den, was ich hervorbrachte. Wenn ich mich Jahr und Tag mit ganzer Seele abgemüht hatte, der Welt mit einem neuen Werke etwas zu Liebe zu thun, so verlangte sie, daß ich mich noch obendrein bei ihr bedanken sollte, daß sie es nur erträglich fand. -- Lobte man mich, so sollte ich das nicht in freudigem Selbstgefühl als einen schuldigen Tribut hinnehmen, sondern man er¬ wartete von mir irgend eine ablehnende bescheidene Phrase, worin ich demüthig den völligen Unwerth meiner Person und meines Werkes an den Tag lege. Das aber widerstrebte meiner Natur und ich hätte müssen ein elender Lump seyn, wenn ich so hätte heucheln und lügen wollen. Da ich nun aber stark genug war, mich in ganzer Wahrheit so zu zeigen, wie ich fühlte, so galt ich für stolz, und gelte noch so bis auf den heutigen Tag."
"In religiösen Dingen, in wissenschaftlichen und politischen, überall machte es mir zu schaffen, daß ich nicht heuchelte und daß ich den Muth hatte, mich aus¬ zusprechen, wie ich empfand."
"Ich glaubte an Gott und die Natur, und an den Sieg des Edlen über das Schlechte; aber das war den frommen Seelen nicht genug, ich sollte auch glauben, daß Drei Eins sey und Eins Drei; das aber wider¬ strebte dem Wahrheitsgefühl meiner Seele; auch sah ich nicht ein, daß mir damit auch nur im mindesten wäre geholfen gewesen."
den, was ich hervorbrachte. Wenn ich mich Jahr und Tag mit ganzer Seele abgemüht hatte, der Welt mit einem neuen Werke etwas zu Liebe zu thun, ſo verlangte ſie, daß ich mich noch obendrein bei ihr bedanken ſollte, daß ſie es nur erträglich fand. — Lobte man mich, ſo ſollte ich das nicht in freudigem Selbſtgefühl als einen ſchuldigen Tribut hinnehmen, ſondern man er¬ wartete von mir irgend eine ablehnende beſcheidene Phraſe, worin ich demüthig den völligen Unwerth meiner Perſon und meines Werkes an den Tag lege. Das aber widerſtrebte meiner Natur und ich hätte müſſen ein elender Lump ſeyn, wenn ich ſo hätte heucheln und lügen wollen. Da ich nun aber ſtark genug war, mich in ganzer Wahrheit ſo zu zeigen, wie ich fühlte, ſo galt ich für ſtolz, und gelte noch ſo bis auf den heutigen Tag.“
„In religiöſen Dingen, in wiſſenſchaftlichen und politiſchen, überall machte es mir zu ſchaffen, daß ich nicht heuchelte und daß ich den Muth hatte, mich aus¬ zuſprechen, wie ich empfand.“
„Ich glaubte an Gott und die Natur, und an den Sieg des Edlen über das Schlechte; aber das war den frommen Seelen nicht genug, ich ſollte auch glauben, daß Drei Eins ſey und Eins Drei; das aber wider¬ ſtrebte dem Wahrheitsgefühl meiner Seele; auch ſah ich nicht ein, daß mir damit auch nur im mindeſten wäre geholfen geweſen.“
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den, was ich hervorbrachte. Wenn ich mich Jahr und
Tag mit ganzer Seele abgemüht hatte, der Welt mit
einem neuen Werke etwas zu Liebe zu thun, ſo verlangte
ſie, daß ich mich noch obendrein bei ihr bedanken ſollte,
daß ſie es nur erträglich fand. — Lobte man mich,
ſo ſollte ich das nicht in freudigem Selbſtgefühl als
einen ſchuldigen Tribut hinnehmen, ſondern man er¬
wartete von mir irgend eine ablehnende beſcheidene
Phraſe, worin ich demüthig den völligen Unwerth meiner
Perſon und meines Werkes an den Tag lege. Das
aber widerſtrebte meiner Natur und ich hätte müſſen
ein elender Lump ſeyn, wenn ich ſo hätte heucheln und
lügen wollen. Da ich nun aber ſtark genug war, mich
in ganzer Wahrheit ſo zu zeigen, wie ich fühlte, ſo galt
ich für ſtolz, und gelte noch ſo bis auf den heutigen
Tag.“
„In religiöſen Dingen, in wiſſenſchaftlichen und
politiſchen, überall machte es mir zu ſchaffen, daß ich
nicht heuchelte und daß ich den Muth hatte, mich aus¬
zuſprechen, wie ich empfand.“
„Ich glaubte an Gott und die Natur, und an den
Sieg des Edlen über das Schlechte; aber das war den
frommen Seelen nicht genug, ich ſollte auch glauben,
daß Drei Eins ſey und Eins Drei; das aber wider¬
ſtrebte dem Wahrheitsgefühl meiner Seele; auch ſah ich
nicht ein, daß mir damit auch nur im mindeſten wäre
geholfen geweſen.“
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/63>, abgerufen am 21.11.2024.
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