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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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Goethe war in besonders guter, erhöhter Stimmung.
Er ließ eine Flasche Wein kommen, wovon er sich und
mir einschenkte. Unser Gespräch ging wieder auf den
Großherzog Carl August zurück.

"Sie sehen, sagte Goethe, wie sein außerordentlicher
Geist das ganze Reich der Natur umfaßte. Physik,
Astronomie, Geognosie, Meteorologie, Pflanzen- und
Thier-Formen der Urwelt, und was sonst dazu gehört,
er hatte für Alles Sinn und für Alles Interesse. Er
war achtzehn Jahre alt als ich nach Weimar kam; aber
schon damals zeigten seine Keime und Knospen, was
einst der Baum seyn würde. Er schloß sich bald auf
das Innigste an mich an und nahm an Allem, was ich
trieb, gründlichen Antheil. Daß ich fast zehn Jahre
älter war, als er, kam unserm Verhältniß zu Gute.
Er saß ganze Abende bei mir in tiefen Gesprächen
über Gegenstände der Kunst und Natur und was sonst
allerlei Gutes vorkam. Wir saßen oft tief in die Nacht
hinein und es war nicht selten, daß wir nebeneinander
auf meinem Sopha einschliefen. Funfzig Jahre lang
haben wir es miteinander fortgetrieben und es wäre
kein Wunder, wenn wir es endlich zu etwas gebracht
hätten." --

Eine so gründliche Bildung, sagte ich, wie sie der
Großherzog gehabt zu haben scheint, mag bei fürstlichen
Personen selten vorkommen.

"Sehr selten! erwiederte Goethe. Es giebt zwar

Goethe war in beſonders guter, erhöhter Stimmung.
Er ließ eine Flaſche Wein kommen, wovon er ſich und
mir einſchenkte. Unſer Geſpräch ging wieder auf den
Großherzog Carl Auguſt zurück.

„Sie ſehen, ſagte Goethe, wie ſein außerordentlicher
Geiſt das ganze Reich der Natur umfaßte. Phyſik,
Aſtronomie, Geognoſie, Meteorologie, Pflanzen- und
Thier-Formen der Urwelt, und was ſonſt dazu gehört,
er hatte für Alles Sinn und für Alles Intereſſe. Er
war achtzehn Jahre alt als ich nach Weimar kam; aber
ſchon damals zeigten ſeine Keime und Knospen, was
einſt der Baum ſeyn würde. Er ſchloß ſich bald auf
das Innigſte an mich an und nahm an Allem, was ich
trieb, gründlichen Antheil. Daß ich faſt zehn Jahre
älter war, als er, kam unſerm Verhältniß zu Gute.
Er ſaß ganze Abende bei mir in tiefen Geſprächen
über Gegenſtände der Kunſt und Natur und was ſonſt
allerlei Gutes vorkam. Wir ſaßen oft tief in die Nacht
hinein und es war nicht ſelten, daß wir nebeneinander
auf meinem Sopha einſchliefen. Funfzig Jahre lang
haben wir es miteinander fortgetrieben und es wäre
kein Wunder, wenn wir es endlich zu etwas gebracht
hätten.“ —

Eine ſo gründliche Bildung, ſagte ich, wie ſie der
Großherzog gehabt zu haben ſcheint, mag bei fürſtlichen
Perſonen ſelten vorkommen.

„Sehr ſelten! erwiederte Goethe. Es giebt zwar

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[263/0285] Goethe war in beſonders guter, erhöhter Stimmung. Er ließ eine Flaſche Wein kommen, wovon er ſich und mir einſchenkte. Unſer Geſpräch ging wieder auf den Großherzog Carl Auguſt zurück. „Sie ſehen, ſagte Goethe, wie ſein außerordentlicher Geiſt das ganze Reich der Natur umfaßte. Phyſik, Aſtronomie, Geognoſie, Meteorologie, Pflanzen- und Thier-Formen der Urwelt, und was ſonſt dazu gehört, er hatte für Alles Sinn und für Alles Intereſſe. Er war achtzehn Jahre alt als ich nach Weimar kam; aber ſchon damals zeigten ſeine Keime und Knospen, was einſt der Baum ſeyn würde. Er ſchloß ſich bald auf das Innigſte an mich an und nahm an Allem, was ich trieb, gründlichen Antheil. Daß ich faſt zehn Jahre älter war, als er, kam unſerm Verhältniß zu Gute. Er ſaß ganze Abende bei mir in tiefen Geſprächen über Gegenſtände der Kunſt und Natur und was ſonſt allerlei Gutes vorkam. Wir ſaßen oft tief in die Nacht hinein und es war nicht ſelten, daß wir nebeneinander auf meinem Sopha einſchliefen. Funfzig Jahre lang haben wir es miteinander fortgetrieben und es wäre kein Wunder, wenn wir es endlich zu etwas gebracht hätten.“ — Eine ſo gründliche Bildung, ſagte ich, wie ſie der Großherzog gehabt zu haben ſcheint, mag bei fürſtlichen Perſonen ſelten vorkommen. „Sehr ſelten! erwiederte Goethe. Es giebt zwar

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/285>, abgerufen am 22.11.2024.