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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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alten Erinnerungen. Ich sehe die reizende Lili wieder
in aller Lebendigkeit vor mir, und es ist mir, als
fühlte ich wieder den Hauch ihrer beglückenden Nähe.
Sie war in der That die Erste, die ich tief und wahr¬
haft liebte. Auch kann ich sagen, daß sie die Letzte
gewesen; denn alle kleinen Neigungen, die mich in der
Folge meines Lebens berührten, waren, mit jener ersten
verglichen, nur leicht und oberflächlich."

"Ich bin, fuhr Goethe fort, meinem eigentlichen
Glücke nie so nahe gewesen, als in der Zeit jener Liebe
zu Lili. Die Hindernisse, die uns auseinander hielten,
waren im Grunde nicht unübersteiglich, -- und doch ging
sie mir verloren!"

"Meine Neigung zu ihr hatte etwas so Delicates
und etwas so Eigenthümliches, daß es jetzt, in Dar¬
stellung jener schmerzlich-glücklichen Epoche, auf meinen
Styl Einfluß gehabt hat. Wenn Sie künftig den vier¬
ten Band von Wahrheit und Dichtung lesen, so werden
Sie finden, daß jene Liebe etwas ganz Anderes ist,
als eine Liebe in Romanen."

Dasselbige, erwiederte ich, könnte man auch von
Ihrer Liebe zu Gretchen und Friederike sagen. Die
Darstellung von Beiden ist gleichfalls so neu und ori¬
ginell, wie die Romanschreiber dergleichen nicht erfinden
und ausdenken. Es scheint dieses von der großen
Wahrhaftigkeit des Erzählers herzurühren, der das Er¬
lebte nicht zu bemänteln gesucht, um es zu größerem

alten Erinnerungen. Ich ſehe die reizende Lili wieder
in aller Lebendigkeit vor mir, und es iſt mir, als
fühlte ich wieder den Hauch ihrer beglückenden Nähe.
Sie war in der That die Erſte, die ich tief und wahr¬
haft liebte. Auch kann ich ſagen, daß ſie die Letzte
geweſen; denn alle kleinen Neigungen, die mich in der
Folge meines Lebens berührten, waren, mit jener erſten
verglichen, nur leicht und oberflächlich.“

„Ich bin, fuhr Goethe fort, meinem eigentlichen
Glücke nie ſo nahe geweſen, als in der Zeit jener Liebe
zu Lili. Die Hinderniſſe, die uns auseinander hielten,
waren im Grunde nicht unüberſteiglich, — und doch ging
ſie mir verloren!“

„Meine Neigung zu ihr hatte etwas ſo Delicates
und etwas ſo Eigenthümliches, daß es jetzt, in Dar¬
ſtellung jener ſchmerzlich-glücklichen Epoche, auf meinen
Styl Einfluß gehabt hat. Wenn Sie künftig den vier¬
ten Band von Wahrheit und Dichtung leſen, ſo werden
Sie finden, daß jene Liebe etwas ganz Anderes iſt,
als eine Liebe in Romanen.“

Daſſelbige, erwiederte ich, könnte man auch von
Ihrer Liebe zu Gretchen und Friederike ſagen. Die
Darſtellung von Beiden iſt gleichfalls ſo neu und ori¬
ginell, wie die Romanſchreiber dergleichen nicht erfinden
und ausdenken. Es ſcheint dieſes von der großen
Wahrhaftigkeit des Erzählers herzurühren, der das Er¬
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[299/0321] alten Erinnerungen. Ich ſehe die reizende Lili wieder in aller Lebendigkeit vor mir, und es iſt mir, als fühlte ich wieder den Hauch ihrer beglückenden Nähe. Sie war in der That die Erſte, die ich tief und wahr¬ haft liebte. Auch kann ich ſagen, daß ſie die Letzte geweſen; denn alle kleinen Neigungen, die mich in der Folge meines Lebens berührten, waren, mit jener erſten verglichen, nur leicht und oberflächlich.“ „Ich bin, fuhr Goethe fort, meinem eigentlichen Glücke nie ſo nahe geweſen, als in der Zeit jener Liebe zu Lili. Die Hinderniſſe, die uns auseinander hielten, waren im Grunde nicht unüberſteiglich, — und doch ging ſie mir verloren!“ „Meine Neigung zu ihr hatte etwas ſo Delicates und etwas ſo Eigenthümliches, daß es jetzt, in Dar¬ ſtellung jener ſchmerzlich-glücklichen Epoche, auf meinen Styl Einfluß gehabt hat. Wenn Sie künftig den vier¬ ten Band von Wahrheit und Dichtung leſen, ſo werden Sie finden, daß jene Liebe etwas ganz Anderes iſt, als eine Liebe in Romanen.“ Daſſelbige, erwiederte ich, könnte man auch von Ihrer Liebe zu Gretchen und Friederike ſagen. Die Darſtellung von Beiden iſt gleichfalls ſo neu und ori¬ ginell, wie die Romanſchreiber dergleichen nicht erfinden und ausdenken. Es ſcheint dieſes von der großen Wahrhaftigkeit des Erzählers herzurühren, der das Er¬ lebte nicht zu bemänteln geſucht, um es zu größerem

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/321>, abgerufen am 23.11.2024.