Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

ductiver und thatkräftiger halte, als die Völker im
Innern großer Continente.

War es nun, daß ich mit diesen Gedanken und mit
einer gewissen Sehnsucht nach den belebenden Kräften
des Meeres einschlief, genug, ich hatte in der Nacht
folgenden anmuthigen und mir sehr merkwürdigen
Traum.

Ich sah mich nämlich in einer unbekannten Gegend
unter fremden Menschen überaus heiter und glücklich.
Der schönste Sommertag umgab mich in einer reizenden
Natur, wie es etwa an der Küste des mittelländischen
Meeres im südlichen Spanien oder Frankreich, oder in
der Nähe von Genua seyn möchte. -- Wir hatten
Mittags an einer lustigen Tafel gezecht und ich ging
mit anderen, etwas jüngeren Leuten, um eine weitere
Nachmittagspartie zu machen. -- Wir waren durch
buschige angenehme Niederungen geschlendert, als wir
uns mit einemmale im Meere auf der kleinsten Insel
sahen, auf einem herausragenden Felsstück, wo kaum
fünf bis sechs Menschen Platz hatten und wo man
sich nicht rühren konnte, ohne Furcht, in's Wasser zu
gleiten. Rückwärts, wo wir hergekommen waren, er¬
blickte man nichts als die See; vor uns aber lag die
Küste in der Entfernung einer Viertelstunde auf das
Einladendste ausgebreitet. Das Ufer war an einigen
Stellen flach, an anderen felsig und mäßig erhöhet, und
man erblickte zwischen grünen Lauben und weißen Zel¬

ductiver und thatkräftiger halte, als die Völker im
Innern großer Continente.

War es nun, daß ich mit dieſen Gedanken und mit
einer gewiſſen Sehnſucht nach den belebenden Kräften
des Meeres einſchlief, genug, ich hatte in der Nacht
folgenden anmuthigen und mir ſehr merkwürdigen
Traum.

Ich ſah mich nämlich in einer unbekannten Gegend
unter fremden Menſchen überaus heiter und glücklich.
Der ſchönſte Sommertag umgab mich in einer reizenden
Natur, wie es etwa an der Küſte des mittelländiſchen
Meeres im ſüdlichen Spanien oder Frankreich, oder in
der Nähe von Genua ſeyn möchte. — Wir hatten
Mittags an einer luſtigen Tafel gezecht und ich ging
mit anderen, etwas jüngeren Leuten, um eine weitere
Nachmittagspartie zu machen. — Wir waren durch
buſchige angenehme Niederungen geſchlendert, als wir
uns mit einemmale im Meere auf der kleinſten Inſel
ſahen, auf einem herausragenden Felsſtück, wo kaum
fünf bis ſechs Menſchen Platz hatten und wo man
ſich nicht rühren konnte, ohne Furcht, in's Waſſer zu
gleiten. Rückwärts, wo wir hergekommen waren, er¬
blickte man nichts als die See; vor uns aber lag die
Küſte in der Entfernung einer Viertelſtunde auf das
Einladendſte ausgebreitet. Das Ufer war an einigen
Stellen flach, an anderen felſig und mäßig erhöhet, und
man erblickte zwiſchen grünen Lauben und weißen Zel¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0264" n="242"/>
ductiver und thatkräftiger halte, als die Völker im<lb/>
Innern großer Continente.</p><lb/>
          <p>War es nun, daß ich mit die&#x017F;en Gedanken und mit<lb/>
einer gewi&#x017F;&#x017F;en Sehn&#x017F;ucht nach den belebenden Kräften<lb/>
des Meeres ein&#x017F;chlief, genug, ich hatte in der Nacht<lb/>
folgenden anmuthigen und mir &#x017F;ehr merkwürdigen<lb/>
Traum.</p><lb/>
          <p>Ich &#x017F;ah mich nämlich in einer unbekannten Gegend<lb/>
unter fremden Men&#x017F;chen überaus heiter und glücklich.<lb/>
Der &#x017F;chön&#x017F;te Sommertag umgab mich in einer reizenden<lb/>
Natur, wie es etwa an der Kü&#x017F;te des mittelländi&#x017F;chen<lb/>
Meeres im &#x017F;üdlichen Spanien oder Frankreich, oder in<lb/>
der Nähe von Genua &#x017F;eyn möchte. &#x2014; Wir hatten<lb/>
Mittags an einer lu&#x017F;tigen Tafel gezecht und ich ging<lb/>
mit anderen, etwas jüngeren Leuten, um eine weitere<lb/>
Nachmittagspartie zu machen. &#x2014; Wir waren durch<lb/>
bu&#x017F;chige angenehme Niederungen ge&#x017F;chlendert, als wir<lb/>
uns mit einemmale im Meere auf der klein&#x017F;ten In&#x017F;el<lb/>
&#x017F;ahen, auf einem herausragenden Fels&#x017F;tück, wo kaum<lb/>
fünf bis &#x017F;echs Men&#x017F;chen Platz hatten und wo man<lb/>
&#x017F;ich nicht rühren konnte, ohne Furcht, in's Wa&#x017F;&#x017F;er zu<lb/>
gleiten. Rückwärts, wo wir hergekommen waren, er¬<lb/>
blickte man nichts als die See; vor uns aber lag die<lb/>&#x017F;te in der Entfernung einer Viertel&#x017F;tunde auf das<lb/>
Einladend&#x017F;te ausgebreitet. Das Ufer war an einigen<lb/>
Stellen flach, an anderen fel&#x017F;ig und mäßig erhöhet, und<lb/>
man erblickte zwi&#x017F;chen grünen Lauben und weißen Zel¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0264] ductiver und thatkräftiger halte, als die Völker im Innern großer Continente. War es nun, daß ich mit dieſen Gedanken und mit einer gewiſſen Sehnſucht nach den belebenden Kräften des Meeres einſchlief, genug, ich hatte in der Nacht folgenden anmuthigen und mir ſehr merkwürdigen Traum. Ich ſah mich nämlich in einer unbekannten Gegend unter fremden Menſchen überaus heiter und glücklich. Der ſchönſte Sommertag umgab mich in einer reizenden Natur, wie es etwa an der Küſte des mittelländiſchen Meeres im ſüdlichen Spanien oder Frankreich, oder in der Nähe von Genua ſeyn möchte. — Wir hatten Mittags an einer luſtigen Tafel gezecht und ich ging mit anderen, etwas jüngeren Leuten, um eine weitere Nachmittagspartie zu machen. — Wir waren durch buſchige angenehme Niederungen geſchlendert, als wir uns mit einemmale im Meere auf der kleinſten Inſel ſahen, auf einem herausragenden Felsſtück, wo kaum fünf bis ſechs Menſchen Platz hatten und wo man ſich nicht rühren konnte, ohne Furcht, in's Waſſer zu gleiten. Rückwärts, wo wir hergekommen waren, er¬ blickte man nichts als die See; vor uns aber lag die Küſte in der Entfernung einer Viertelſtunde auf das Einladendſte ausgebreitet. Das Ufer war an einigen Stellen flach, an anderen felſig und mäßig erhöhet, und man erblickte zwiſchen grünen Lauben und weißen Zel¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/264
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/264>, abgerufen am 24.11.2024.