jeder Vater, so lange es noch Zeit ist, wohl beherzigen, was das für eine Qual sein muß, wenn man am Abend des Lebens erfährt, daß das Tagwerk mißlungen ist, daß man einen bösen Samen auf der Erde zurückläßt, der vielleicht manche Menschenalter hindurch schlimme Früchte tragen wird. Freilich be- halten auch guterzogene Kinder ihren freien Willen und können später üble Wege wan- deln. Daraus folgt allerdings, daß nicht jeder Vater an der Ausartung seiner Kin- der schuld ist, aber auch das folgt daraus, daß der christliche Vater mit doppeltem Eifer seine Pflichten erfüllen soll, um die Möglichkeit eines Mißerfolges möglichst in die Ferne zu rücken. Wie viel da von dem Vater abhängt, ergiebt sich aus dem Worte des weisen Sirach: "Lobe gar kei- nen Menschen vor seinem Tode, weil der Mann aus seinen Söhnen erkannt wird." (Sir. 11, 30.)
Sollte das Tagwerk des Vaters auch seine Mängel haben, und sein Gewissen und die Früchte der Erziehung ihn nicht beruhigen, so suche er wenigstens für sich noch die eilfte Stunde zu benutzen, um im Frieden mit Gott von hinnen zu scheiden. Sünder und schwache
jeder Vater, so lange es noch Zeit ist, wohl beherzigen, was das für eine Qual sein muß, wenn man am Abend des Lebens erfährt, daß das Tagwerk mißlungen ist, daß man einen bösen Samen auf der Erde zurückläßt, der vielleicht manche Menschenalter hindurch schlimme Früchte tragen wird. Freilich be- halten auch guterzogene Kinder ihren freien Willen und können später üble Wege wan- deln. Daraus folgt allerdings, daß nicht jeder Vater an der Ausartung seiner Kin- der schuld ist, aber auch das folgt daraus, daß der christliche Vater mit doppeltem Eifer seine Pflichten erfüllen soll, um die Möglichkeit eines Mißerfolges möglichst in die Ferne zu rücken. Wie viel da von dem Vater abhängt, ergiebt sich aus dem Worte des weisen Sirach: „Lobe gar kei- nen Menschen vor seinem Tode, weil der Mann aus seinen Söhnen erkannt wird.“ (Sir. 11, 30.)
Sollte das Tagwerk des Vaters auch seine Mängel haben, und sein Gewissen und die Früchte der Erziehung ihn nicht beruhigen, so suche er wenigstens für sich noch die eilfte Stunde zu benutzen, um im Frieden mit Gott von hinnen zu scheiden. Sünder und schwache
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jeder Vater, so lange es noch Zeit ist, wohl
beherzigen, was das für eine Qual sein muß,
wenn man am Abend des Lebens erfährt,
daß das Tagwerk mißlungen ist, daß man
einen bösen Samen auf der Erde zurückläßt,
der vielleicht manche Menschenalter hindurch
schlimme Früchte tragen wird. Freilich be-
halten auch guterzogene Kinder ihren freien
Willen und können später üble Wege wan-
deln. Daraus folgt allerdings, daß nicht
jeder Vater an der Ausartung seiner Kin-
der schuld ist, aber auch das folgt daraus,
daß der christliche Vater mit doppeltem
Eifer seine Pflichten erfüllen soll, um die
Möglichkeit eines Mißerfolges möglichst in
die Ferne zu rücken. Wie viel da von
dem Vater abhängt, ergiebt sich aus dem
Worte des weisen Sirach: „Lobe gar kei-
nen Menschen vor seinem Tode, weil der
Mann aus seinen Söhnen erkannt wird.“
(Sir. 11, 30.)
Sollte das Tagwerk des Vaters auch seine
Mängel haben, und sein Gewissen und die
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Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895], S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/280>, abgerufen am 25.11.2024.
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