den Bitterkeiten in der Gegenwart ertragen würde?"
Ueber den Geist des Glaubens schreibt er ihm folgendes: "Hüten wir uns vor den wechselnden Eindrücken der wechselnden Stun- den. Unsere Väter waren stark und wider- standsfähig in der Seele, weil sie weniger unsichere Ideen und einen festeren Glauben hatten, weniger lebhaft, dafür aber tiefer empfanden. Ihr Leben beruhte auf unwandel- baren Grundsätzen und die Windstöße der Trübsale gingen über sie dahin, ohne sie zu erschüttern. Ihre Devise war das aposto- lische: "Ich kann alles in Dem, der mich stärkt". Heute haben wir uns von Gott abgetrennt, wir sind auf unsere eigene Erbärmlichkeit angewiesen und daher zugleich eitel und furchtsam. Wir beginnen übermü- tig und enden kläglich. Der geringste Hauch wirft uns zu Boden und fegt uns weg... Wir sind große Kinder ohne die Unschuld der Jugend und die Weisheit der grauen Haare. O seien wir stärker und fester als diese Zeit, trennen wir unser Herz nie los von unserem Glauben, von unserer Hoff- nung und unserer Pflicht. Glaube, Hoffnung und treue Pflichterfüllung, d. h. die thätige
den Bitterkeiten in der Gegenwart ertragen würde?“
Ueber den Geist des Glaubens schreibt er ihm folgendes: „Hüten wir uns vor den wechselnden Eindrücken der wechselnden Stun- den. Unsere Väter waren stark und wider- standsfähig in der Seele, weil sie weniger unsichere Ideen und einen festeren Glauben hatten, weniger lebhaft, dafür aber tiefer empfanden. Ihr Leben beruhte auf unwandel- baren Grundsätzen und die Windstöße der Trübsale gingen über sie dahin, ohne sie zu erschüttern. Ihre Devise war das aposto- lische: „Ich kann alles in Dem, der mich stärkt“. Heute haben wir uns von Gott abgetrennt, wir sind auf unsere eigene Erbärmlichkeit angewiesen und daher zugleich eitel und furchtsam. Wir beginnen übermü- tig und enden kläglich. Der geringste Hauch wirft uns zu Boden und fegt uns weg... Wir sind große Kinder ohne die Unschuld der Jugend und die Weisheit der grauen Haare. O seien wir stärker und fester als diese Zeit, trennen wir unser Herz nie los von unserem Glauben, von unserer Hoff- nung und unserer Pflicht. Glaube, Hoffnung und treue Pflichterfüllung, d. h. die thätige
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den Bitterkeiten in der Gegenwart ertragen
würde?“
Ueber den Geist des Glaubens schreibt
er ihm folgendes: „Hüten wir uns vor den
wechselnden Eindrücken der wechselnden Stun-
den. Unsere Väter waren stark und wider-
standsfähig in der Seele, weil sie weniger
unsichere Ideen und einen festeren Glauben
hatten, weniger lebhaft, dafür aber tiefer
empfanden. Ihr Leben beruhte auf unwandel-
baren Grundsätzen und die Windstöße der
Trübsale gingen über sie dahin, ohne sie zu
erschüttern. Ihre Devise war das aposto-
lische: „Ich kann alles in Dem, der mich stärkt“.
Heute haben wir uns von Gott abgetrennt,
wir sind auf unsere eigene Erbärmlichkeit
angewiesen und daher zugleich eitel
und furchtsam. Wir beginnen übermü-
tig und enden kläglich. Der geringste Hauch
wirft uns zu Boden und fegt uns weg...
Wir sind große Kinder ohne die Unschuld
der Jugend und die Weisheit der grauen
Haare. O seien wir stärker und fester als
diese Zeit, trennen wir unser Herz nie los
von unserem Glauben, von unserer Hoff-
nung und unserer Pflicht. Glaube, Hoffnung
und treue Pflichterfüllung, d. h. die thätige
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Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895], S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/193>, abgerufen am 22.11.2024.
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