Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

zeichnungen, besitze er nicht. Er habe, sagte er, in
einer Auction sechs Thaler dafür geboten, ohne sie zu
erhalten.

Er zeigte uns darauf das erste Manuscript seines
Götz von Berlichingen, ganz in der ursprünglichen Ge¬
stalt, wie er es vor länger als funfzig Jahren auf
Anregung seiner Schwester in wenigen Wochen geschrie¬
ben. Die schlanken Züge der Handschrift trugen schon
ganz den freien klaren Charakter, wie ihn seine deutsche
Schrift später immer behalten und auch noch jetzt hat.
Das Manuscript war sehr reinlich, man las ganze Sei¬
ten ohne die geringste Correctur, so daß man es eher
für eine Copie, als für einen ersten raschen Entwurf
hätte halten sollen.

Seine frühesten Werke hat Goethe, wie er uns
sagte, alle mit eigener Hand geschrieben, auch seinen
Werther; doch ist das Manuscript verloren gegangen.
In späterer Zeit dagegen hat er fast Alles dictirt, und
nur Gedichte und flüchtig notirte Pläne finden sich von
seiner eigenen Hand. Sehr oft hat er nicht daran ge¬
dacht, von einem neuen Product eine Abschrift nehmen
zu lassen; vielmehr hat er häufig die kostbarste Dich¬
tung dem Zufall preisgegeben, indem er öfter als ein¬
mal das einzige Exemplar, das er besaß, nach Stutt¬
gart in die Druckerei schickte.

Nachdem wir das Manuscript des Berlichingen ge¬
nugsam betrachtet, zeigte Goethe uns das Original

zeichnungen, beſitze er nicht. Er habe, ſagte er, in
einer Auction ſechs Thaler dafür geboten, ohne ſie zu
erhalten.

Er zeigte uns darauf das erſte Manuſcript ſeines
Götz von Berlichingen, ganz in der urſprünglichen Ge¬
ſtalt, wie er es vor länger als funfzig Jahren auf
Anregung ſeiner Schweſter in wenigen Wochen geſchrie¬
ben. Die ſchlanken Züge der Handſchrift trugen ſchon
ganz den freien klaren Charakter, wie ihn ſeine deutſche
Schrift ſpäter immer behalten und auch noch jetzt hat.
Das Manuſcript war ſehr reinlich, man las ganze Sei¬
ten ohne die geringſte Correctur, ſo daß man es eher
für eine Copie, als für einen erſten raſchen Entwurf
hätte halten ſollen.

Seine früheſten Werke hat Goethe, wie er uns
ſagte, alle mit eigener Hand geſchrieben, auch ſeinen
Werther; doch iſt das Manuſcript verloren gegangen.
In ſpäterer Zeit dagegen hat er faſt Alles dictirt, und
nur Gedichte und flüchtig notirte Pläne finden ſich von
ſeiner eigenen Hand. Sehr oft hat er nicht daran ge¬
dacht, von einem neuen Product eine Abſchrift nehmen
zu laſſen; vielmehr hat er häufig die koſtbarſte Dich¬
tung dem Zufall preisgegeben, indem er öfter als ein¬
mal das einzige Exemplar, das er beſaß, nach Stutt¬
gart in die Druckerei ſchickte.

Nachdem wir das Manuſcript des Berlichingen ge¬
nugſam betrachtet, zeigte Goethe uns das Original

