"Es ist ein großer Irrthum, sagte er, wenn man denkt, ein mittelmäßiges Stück auch mit mittelmäßigen Schauspielern besetzen zu können. Ein Stück zweiten, dritten Ranges kann durch Besetzung mit Kräften ersten Ranges unglaublich gehoben und wirklich zu etwas Gu¬ tem werden. Wenn ich aber ein Stück zweiten, dritten Ranges auch mit Schauspielern zweiten, dritten Ranges besetze, so wundere man sich nicht, wenn die Wirkung vollkommen null ist."
"Schauspieler secondärer Art sind ganz vortrefflich in großen Stücken. Sie wirken dann wie in einem Gemälde, wo die Figuren im Halbschatten ganz herrliche Dienste thun, um diejenigen, welche das volle Licht haben, noch mächtiger erscheinen zu lassen."
Sonnabend, den l6. April 1825.
Bei Goethe zu Tisch mit D'Alton, dessen Bekannt¬ schaft ich vorigen Sommer in Bonn gemacht und welchen wiederzusehen ich große Freude hatte. D'Alton ist ganz ein Mann nach Goethe's Sinne; auch findet zwischen Beiden ein sehr schönes Verhältniß statt. In seiner Wissenschaft erscheint er von großer Bedeutung, so daß Goethe seine Aeußerungen werth hält und jedes seiner Worte beachtet. Dabei ist D'Alton als Mensch liebens¬ würdig, geistreich, und von einer Redegabe und einer Fülle hervorquellender Gedanken, daß er wohl Wenige
„Es iſt ein großer Irrthum, ſagte er, wenn man denkt, ein mittelmäßiges Stück auch mit mittelmäßigen Schauſpielern beſetzen zu können. Ein Stück zweiten, dritten Ranges kann durch Beſetzung mit Kräften erſten Ranges unglaublich gehoben und wirklich zu etwas Gu¬ tem werden. Wenn ich aber ein Stück zweiten, dritten Ranges auch mit Schauſpielern zweiten, dritten Ranges beſetze, ſo wundere man ſich nicht, wenn die Wirkung vollkommen null iſt.“
„Schauſpieler ſecondärer Art ſind ganz vortrefflich in großen Stücken. Sie wirken dann wie in einem Gemälde, wo die Figuren im Halbſchatten ganz herrliche Dienſte thun, um diejenigen, welche das volle Licht haben, noch mächtiger erſcheinen zu laſſen.“
Sonnabend, den l6. April 1825.
Bei Goethe zu Tiſch mit D'Alton, deſſen Bekannt¬ ſchaft ich vorigen Sommer in Bonn gemacht und welchen wiederzuſehen ich große Freude hatte. D'Alton iſt ganz ein Mann nach Goethe's Sinne; auch findet zwiſchen Beiden ein ſehr ſchönes Verhältniß ſtatt. In ſeiner Wiſſenſchaft erſcheint er von großer Bedeutung, ſo daß Goethe ſeine Aeußerungen werth hält und jedes ſeiner Worte beachtet. Dabei iſt D'Alton als Menſch liebens¬ würdig, geiſtreich, und von einer Redegabe und einer Fülle hervorquellender Gedanken, daß er wohl Wenige
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0104"n="82"/><p>„Es iſt ein großer Irrthum, ſagte er, wenn man<lb/>
denkt, ein mittelmäßiges Stück auch mit mittelmäßigen<lb/>
Schauſpielern beſetzen zu können. Ein Stück zweiten,<lb/>
dritten Ranges kann durch Beſetzung mit Kräften erſten<lb/>
Ranges unglaublich gehoben und wirklich zu etwas Gu¬<lb/>
tem werden. Wenn ich aber ein Stück zweiten, dritten<lb/>
Ranges auch mit Schauſpielern zweiten, dritten Ranges<lb/>
beſetze, ſo wundere man ſich nicht, wenn die Wirkung<lb/>
vollkommen null iſt.“</p><lb/><p>„Schauſpieler ſecondärer Art ſind ganz vortrefflich<lb/>
in großen Stücken. Sie wirken dann wie in einem<lb/>
Gemälde, wo die Figuren im Halbſchatten ganz herrliche<lb/>
Dienſte thun, um diejenigen, welche das volle Licht haben,<lb/>
noch mächtiger erſcheinen zu laſſen.“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="4"><datelinerendition="#right">Sonnabend, den l6. April 1825.<lb/></dateline><p>Bei Goethe zu Tiſch mit <hirendition="#g">D'Alton</hi>, deſſen Bekannt¬<lb/>ſchaft ich vorigen Sommer in Bonn gemacht und welchen<lb/>
wiederzuſehen ich große Freude hatte. D'Alton iſt<lb/>
ganz ein Mann nach Goethe's Sinne; auch findet zwiſchen<lb/>
Beiden ein ſehr ſchönes Verhältniß ſtatt. In ſeiner<lb/>
Wiſſenſchaft erſcheint er von großer Bedeutung, ſo daß<lb/>
Goethe ſeine Aeußerungen werth hält und jedes ſeiner<lb/>
Worte beachtet. Dabei iſt D'Alton als Menſch liebens¬<lb/>
würdig, geiſtreich, und von einer Redegabe und einer<lb/>
Fülle hervorquellender Gedanken, daß er wohl Wenige<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[82/0104]
„Es iſt ein großer Irrthum, ſagte er, wenn man
denkt, ein mittelmäßiges Stück auch mit mittelmäßigen
Schauſpielern beſetzen zu können. Ein Stück zweiten,
dritten Ranges kann durch Beſetzung mit Kräften erſten
Ranges unglaublich gehoben und wirklich zu etwas Gu¬
tem werden. Wenn ich aber ein Stück zweiten, dritten
Ranges auch mit Schauſpielern zweiten, dritten Ranges
beſetze, ſo wundere man ſich nicht, wenn die Wirkung
vollkommen null iſt.“
„Schauſpieler ſecondärer Art ſind ganz vortrefflich
in großen Stücken. Sie wirken dann wie in einem
Gemälde, wo die Figuren im Halbſchatten ganz herrliche
Dienſte thun, um diejenigen, welche das volle Licht haben,
noch mächtiger erſcheinen zu laſſen.“
Sonnabend, den l6. April 1825.
Bei Goethe zu Tiſch mit D'Alton, deſſen Bekannt¬
ſchaft ich vorigen Sommer in Bonn gemacht und welchen
wiederzuſehen ich große Freude hatte. D'Alton iſt
ganz ein Mann nach Goethe's Sinne; auch findet zwiſchen
Beiden ein ſehr ſchönes Verhältniß ſtatt. In ſeiner
Wiſſenſchaft erſcheint er von großer Bedeutung, ſo daß
Goethe ſeine Aeußerungen werth hält und jedes ſeiner
Worte beachtet. Dabei iſt D'Alton als Menſch liebens¬
würdig, geiſtreich, und von einer Redegabe und einer
Fülle hervorquellender Gedanken, daß er wohl Wenige
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/104>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.