und Unlust wirkte auch in diesem Falle, und ich ließ wiederum unruhige Nächte und schlechte Tage verstrei¬ chen, ohne das Mindeste zur Abstellung meines Uebels zu thun.
Als ich nun heute nach Tisch abermals nicht ganz frei und heiter vor Goethe erschien, riß ihm die Ge¬ duld und er konnte nicht umhin, mich ironisch anzu¬ lächeln und mich ein wenig zn verhöhnen.
"Ihr seyd der zweite Shandy, sagte er, der Vater jenes berühmten Tristram, den ein halbes Leben eine knarrende Thür ärgerte, und der nicht zu dem Entschluß kommen konnte, seinen täglichen Verdruß durch ein paar Tropfen Oel zu beseitigen."
"Aber so ist's mit uns Allen! Des Menschen Ver¬ düsterungen und Erleuchtungen machen sein Schicksal! Es thäte uns Noth, daß der Dämon uns täglich am Gängelbande führte und uns sagte und triebe, was immer zu thun sey. Aber der gute Geist verläßt uns und wir sind schlaff und tappen im Dunkeln."
"Da war Napoleon ein Kerl! -- Immer erleuchtet, immer klar und entschieden, und zu jeder Stunde mit der hinreichenden Energie begabt, um das, was er als vortheilhaft und nothwendig erkannt hatte, sogleich ins Werk zu setzen. Sein Leben war das Schreiten eines Halbgottes von Schlacht zu Schlacht und von Sieg zu Sieg. Von ihm könnte man sehr wohl sagen, daß er sich in dem Zustande einer fortwährenden Erleuchtung
und Unluſt wirkte auch in dieſem Falle, und ich ließ wiederum unruhige Nächte und ſchlechte Tage verſtrei¬ chen, ohne das Mindeſte zur Abſtellung meines Uebels zu thun.
Als ich nun heute nach Tiſch abermals nicht ganz frei und heiter vor Goethe erſchien, riß ihm die Ge¬ duld und er konnte nicht umhin, mich ironiſch anzu¬ lächeln und mich ein wenig zn verhöhnen.
„Ihr ſeyd der zweite Shandy, ſagte er, der Vater jenes berühmten Triſtram, den ein halbes Leben eine knarrende Thür ärgerte, und der nicht zu dem Entſchluß kommen konnte, ſeinen täglichen Verdruß durch ein paar Tropfen Oel zu beſeitigen.“
„Aber ſo iſt's mit uns Allen! Des Menſchen Ver¬ düſterungen und Erleuchtungen machen ſein Schickſal! Es thäte uns Noth, daß der Dämon uns täglich am Gängelbande führte und uns ſagte und triebe, was immer zu thun ſey. Aber der gute Geiſt verläßt uns und wir ſind ſchlaff und tappen im Dunkeln.“
„Da war Napoleon ein Kerl! — Immer erleuchtet, immer klar und entſchieden, und zu jeder Stunde mit der hinreichenden Energie begabt, um das, was er als vortheilhaft und nothwendig erkannt hatte, ſogleich ins Werk zu ſetzen. Sein Leben war das Schreiten eines Halbgottes von Schlacht zu Schlacht und von Sieg zu Sieg. Von ihm könnte man ſehr wohl ſagen, daß er ſich in dem Zuſtande einer fortwährenden Erleuchtung
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und Unluſt wirkte auch in dieſem Falle, und ich ließ
wiederum unruhige Nächte und ſchlechte Tage verſtrei¬
chen, ohne das Mindeſte zur Abſtellung meines Uebels
zu thun.
Als ich nun heute nach Tiſch abermals nicht ganz
frei und heiter vor Goethe erſchien, riß ihm die Ge¬
duld und er konnte nicht umhin, mich ironiſch anzu¬
lächeln und mich ein wenig zn verhöhnen.
„Ihr ſeyd der zweite Shandy, ſagte er, der Vater
jenes berühmten Triſtram, den ein halbes Leben eine
knarrende Thür ärgerte, und der nicht zu dem Entſchluß
kommen konnte, ſeinen täglichen Verdruß durch ein paar
Tropfen Oel zu beſeitigen.“
„Aber ſo iſt's mit uns Allen! Des Menſchen Ver¬
düſterungen und Erleuchtungen machen ſein
Schickſal! Es thäte uns Noth, daß der Dämon uns
täglich am Gängelbande führte und uns ſagte und triebe,
was immer zu thun ſey. Aber der gute Geiſt verläßt
uns und wir ſind ſchlaff und tappen im Dunkeln.“
„Da war Napoleon ein Kerl! — Immer erleuchtet,
immer klar und entſchieden, und zu jeder Stunde mit
der hinreichenden Energie begabt, um das, was er als
vortheilhaft und nothwendig erkannt hatte, ſogleich ins
Werk zu ſetzen. Sein Leben war das Schreiten eines
Halbgottes von Schlacht zu Schlacht und von Sieg zu
Sieg. Von ihm könnte man ſehr wohl ſagen, daß er
ſich in dem Zuſtande einer fortwährenden Erleuchtung
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/248>, abgerufen am 21.11.2024.
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