Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Egger, Augustin: Die christliche Mutter. Erbauungs- und Gebetbuch. - Einsiedeln u. a., [1914].

Bild:
<< vorherige Seite

gewachsen sind. In den untern Ständen
können die Mängel der Erziehung und
Lebensweise wenigstens zum Teil eine
Entschuldigung finden, in den bessern
Ständen wird manches, man möchte oft
meinen, absichtlich, jedenfalls aber aus
eigener Schuld verdorben. Man erzieht
die Tochter zur Zierpuppe, die in allem
verwöhnt und verzärtelt wird, die vie-
les weiß und kann, nur das nicht,
was sie sollte, die tändelt statt zu ar-
beiten, die mit Klimpern und Lesen
die Zeit vertreibt, nur an Putz und
Vergnügen zu denken hat, und bei all
dem die Langweile nicht los wird.
Wenn sie statt zu arbeiten über den
Romanen sitzt und sich in eine erträumte
Welt hineinliest, wenn sie als verzär-
teltes Kind die wirkliche Welt nicht
kennen lernt, keine Ermüdung kennt,
als die nach genossenen Lustbarkeiten;
so ist sie auf dem bestem Wege, ner-
vös, sentimental, träumerisch, unbrauch-
bar für das Leben zu werden.

gewachsen sind. In den untern Ständen
können die Mängel der Erziehung und
Lebensweise wenigstens zum Teil eine
Entschuldigung finden, in den bessern
Ständen wird manches, man möchte oft
meinen, absichtlich, jedenfalls aber aus
eigener Schuld verdorben. Man erzieht
die Tochter zur Zierpuppe, die in allem
verwöhnt und verzärtelt wird, die vie-
les weiß und kann, nur das nicht,
was sie sollte, die tändelt statt zu ar-
beiten, die mit Klimpern und Lesen
die Zeit vertreibt, nur an Putz und
Vergnügen zu denken hat, und bei all
dem die Langweile nicht los wird.
Wenn sie statt zu arbeiten über den
Romanen sitzt und sich in eine erträumte
Welt hineinliest, wenn sie als verzär-
teltes Kind die wirkliche Welt nicht
kennen lernt, keine Ermüdung kennt,
als die nach genossenen Lustbarkeiten;
so ist sie auf dem bestem Wege, ner-
vös, sentimental, träumerisch, unbrauch-
bar für das Leben zu werden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <p><pb facs="#f0079" xml:id="E29_001_1914_pb0071_0001" n="71"/>
gewachsen sind. In den untern Ständen<lb/>
können die Mängel der Erziehung und<lb/>
Lebensweise wenigstens zum Teil eine<lb/>
Entschuldigung finden, in den bessern<lb/>
Ständen wird manches, man möchte oft<lb/>
meinen, absichtlich, jedenfalls aber aus<lb/>
eigener Schuld verdorben. Man erzieht<lb/>
die Tochter zur Zierpuppe, die in allem<lb/>
verwöhnt und verzärtelt wird, die vie-<lb/>
les weiß und kann, nur das nicht,<lb/>
was sie sollte, die tändelt statt zu ar-<lb/>
beiten, die mit Klimpern und Lesen<lb/>
die Zeit vertreibt, nur an Putz und<lb/>
Vergnügen zu denken hat, und bei all<lb/>
dem die Langweile nicht los wird.<lb/>
Wenn sie statt zu arbeiten über den<lb/>
Romanen sitzt und sich in eine erträumte<lb/>
Welt hineinliest, wenn sie als verzär-<lb/>
teltes Kind die wirkliche Welt nicht<lb/>
kennen lernt, keine Ermüdung kennt,<lb/>
als die nach genossenen Lustbarkeiten;<lb/>
so ist sie auf dem bestem Wege, ner-<lb/>
vös, sentimental, träumerisch, unbrauch-<lb/>
bar für das Leben zu werden.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0079] gewachsen sind. In den untern Ständen können die Mängel der Erziehung und Lebensweise wenigstens zum Teil eine Entschuldigung finden, in den bessern Ständen wird manches, man möchte oft meinen, absichtlich, jedenfalls aber aus eigener Schuld verdorben. Man erzieht die Tochter zur Zierpuppe, die in allem verwöhnt und verzärtelt wird, die vie- les weiß und kann, nur das nicht, was sie sollte, die tändelt statt zu ar- beiten, die mit Klimpern und Lesen die Zeit vertreibt, nur an Putz und Vergnügen zu denken hat, und bei all dem die Langweile nicht los wird. Wenn sie statt zu arbeiten über den Romanen sitzt und sich in eine erträumte Welt hineinliest, wenn sie als verzär- teltes Kind die wirkliche Welt nicht kennen lernt, keine Ermüdung kennt, als die nach genossenen Lustbarkeiten; so ist sie auf dem bestem Wege, ner- vös, sentimental, träumerisch, unbrauch- bar für das Leben zu werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt vom Projekt Digitization Lifecycle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

Anmerkungen zur Transkription:

Bei der Zeichenerkennung wurde nach Vorgabe des DLC modernisiert.

In Absprache mit dem MPI wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:

  • Bogensignaturen und Kustoden
  • Kolumnentitel
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizierung von titleParts verzichtet.
  • Bei Textpassagen, die als Abschnittsüberschrift ausgeweisen werden können, wird auf die zusätzliche Auszeichnung des Layouts verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.

Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q ausgezeichnet.

Weiche und harte Zeilentrennungen werden identisch als 002D übernommen. Der Zeilenumbruch selbst über lb ausgezeichnet.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/egger_mutter_1914
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/egger_mutter_1914/79
Zitationshilfe: Egger, Augustin: Die christliche Mutter. Erbauungs- und Gebetbuch. - Einsiedeln u. a., [1914], S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_mutter_1914/79>, abgerufen am 04.05.2024.