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0306" n="284"/>
zeichnungen, be&#x017F;itze er nicht. Er habe, &#x017F;agte er, in<lb/>
einer Auction &#x017F;echs Thaler dafür geboten, ohne &#x017F;ie zu<lb/>
erhalten.</p><lb/>
          <p>Er zeigte uns darauf das er&#x017F;te Manu&#x017F;cript &#x017F;eines<lb/>
Götz von Berlichingen, ganz in der ur&#x017F;prünglichen Ge¬<lb/>
&#x017F;talt, wie er es vor länger als funfzig Jahren auf<lb/>
Anregung &#x017F;einer Schwe&#x017F;ter in wenigen Wochen ge&#x017F;chrie¬<lb/>
ben. Die &#x017F;chlanken Züge der Hand&#x017F;chrift trugen &#x017F;chon<lb/>
ganz den freien klaren Charakter, wie ihn &#x017F;eine deut&#x017F;che<lb/>
Schrift &#x017F;päter immer behalten und auch noch jetzt hat.<lb/>
Das Manu&#x017F;cript war &#x017F;ehr reinlich, man las ganze Sei¬<lb/>
ten ohne die gering&#x017F;te Correctur, &#x017F;o daß man es eher<lb/>
für eine Copie, als für einen er&#x017F;ten ra&#x017F;chen Entwurf<lb/>
hätte halten &#x017F;ollen.</p><lb/>
          <p>Seine frühe&#x017F;ten Werke hat Goethe, wie er uns<lb/>
&#x017F;agte, alle mit eigener Hand ge&#x017F;chrieben, auch &#x017F;einen<lb/>
Werther; doch i&#x017F;t das Manu&#x017F;cript verloren gegangen.<lb/>
In &#x017F;päterer Zeit dagegen hat er fa&#x017F;t Alles dictirt, und<lb/>
nur Gedichte und flüchtig notirte Pläne finden &#x017F;ich von<lb/>
&#x017F;einer eigenen Hand. Sehr oft hat er nicht daran ge¬<lb/>
dacht, von einem neuen Product eine Ab&#x017F;chrift nehmen<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en; vielmehr hat er häufig die ko&#x017F;tbar&#x017F;te Dich¬<lb/>
tung dem Zufall preisgegeben, indem er öfter als ein¬<lb/>
mal das einzige Exemplar, das er be&#x017F;aß, nach Stutt¬<lb/>
gart in die Druckerei &#x017F;chickte.</p><lb/>
          <p>Nachdem wir das Manu&#x017F;cript des Berlichingen ge¬<lb/>
nug&#x017F;am betrachtet, zeigte Goethe uns das Original<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0306] zeichnungen, beſitze er nicht. Er habe, ſagte er, in einer Auction ſechs Thaler dafür geboten, ohne ſie zu erhalten. Er zeigte uns darauf das erſte Manuſcript ſeines Götz von Berlichingen, ganz in der urſprünglichen Ge¬ ſtalt, wie er es vor länger als funfzig Jahren auf Anregung ſeiner Schweſter in wenigen Wochen geſchrie¬ ben. Die ſchlanken Züge der Handſchrift trugen ſchon ganz den freien klaren Charakter, wie ihn ſeine deutſche Schrift ſpäter immer behalten und auch noch jetzt hat. Das Manuſcript war ſehr reinlich, man las ganze Sei¬ ten ohne die geringſte Correctur, ſo daß man es eher für eine Copie, als für einen erſten raſchen Entwurf hätte halten ſollen. Seine früheſten Werke hat Goethe, wie er uns ſagte, alle mit eigener Hand geſchrieben, auch ſeinen Werther; doch iſt das Manuſcript verloren gegangen. In ſpäterer Zeit dagegen hat er faſt Alles dictirt, und nur Gedichte und flüchtig notirte Pläne finden ſich von ſeiner eigenen Hand. Sehr oft hat er nicht daran ge¬ dacht, von einem neuen Product eine Abſchrift nehmen zu laſſen; vielmehr hat er häufig die koſtbarſte Dich¬ tung dem Zufall preisgegeben, indem er öfter als ein¬ mal das einzige Exemplar, das er beſaß, nach Stutt¬ gart in die Druckerei ſchickte. Nachdem wir das Manuſcript des Berlichingen ge¬ nugſam betrachtet, zeigte Goethe uns das Original

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/306
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/306>, abgerufen am 18.12.2024.