bedacht seyn. Sie zogen sich daher auf den leeren Gängen des Gartens an den Spazierengehenden vorüber, und wurden so, vom Dunkel begünstigt, von allen entweder übersehen, oder für Ballgäste ge¬ halten.
Als sie, schon nahe am Ausgange, eben um die Ecke eines Ganges umbeugen wollten, stand auf einmal das schöne Fräulein, die mit einer Beglei¬ terin von der anderen Seite kam, dicht vor ihnen. Der Mondschein fiel grade sehr hell durch eine Oeff¬ nung der Bäume und beleuchtete die beyden schönen Männer. Das Fräulein blieb mit sichtbarer Ver¬ wirrung vor ihnen stehen. Sie grüßten sie ehrer¬ bietig. Sie dankte verlegen mit einer tiefen, zier¬ lichen Verbeugung, und eilte dann schnell wieder weiter. Aber sie bemerkten wohl, daß sie sich in einiger Entfernung noch einmal flüchtig nach ihnen umsah.
Sie kehrten nun wieder in ihr Wirthshaus zu¬ rück, wo sie bereits alles zu einer guten Nacht vor¬ bereitet fanden. Leontin war unterwegs voller Ge¬ danken und stiller als gewöhnlich. Friedrich stellte sich oben noch an das offene Fenster, von dem man das stille Dorf und den gestirnten Himmel übersah, verrichtete sein Abendgebeth und legte sich schlafen. Leontin aber nahm die Guitarre und schlenderte langsam durch das nächtliche Dorf. Nach verschie¬ denen Umwegen kam er wieder an den Garten. Da war unterdeß alles leer geworden und todten¬
bedacht ſeyn. Sie zogen ſich daher auf den leeren Gängen des Gartens an den Spazierengehenden vorüber, und wurden ſo, vom Dunkel begünſtigt, von allen entweder überſehen, oder für Ballgäſte ge¬ halten.
Als ſie, ſchon nahe am Ausgange, eben um die Ecke eines Ganges umbeugen wollten, ſtand auf einmal das ſchöne Fräulein, die mit einer Beglei¬ terin von der anderen Seite kam, dicht vor ihnen. Der Mondſchein fiel grade ſehr hell durch eine Oeff¬ nung der Bäume und beleuchtete die beyden ſchönen Männer. Das Fräulein blieb mit ſichtbarer Ver¬ wirrung vor ihnen ſtehen. Sie grüßten ſie ehrer¬ bietig. Sie dankte verlegen mit einer tiefen, zier¬ lichen Verbeugung, und eilte dann ſchnell wieder weiter. Aber ſie bemerkten wohl, daß ſie ſich in einiger Entfernung noch einmal flüchtig nach ihnen umſah.
Sie kehrten nun wieder in ihr Wirthshaus zu¬ rück, wo ſie bereits alles zu einer guten Nacht vor¬ bereitet fanden. Leontin war unterwegs voller Ge¬ danken und ſtiller als gewöhnlich. Friedrich ſtellte ſich oben noch an das offene Fenſter, von dem man das ſtille Dorf und den geſtirnten Himmel überſah, verrichtete ſein Abendgebeth und legte ſich ſchlafen. Leontin aber nahm die Guitarre und ſchlenderte langſam durch das nächtliche Dorf. Nach verſchie¬ denen Umwegen kam er wieder an den Garten. Da war unterdeß alles leer geworden und todten¬
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bedacht ſeyn. Sie zogen ſich daher auf den leeren
Gängen des Gartens an den Spazierengehenden
vorüber, und wurden ſo, vom Dunkel begünſtigt,
von allen entweder überſehen, oder für Ballgäſte ge¬
halten.
Als ſie, ſchon nahe am Ausgange, eben um
die Ecke eines Ganges umbeugen wollten, ſtand auf
einmal das ſchöne Fräulein, die mit einer Beglei¬
terin von der anderen Seite kam, dicht vor ihnen.
Der Mondſchein fiel grade ſehr hell durch eine Oeff¬
nung der Bäume und beleuchtete die beyden ſchönen
Männer. Das Fräulein blieb mit ſichtbarer Ver¬
wirrung vor ihnen ſtehen. Sie grüßten ſie ehrer¬
bietig. Sie dankte verlegen mit einer tiefen, zier¬
lichen Verbeugung, und eilte dann ſchnell wieder
weiter. Aber ſie bemerkten wohl, daß ſie ſich in
einiger Entfernung noch einmal flüchtig nach ihnen
umſah.
Sie kehrten nun wieder in ihr Wirthshaus zu¬
rück, wo ſie bereits alles zu einer guten Nacht vor¬
bereitet fanden. Leontin war unterwegs voller Ge¬
danken und ſtiller als gewöhnlich. Friedrich ſtellte
ſich oben noch an das offene Fenſter, von dem man
das ſtille Dorf und den geſtirnten Himmel überſah,
verrichtete ſein Abendgebeth und legte ſich ſchlafen.
Leontin aber nahm die Guitarre und ſchlenderte
langſam durch das nächtliche Dorf. Nach verſchie¬
denen Umwegen kam er wieder an den Garten.
Da war unterdeß alles leer geworden und todten¬
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/106>, abgerufen am 27.11.2024.
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