des Ettersberges herum, nach dem Jagdschlosse Etters¬ burg. Goethe ließ sämmtliche Zimmer aufschließen, die mit heiteren Tapeten und Bildern behängt waren. In dem westlichen Eckzimmer des ersten Stockes sagte er mir, daß Schiller dort einige Zeit gewohnt. "Wir haben überhaupt, fuhr er fort, in frühester Zeit hier manchen guten Tag gehabt und manchen guten Tag verthan. Wir waren Alle jung und voll Uebermuth und es fehlte uns im Sommer nicht an allerlei impro¬ visirtem Comödienspiel und im Winter nicht an allerlei Tanz und Schlittenfahrten mit Fackeln."
Wir gingen wieder ins Freie und Goethe führte mich in westlicher Richtung einen Fußweg ins Holz.
"Ich will Ihnen doch auch die Buche zeigen, sagte er, worin wir vor funfzig Jahren unsere Namen ge¬ schnitten. -- Aber wie hat sich das verändert und wie ist das Alles herangewachsen! -- Das wäre denn der Baum! -- Sie sehen, er ist noch in der vollsten Pracht! -- Auch unsere Namen sind noch zu spüren; doch so verquollen und verwachsen, daß sie kaum noch herauszubringen. Damals stand diese Buche auf einem freien trockenen Platz. Es war durchaus sonnig und anmuthig umher und wir spielten hier an schönen Som¬ mertagen unsere improvisirten Possen. Jetzt ist es hier feucht und unfreundlich. Was sonst nur niederes Ge¬ büsch war, ist indeß zu schattigen Bäumen herange¬
des Ettersberges herum, nach dem Jagdſchloſſe Etters¬ burg. Goethe ließ ſämmtliche Zimmer aufſchließen, die mit heiteren Tapeten und Bildern behängt waren. In dem weſtlichen Eckzimmer des erſten Stockes ſagte er mir, daß Schiller dort einige Zeit gewohnt. „Wir haben überhaupt, fuhr er fort, in früheſter Zeit hier manchen guten Tag gehabt und manchen guten Tag verthan. Wir waren Alle jung und voll Uebermuth und es fehlte uns im Sommer nicht an allerlei impro¬ viſirtem Comödienſpiel und im Winter nicht an allerlei Tanz und Schlittenfahrten mit Fackeln.“
Wir gingen wieder ins Freie und Goethe führte mich in weſtlicher Richtung einen Fußweg ins Holz.
„Ich will Ihnen doch auch die Buche zeigen, ſagte er, worin wir vor funfzig Jahren unſere Namen ge¬ ſchnitten. — Aber wie hat ſich das verändert und wie iſt das Alles herangewachſen! — Das wäre denn der Baum! — Sie ſehen, er iſt noch in der vollſten Pracht! — Auch unſere Namen ſind noch zu ſpüren; doch ſo verquollen und verwachſen, daß ſie kaum noch herauszubringen. Damals ſtand dieſe Buche auf einem freien trockenen Platz. Es war durchaus ſonnig und anmuthig umher und wir ſpielten hier an ſchönen Som¬ mertagen unſere improviſirten Poſſen. Jetzt iſt es hier feucht und unfreundlich. Was ſonſt nur niederes Ge¬ büſch war, iſt indeß zu ſchattigen Bäumen herange¬
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des Ettersberges herum, nach dem Jagdſchloſſe Etters¬
burg. Goethe ließ ſämmtliche Zimmer aufſchließen, die
mit heiteren Tapeten und Bildern behängt waren. In
dem weſtlichen Eckzimmer des erſten Stockes ſagte er
mir, daß Schiller dort einige Zeit gewohnt. „Wir
haben überhaupt, fuhr er fort, in früheſter Zeit hier
manchen guten Tag gehabt und manchen guten Tag
verthan. Wir waren Alle jung und voll Uebermuth
und es fehlte uns im Sommer nicht an allerlei impro¬
viſirtem Comödienſpiel und im Winter nicht an allerlei
Tanz und Schlittenfahrten mit Fackeln.“
Wir gingen wieder ins Freie und Goethe führte
mich in weſtlicher Richtung einen Fußweg ins Holz.
„Ich will Ihnen doch auch die Buche zeigen, ſagte
er, worin wir vor funfzig Jahren unſere Namen ge¬
ſchnitten. — Aber wie hat ſich das verändert und wie
iſt das Alles herangewachſen! — Das wäre denn der
Baum! — Sie ſehen, er iſt noch in der vollſten
Pracht! — Auch unſere Namen ſind noch zu ſpüren;
doch ſo verquollen und verwachſen, daß ſie kaum noch
herauszubringen. Damals ſtand dieſe Buche auf einem
freien trockenen Platz. Es war durchaus ſonnig und
anmuthig umher und wir ſpielten hier an ſchönen Som¬
mertagen unſere improviſirten Poſſen. Jetzt iſt es hier
feucht und unfreundlich. Was ſonſt nur niederes Ge¬
büſch war, iſt indeß zu ſchattigen Bäumen herange¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/212>, abgerufen am 18.05.2024.
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