ein Künstler, dem es Spaß macht, auch einmal so et¬ was zu versuchen. Er hat sein eigenes Innere, wie gesagt, dabei gänzlich verläugnet, ja er hat dabei so¬ gar den Franzosen verläugnet, und zwar so sehr, daß man diese Gedichte der Guzla anfänglich für wirklich illyrische Volksgedichte gehalten und also nur wenig gefehlt hat, daß ihm die beabsichtigte Mystification ge¬ lungen wäre."
"Merimee, fuhr Goethe fort, ist freilich ein ganzer Kerl! wie denn überhaupt zum objectiven Behandeln eines Gegenstandes mehr Kraft und Genie gehört, als man denkt. So hat auch Byron, trotz seiner stark vorwaltenden Persönlichkeit, zuweilen die Kraft gehabt sich gänzlich zu verläugnen, wie dies an einigen seiner dramatischen Sachen, und besonders an seinem Marino Faliero, zu sehen. Bei diesem Stück vergißt man ganz, daß Byron, ja daß ein Engländer es geschrieben. Wir leben darin ganz und gar zu Venedig, und ganz und gar in der Zeit, in der die Handlung vorgeht. Die Personen reden ganz aus sich selber und aus ihrem eigenen Zustande heraus, ohne etwas von subjectiven Gefühlen, Gedanken und Meinungen des Dichters an sich zu haben. Das ist die rechte Art! -- Von unsern jungen französischen Romantikern der übertriebenen Sorte ist das freilich nicht zu rühmen. Was ich auch von ihnen gelesen: Gedichte, Romane, dramatische Ar¬ beiten, es trug Alles die persönliche Farbe des Autors,
ein Künſtler, dem es Spaß macht, auch einmal ſo et¬ was zu verſuchen. Er hat ſein eigenes Innere, wie geſagt, dabei gänzlich verläugnet, ja er hat dabei ſo¬ gar den Franzoſen verläugnet, und zwar ſo ſehr, daß man dieſe Gedichte der Guzla anfänglich für wirklich illyriſche Volksgedichte gehalten und alſo nur wenig gefehlt hat, daß ihm die beabſichtigte Myſtification ge¬ lungen wäre.“
„Merimée, fuhr Goethe fort, iſt freilich ein ganzer Kerl! wie denn überhaupt zum objectiven Behandeln eines Gegenſtandes mehr Kraft und Genie gehört, als man denkt. So hat auch Byron, trotz ſeiner ſtark vorwaltenden Perſönlichkeit, zuweilen die Kraft gehabt ſich gänzlich zu verläugnen, wie dies an einigen ſeiner dramatiſchen Sachen, und beſonders an ſeinem Marino Faliero, zu ſehen. Bei dieſem Stück vergißt man ganz, daß Byron, ja daß ein Engländer es geſchrieben. Wir leben darin ganz und gar zu Venedig, und ganz und gar in der Zeit, in der die Handlung vorgeht. Die Perſonen reden ganz aus ſich ſelber und aus ihrem eigenen Zuſtande heraus, ohne etwas von ſubjectiven Gefühlen, Gedanken und Meinungen des Dichters an ſich zu haben. Das iſt die rechte Art! — Von unſern jungen franzöſiſchen Romantikern der übertriebenen Sorte iſt das freilich nicht zu rühmen. Was ich auch von ihnen geleſen: Gedichte, Romane, dramatiſche Ar¬ beiten, es trug Alles die perſönliche Farbe des Autors,
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ein Künſtler, dem es Spaß macht, auch einmal ſo et¬
was zu verſuchen. Er hat ſein eigenes Innere, wie
geſagt, dabei gänzlich verläugnet, ja er hat dabei ſo¬
gar den Franzoſen verläugnet, und zwar ſo ſehr, daß
man dieſe Gedichte der Guzla anfänglich für wirklich
illyriſche Volksgedichte gehalten und alſo nur wenig
gefehlt hat, daß ihm die beabſichtigte Myſtification ge¬
lungen wäre.“
„Merimée, fuhr Goethe fort, iſt freilich ein ganzer
Kerl! wie denn überhaupt zum objectiven Behandeln
eines Gegenſtandes mehr Kraft und Genie gehört, als
man denkt. So hat auch Byron, trotz ſeiner ſtark
vorwaltenden Perſönlichkeit, zuweilen die Kraft gehabt
ſich gänzlich zu verläugnen, wie dies an einigen ſeiner
dramatiſchen Sachen, und beſonders an ſeinem Marino
Faliero, zu ſehen. Bei dieſem Stück vergißt man ganz,
daß Byron, ja daß ein Engländer es geſchrieben.
Wir leben darin ganz und gar zu Venedig, und ganz
und gar in der Zeit, in der die Handlung vorgeht.
Die Perſonen reden ganz aus ſich ſelber und aus ihrem
eigenen Zuſtande heraus, ohne etwas von ſubjectiven
Gefühlen, Gedanken und Meinungen des Dichters an
ſich zu haben. Das iſt die rechte Art! — Von unſern
jungen franzöſiſchen Romantikern der übertriebenen
Sorte iſt das freilich nicht zu rühmen. Was ich auch
von ihnen geleſen: Gedichte, Romane, dramatiſche Ar¬
beiten, es trug Alles die perſönliche Farbe des Autors,
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/330>, abgerufen am 24.11.2024.
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