licher Richtung an der Saale hinauf. Ich kannte diese reizende Gegend bereits aus früherer Zeit; doch wirkte Alles wieder so frisch, als hätte ich es vorher nie gesehen.
Als wir uns wieder in den Straßen von Jena befanden, ließ Goethe an einem Bach hinauf fahren und an einem Hause halten, das äußerlich eben kein bedeutendes Ansehen hatte.
"Hier hat Voß gewohnt, sagte er, und ich will Sie doch auch auf diesem classischen Boden einführen." Wir durchschritten das Haus und traten in den Garten. Von Blumen und anderer Art feiner Cultur war wenig zu spüren, wir gingen auf Rasen unter lauter Obstbäumen. "Das war etwas für Ernestinen, sagte Goethe, die auch hier ihre trefflichen Eutiner Aepfel nicht vergessen konnte und die sie mir rühmte als Et¬ was ohne Gleichen. Es waren aber die Aepfel ihrer Kindheit gewesen,-- darin lag's! Ich habe übrigens hier mit Voß und seiner trefflichen Ernestine manchen schönen Tag gehabt und gedenke der alten Zeit sehr gerne. Ein Mann wie Voß wird übrigens sobald nicht wiederkommen. Es haben wenig Andere auf die höhere deutsche Cultur einen solchen Einfluß gehabt als er. Es war an ihm Alles gesund und derb, weßhalb er auch zu den Griechen kein künstliches, sondern ein rein natürliches Verhältniß hatte, woraus denn für uns Anderen die herrlichsten Früchte erwachsen sind. Wer
licher Richtung an der Saale hinauf. Ich kannte dieſe reizende Gegend bereits aus früherer Zeit; doch wirkte Alles wieder ſo friſch, als hätte ich es vorher nie geſehen.
Als wir uns wieder in den Straßen von Jena befanden, ließ Goethe an einem Bach hinauf fahren und an einem Hauſe halten, das äußerlich eben kein bedeutendes Anſehen hatte.
„Hier hat Voß gewohnt, ſagte er, und ich will Sie doch auch auf dieſem claſſiſchen Boden einführen.“ Wir durchſchritten das Haus und traten in den Garten. Von Blumen und anderer Art feiner Cultur war wenig zu ſpüren, wir gingen auf Raſen unter lauter Obſtbäumen. „Das war etwas für Erneſtinen, ſagte Goethe, die auch hier ihre trefflichen Eutiner Aepfel nicht vergeſſen konnte und die ſie mir rühmte als Et¬ was ohne Gleichen. Es waren aber die Aepfel ihrer Kindheit geweſen,— darin lag's! Ich habe übrigens hier mit Voß und ſeiner trefflichen Erneſtine manchen ſchönen Tag gehabt und gedenke der alten Zeit ſehr gerne. Ein Mann wie Voß wird übrigens ſobald nicht wiederkommen. Es haben wenig Andere auf die höhere deutſche Cultur einen ſolchen Einfluß gehabt als er. Es war an ihm Alles geſund und derb, weßhalb er auch zu den Griechen kein künſtliches, ſondern ein rein natürliches Verhältniß hatte, woraus denn für uns Anderen die herrlichſten Früchte erwachſen ſind. Wer
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licher Richtung an der Saale hinauf. Ich kannte dieſe
reizende Gegend bereits aus früherer Zeit; doch wirkte
Alles wieder ſo friſch, als hätte ich es vorher nie
geſehen.
Als wir uns wieder in den Straßen von Jena
befanden, ließ Goethe an einem Bach hinauf fahren
und an einem Hauſe halten, das äußerlich eben kein
bedeutendes Anſehen hatte.
„Hier hat Voß gewohnt, ſagte er, und ich will Sie
doch auch auf dieſem claſſiſchen Boden einführen.“ Wir
durchſchritten das Haus und traten in den Garten.
Von Blumen und anderer Art feiner Cultur war
wenig zu ſpüren, wir gingen auf Raſen unter lauter
Obſtbäumen. „Das war etwas für Erneſtinen, ſagte
Goethe, die auch hier ihre trefflichen Eutiner Aepfel
nicht vergeſſen konnte und die ſie mir rühmte als Et¬
was ohne Gleichen. Es waren aber die Aepfel ihrer
Kindheit geweſen,— darin lag's! Ich habe übrigens hier
mit Voß und ſeiner trefflichen Erneſtine manchen
ſchönen Tag gehabt und gedenke der alten Zeit ſehr
gerne. Ein Mann wie Voß wird übrigens ſobald nicht
wiederkommen. Es haben wenig Andere auf die höhere
deutſche Cultur einen ſolchen Einfluß gehabt als er.
Es war an ihm Alles geſund und derb, weßhalb er
auch zu den Griechen kein künſtliches, ſondern ein rein
natürliches Verhältniß hatte, woraus denn für uns
Anderen die herrlichſten Früchte erwachſen ſind. Wer
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/216>, abgerufen am 21.11.2024.
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