Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895].

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn sie die Sache bloß irdisch auffassen,
so wird es sie erbittern, daß sie zu lebens-
länglicher Not verurteilt sind, während andere
neben ihnen schwelgen können, es wird sie
schmerzen, daß sie ihren Kindern nur das
nackte Leben und eine abhängige Lebens-
stellung hinterlassen können, während bei
andern mühelos Reichtum und Ueberfluß auf
die Kinder übergehen. Wie nahe liegen da
Neid und Mißgunst gegen fremdes Glück,
und Unzufriedenheit und Groll über sein
eigenes Schicksal! Durch eine unchristliche
Auffassung des Lebens werden die täglichen
Sorgen des gemeinen Mannes eigentlich ver-
giftet und zur Unerträglichkeit gesteigert.
Wehe ihm und seiner Familie, wenn er in
dem gleichen unchristlichen Geiste sich dieser
Sorgen zu entledigen sucht, indem er in halber
Verzweiflung sich in den sinnlichen Genuß
stürzt, oder die Faust ballt zum Umsturz der
bestehenden Gesellschaft. Diese Verirrung ist
heutzutage so begreiflich, daß man sie mehr
beklagen als anklagen muß. Sie ist doppelt
bemitleidenswert, weil der wahre Trost so
nahe liegt.

Es sind viel weniger die äußern Ver-
hältnisse, welche den Menschen glücklich oder

Wenn sie die Sache bloß irdisch auffassen,
so wird es sie erbittern, daß sie zu lebens-
länglicher Not verurteilt sind, während andere
neben ihnen schwelgen können, es wird sie
schmerzen, daß sie ihren Kindern nur das
nackte Leben und eine abhängige Lebens-
stellung hinterlassen können, während bei
andern mühelos Reichtum und Ueberfluß auf
die Kinder übergehen. Wie nahe liegen da
Neid und Mißgunst gegen fremdes Glück,
und Unzufriedenheit und Groll über sein
eigenes Schicksal! Durch eine unchristliche
Auffassung des Lebens werden die täglichen
Sorgen des gemeinen Mannes eigentlich ver-
giftet und zur Unerträglichkeit gesteigert.
Wehe ihm und seiner Familie, wenn er in
dem gleichen unchristlichen Geiste sich dieser
Sorgen zu entledigen sucht, indem er in halber
Verzweiflung sich in den sinnlichen Genuß
stürzt, oder die Faust ballt zum Umsturz der
bestehenden Gesellschaft. Diese Verirrung ist
heutzutage so begreiflich, daß man sie mehr
beklagen als anklagen muß. Sie ist doppelt
bemitleidenswert, weil der wahre Trost so
nahe liegt.

Es sind viel weniger die äußern Ver-
hältnisse, welche den Menschen glücklich oder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="5">
          <p><pb facs="#f0050" xml:id="E29V3_001_1895_pb0036_0001" n="36"/>
Wenn sie die Sache bloß irdisch auffassen,<lb/>
so wird es sie erbittern, daß sie zu lebens-<lb/>
länglicher Not verurteilt sind, während andere<lb/>
neben ihnen schwelgen können, es wird sie<lb/>
schmerzen, daß sie ihren Kindern nur das<lb/>
nackte Leben und eine abhängige Lebens-<lb/>
stellung hinterlassen können, während bei<lb/>
andern mühelos Reichtum und Ueberfluß auf<lb/>
die Kinder übergehen. Wie nahe liegen da<lb/>
Neid und Mißgunst gegen fremdes Glück,<lb/>
und Unzufriedenheit und Groll über sein<lb/>
eigenes Schicksal! Durch eine unchristliche<lb/>
Auffassung des Lebens werden die täglichen<lb/>
Sorgen des gemeinen Mannes eigentlich ver-<lb/>
giftet und zur Unerträglichkeit gesteigert.<lb/>
Wehe ihm und seiner Familie, wenn er in<lb/>
dem gleichen unchristlichen Geiste sich dieser<lb/>
Sorgen zu entledigen sucht, indem er in halber<lb/>
Verzweiflung sich in den sinnlichen Genuß<lb/>
stürzt, oder die Faust ballt zum Umsturz der<lb/>
bestehenden Gesellschaft. Diese Verirrung ist<lb/>
heutzutage so begreiflich, daß man sie mehr<lb/>
beklagen als anklagen muß. Sie ist doppelt<lb/>
bemitleidenswert, weil der wahre Trost so<lb/>
nahe liegt.</p>
          <p>Es sind viel weniger die äußern Ver-<lb/>
hältnisse, welche den Menschen glücklich oder<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0050] Wenn sie die Sache bloß irdisch auffassen, so wird es sie erbittern, daß sie zu lebens- länglicher Not verurteilt sind, während andere neben ihnen schwelgen können, es wird sie schmerzen, daß sie ihren Kindern nur das nackte Leben und eine abhängige Lebens- stellung hinterlassen können, während bei andern mühelos Reichtum und Ueberfluß auf die Kinder übergehen. Wie nahe liegen da Neid und Mißgunst gegen fremdes Glück, und Unzufriedenheit und Groll über sein eigenes Schicksal! Durch eine unchristliche Auffassung des Lebens werden die täglichen Sorgen des gemeinen Mannes eigentlich ver- giftet und zur Unerträglichkeit gesteigert. Wehe ihm und seiner Familie, wenn er in dem gleichen unchristlichen Geiste sich dieser Sorgen zu entledigen sucht, indem er in halber Verzweiflung sich in den sinnlichen Genuß stürzt, oder die Faust ballt zum Umsturz der bestehenden Gesellschaft. Diese Verirrung ist heutzutage so begreiflich, daß man sie mehr beklagen als anklagen muß. Sie ist doppelt bemitleidenswert, weil der wahre Trost so nahe liegt. Es sind viel weniger die äußern Ver- hältnisse, welche den Menschen glücklich oder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt vom Projekt Digitization Lifecycle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

Anmerkungen zur Transkription:

Bei der Zeichenerkennung wurde nach Vorgabe des DLC modernisiert.

In Absprache mit dem MPI wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:

  • Bogensignaturen und Kustoden
  • Kolumnentitel
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizierung von titleParts verzichtet.
  • Bei Textpassagen, die als Abschnittsüberschrift ausgeweisen werden können, wird auf die zusätzliche Auszeichnung des Layouts verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.

Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q ausgezeichnet.

Weiche und harte Zeilentrennungen werden identisch als 002D übernommen. Der Zeilenumbruch selbst über lb ausgezeichnet.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/50
Zitationshilfe: Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895], S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/50>, abgerufen am 28.04.2024.