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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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Der König von Baiern sandte vor einiger Zeit
seinen Hofmaler Stieler nach Weimar, um das Por¬
trait Goethe's zu machen. Als eine Art Empfehlungs¬
brief und als Zeugniß seiner Geschicklichkeit brachte
Stieler das vollendete lebensgroße Bildniß eines sehr
schönen jungen Frauenzimmers mit, nämlich das der
Münchener Schauspielerin Fräulein v. Hagen.
Goethe gewährte darauf Herrn Stieler alle gewünsch¬
ten Sitzungen und sein Bild ward nun vor einigen
Tagen fertig.

Diesen Mittag war ich bei ihm zu Tisch und zwar
alleine. Beim Dessert stand er auf und führte mich
in das den Speisesaal angrenzende Cabinet und zeigte
mir die jüngst vollendete Arbeit Stieler's. -- Darauf,
sehr geheimnißvoll, führte er mich weiter in das soge¬
nannte Majolika-Zimmer, wo sich das Bild der schönen
Schauspielerin befand. "Nicht wahr, sagte er, nachdem
wir es eine Weile betrachtet, das ist der Mühe werth!
-- Stieler war gar nicht dumm! -- Er brauchte die¬
sen schönen Bissen bei mir als Lockspeise, und indem er
mich durch solche Künste zum Sitzen brachte, schmeichelte
er meiner Hoffnung, daß auch jetzt unter seinem Pinsel
ein Engel entstehen würde, indem er den Kopf eines
Alten malte."


Der König von Baiern ſandte vor einiger Zeit
ſeinen Hofmaler Stieler nach Weimar, um das Por¬
trait Goethe's zu machen. Als eine Art Empfehlungs¬
brief und als Zeugniß ſeiner Geſchicklichkeit brachte
Stieler das vollendete lebensgroße Bildniß eines ſehr
ſchönen jungen Frauenzimmers mit, nämlich das der
Münchener Schauſpielerin Fräulein v. Hagen.
Goethe gewährte darauf Herrn Stieler alle gewünſch¬
ten Sitzungen und ſein Bild ward nun vor einigen
Tagen fertig.

Dieſen Mittag war ich bei ihm zu Tiſch und zwar
alleine. Beim Deſſert ſtand er auf und führte mich
in das den Speiſeſaal angrenzende Cabinet und zeigte
mir die jüngſt vollendete Arbeit Stieler's. — Darauf,
ſehr geheimnißvoll, führte er mich weiter in das ſoge¬
nannte Majolika-Zimmer, wo ſich das Bild der ſchönen
Schauſpielerin befand. „Nicht wahr, ſagte er, nachdem
wir es eine Weile betrachtet, das iſt der Mühe werth!
— Stieler war gar nicht dumm! — Er brauchte die¬
ſen ſchönen Biſſen bei mir als Lockſpeiſe, und indem er
mich durch ſolche Künſte zum Sitzen brachte, ſchmeichelte
er meiner Hoffnung, daß auch jetzt unter ſeinem Pinſel
ein Engel entſtehen würde, indem er den Kopf eines
Alten malte.“


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[255/0277] Freitag, den 6. Juni 1828*. Der König von Baiern ſandte vor einiger Zeit ſeinen Hofmaler Stieler nach Weimar, um das Por¬ trait Goethe's zu machen. Als eine Art Empfehlungs¬ brief und als Zeugniß ſeiner Geſchicklichkeit brachte Stieler das vollendete lebensgroße Bildniß eines ſehr ſchönen jungen Frauenzimmers mit, nämlich das der Münchener Schauſpielerin Fräulein v. Hagen. Goethe gewährte darauf Herrn Stieler alle gewünſch¬ ten Sitzungen und ſein Bild ward nun vor einigen Tagen fertig. Dieſen Mittag war ich bei ihm zu Tiſch und zwar alleine. Beim Deſſert ſtand er auf und führte mich in das den Speiſeſaal angrenzende Cabinet und zeigte mir die jüngſt vollendete Arbeit Stieler's. — Darauf, ſehr geheimnißvoll, führte er mich weiter in das ſoge¬ nannte Majolika-Zimmer, wo ſich das Bild der ſchönen Schauſpielerin befand. „Nicht wahr, ſagte er, nachdem wir es eine Weile betrachtet, das iſt der Mühe werth! — Stieler war gar nicht dumm! — Er brauchte die¬ ſen ſchönen Biſſen bei mir als Lockſpeiſe, und indem er mich durch ſolche Künſte zum Sitzen brachte, ſchmeichelte er meiner Hoffnung, daß auch jetzt unter ſeinem Pinſel ein Engel entſtehen würde, indem er den Kopf eines Alten malte.“

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/277>, abgerufen am 21.11.2024.