Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.nen man nicht nahe kommen kann, ohne zu empfinden, Einige Tage später. Wir sprachen über die tragische Schicksals-Idee der "Dergleichen, sagte Goethe, ist unserer jetzigen Den¬ "Wir Neueren sagen jetzt besser mit Napoleon: die "So wie ein Dichter politisch wirken will, muß er nen man nicht nahe kommen kann, ohne zu empfinden, Einige Tage ſpaͤter. Wir ſprachen uͤber die tragiſche Schickſals-Idee der „Dergleichen, ſagte Goethe, iſt unſerer jetzigen Den¬ „Wir Neueren ſagen jetzt beſſer mit Napoleon: die „So wie ein Dichter politiſch wirken will, muß er <TEI> <text> <body> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0366" n="356"/> nen man nicht nahe kommen kann, ohne zu empfinden,<lb/> daß ſie hoͤherer Art ſind.“</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="4"> <dateline rendition="#right">Einige Tage ſpaͤter.<lb/></dateline> <p>Wir ſprachen uͤber die tragiſche Schickſals-Idee der<lb/> Griechen.</p><lb/> <p>„Dergleichen, ſagte Goethe, iſt unſerer jetzigen Den¬<lb/> kungsweiſe nicht mehr gemaͤß, es iſt veraltet, und uͤber¬<lb/> haupt mit unſeren religioͤſen Vorſtellungen in Wider¬<lb/> ſpruch. Verarbeitet ein moderner Poet ſolche fruͤhere<lb/> Ideen zu einem Theaterſtuͤck, ſo ſieht es immer aus wie<lb/> eine Art von Affectation. Es iſt ein Anzug, der laