noch mit einiger Beschwerde. Es kam mir vor, als würde ihm das Sprechen schwieriger als gestern. Die Geschwulst des linken Armes ist sehr sichtbar; er hält die Augen geschlossen und öffnet sie nur wenn er spricht.
Montag, den 2. März 1823*.
Diesen Abend bei Goethe, den ich in mehreren Tagen nicht gesehen. Er saß in seinem Lehnstuhl und hatte seine Schwiegertochter und Riemer bei sich. Er war auffallend besser. Seine Stimme hatte wieder ihren natürlichen Klang, sein Athemholen war frei, seine Hand nicht mehr geschwollen, sein Aussehen wieder wie in gesundem Zustand, und seine Unterhaltung leicht. Er stand auf und ging ohne Umstände in sein Schlaf¬ zimmer und wieder zurück. Man trank den Thee bei ihm, und da es heute wieder das erstemal war, so machte ich Frau v. Goethe scherzhaft Vorwürfe, daß sie vergessen habe, einen Blumenstrauß auf das Theebrett zu stellen. Frau von Goethe nahm sogleich ein farbiges Band von ihrem Hut und band es an die Theemaschine. Dieser Scherz schien Goethen viel Vergnügen zu machen.
Wir betrachteten darauf eine Sammlung nachgemach¬ ter Edelsteine, die der Großherzog hatte von Paris kommen lassen.
noch mit einiger Beſchwerde. Es kam mir vor, als würde ihm das Sprechen ſchwieriger als geſtern. Die Geſchwulſt des linken Armes iſt ſehr ſichtbar; er hält die Augen geſchloſſen und öffnet ſie nur wenn er ſpricht.
Montag, den 2. März 1823*.
Dieſen Abend bei Goethe, den ich in mehreren Tagen nicht geſehen. Er ſaß in ſeinem Lehnſtuhl und hatte ſeine Schwiegertochter und Riemer bei ſich. Er war auffallend beſſer. Seine Stimme hatte wieder ihren natürlichen Klang, ſein Athemholen war frei, ſeine Hand nicht mehr geſchwollen, ſein Ausſehen wieder wie in geſundem Zuſtand, und ſeine Unterhaltung leicht. Er ſtand auf und ging ohne Umſtände in ſein Schlaf¬ zimmer und wieder zurück. Man trank den Thee bei ihm, und da es heute wieder das erſtemal war, ſo machte ich Frau v. Goethe ſcherzhaft Vorwürfe, daß ſie vergeſſen habe, einen Blumenſtrauß auf das Theebrett zu ſtellen. Frau von Goethe nahm ſogleich ein farbiges Band von ihrem Hut und band es an die Theemaſchine. Dieſer Scherz ſchien Goethen viel Vergnügen zu machen.
Wir betrachteten darauf eine Sammlung nachgemach¬ ter Edelſteine, die der Großherzog hatte von Paris kommen laſſen.
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0037"n="15"/>
noch mit einiger Beſchwerde. Es kam mir vor, als<lb/>
würde ihm das Sprechen ſchwieriger als geſtern. Die<lb/>
Geſchwulſt des linken Armes iſt ſehr ſichtbar; er hält<lb/>
die Augen geſchloſſen und öffnet ſie nur wenn er<lb/>ſpricht.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="4"><datelinerendition="#right">Montag, den 2. März 1823*.<lb/></dateline><p>Dieſen Abend bei Goethe, den ich in mehreren Tagen<lb/>
nicht geſehen. Er ſaß in ſeinem Lehnſtuhl und hatte<lb/>ſeine Schwiegertochter und Riemer bei ſich. Er war<lb/>
auffallend beſſer. Seine Stimme hatte wieder ihren<lb/>
natürlichen Klang, ſein Athemholen war frei, ſeine<lb/>
Hand nicht mehr geſchwollen, ſein Ausſehen wieder wie<lb/>
in geſundem Zuſtand, und ſeine Unterhaltung leicht.<lb/>
Er ſtand auf und ging ohne Umſtände in ſein Schlaf¬<lb/>
zimmer und wieder zurück. Man trank den Thee bei<lb/>
ihm, und da es heute wieder das erſtemal war, ſo<lb/>
machte ich Frau v. Goethe ſcherzhaft Vorwürfe, daß<lb/>ſie vergeſſen habe, einen Blumenſtrauß auf das Theebrett<lb/>
zu ſtellen. Frau von Goethe nahm ſogleich ein farbiges<lb/>
Band von ihrem Hut und band es an die Theemaſchine.<lb/>
Dieſer Scherz ſchien Goethen viel Vergnügen zu machen.</p><lb/><p>Wir betrachteten darauf eine Sammlung nachgemach¬<lb/>
ter Edelſteine, die der Großherzog hatte von Paris<lb/>
kommen laſſen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[15/0037]
noch mit einiger Beſchwerde. Es kam mir vor, als
würde ihm das Sprechen ſchwieriger als geſtern. Die
Geſchwulſt des linken Armes iſt ſehr ſichtbar; er hält
die Augen geſchloſſen und öffnet ſie nur wenn er
ſpricht.
Montag, den 2. März 1823*.
Dieſen Abend bei Goethe, den ich in mehreren Tagen
nicht geſehen. Er ſaß in ſeinem Lehnſtuhl und hatte
ſeine Schwiegertochter und Riemer bei ſich. Er war
auffallend beſſer. Seine Stimme hatte wieder ihren
natürlichen Klang, ſein Athemholen war frei, ſeine
Hand nicht mehr geſchwollen, ſein Ausſehen wieder wie
in geſundem Zuſtand, und ſeine Unterhaltung leicht.
Er ſtand auf und ging ohne Umſtände in ſein Schlaf¬
zimmer und wieder zurück. Man trank den Thee bei
ihm, und da es heute wieder das erſtemal war, ſo
machte ich Frau v. Goethe ſcherzhaft Vorwürfe, daß
ſie vergeſſen habe, einen Blumenſtrauß auf das Theebrett
zu ſtellen. Frau von Goethe nahm ſogleich ein farbiges
Band von ihrem Hut und band es an die Theemaſchine.
Dieſer Scherz ſchien Goethen viel Vergnügen zu machen.
Wir betrachteten darauf eine Sammlung nachgemach¬
ter Edelſteine, die der Großherzog hatte von Paris
kommen laſſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/37>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.