&#x017F;treicher Mann. Ich weiß gewiß,<lb/>
Du und der Marquis werdet die be&#x017F;ten Freun¬<lb/>
de werden. Denn er macht auch Ver&#x017F;e, und<lb/>
von der Mu&#x017F;ik i&#x017F;t er ein großer Kenner. Ue¬<lb/>
brigens lebe ich hier recht glücklich, &#x017F;o gut es<lb/>
Deine Ro&#x017F;a ohne Dich &#x017F;eyn kann. Ich bekom¬<lb/>
me und erwiedere Be&#x017F;uche, mache Landparthien<lb/>
u. &#x017F;. w. Dabey fällt mir immer ein, wie ganz<lb/>
anders Du doch eigentlich bi&#x017F;t, als alle die&#x017F;e<lb/>
Leute, und dann wird mir mitten in dem<lb/>
Schwarme &#x017F;o bange, daß ich mich oft heimlich<lb/>
weg&#x017F;chleichen muß, um mich recht auszuweinen.<lb/>
&#x2014; Die junge, &#x017F;chöne Gräfin Romana, die mich<lb/>
alle Morgen an der Toilette be&#x017F;ucht, &#x017F;agt mir<lb/>
immer, wenn ich mich anziehe, daß meine Au¬<lb/>
gen &#x017F;o &#x017F;chön wären, und wickelt &#x017F;ich meine<lb/>
Haare um ihren Arm und küßt mich. &#x2014; Ich<lb/>
denke dann immer an Dich. Du ha&#x017F;t das auch<lb/>
ge&#x017F;agt und gethan, und nun bleib&#x017F;t Du auf<lb/>
einmal &#x017F;o lange aus. Ich bitte Dich, wenn<lb/>
Du mir gut bi&#x017F;t, laß mich nicht &#x017F;o allein; es<lb/>
i&#x017F;t nicht gut &#x017F;o. &#x2014;</p><lb/>
                <p>Ich hatte mich ge&#x017F;tern &#x017F;o eben er&#x017F;t recht<lb/>
einge&#x017F;chrieben und hatte Dir noch &#x017F;o viel zu &#x017F;<lb/>
gen, da wurde ich zu meinem Verdruße durch<lb/>
einen Be&#x017F;uch unterbrochen. Jezt i&#x017F;t es &#x017F;chon<lb/>
zu &#x017F;pät, da die Po&#x017F;t &#x017F;ogleich abgeh'n wird.<lb/>
Ich &#x017F;chließe al&#x017F;o &#x017F;chnell in der Hoffnung, Dich<lb/>
bald an mein liebendes Herz zu drücken.<lb/></p>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0170] nicht, was er wider ihn hat. Der Marquis iſt hier in allen gebildeten Geſellſchaften beliebt und ein geiſtreicher Mann. Ich weiß gewiß, Du und der Marquis werdet die beſten Freun¬ de werden. Denn er macht auch Verſe, und von der Muſik iſt er ein großer Kenner. Ue¬ brigens lebe ich hier recht glücklich, ſo gut es Deine Roſa ohne Dich ſeyn kann. Ich bekom¬ me und erwiedere Beſuche, mache Landparthien u. ſ. w. Dabey fällt mir immer ein, wie ganz anders Du doch eigentlich biſt, als alle dieſe Leute, und dann wird mir mitten in dem Schwarme ſo bange, daß ich mich oft heimlich wegſchleichen muß, um mich recht auszuweinen. — Die junge, ſchöne Gräfin Romana, die mich alle Morgen an der Toilette beſucht, ſagt mir immer, wenn ich mich anziehe, daß meine Au¬ gen ſo ſchön wären, und wickelt ſich meine Haare um ihren Arm und küßt mich. — Ich denke dann immer an Dich. Du haſt das auch geſagt und gethan, und nun bleibſt Du auf einmal ſo lange aus. Ich bitte Dich, wenn Du mir gut biſt, laß mich nicht ſo allein; es iſt nicht gut ſo. — Ich hatte mich geſtern ſo eben erſt recht eingeſchrieben und hatte Dir noch ſo viel zu ſa¬ gen, da wurde ich zu meinem Verdruße durch einen Beſuch unterbrochen. Jezt iſt es ſchon zu ſpät, da die Poſt ſogleich abgeh'n wird. Ich ſchließe alſo ſchnell in der Hoffnung, Dich bald an mein liebendes Herz zu drücken.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/170
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/170>, abgerufen am 27.11.2024.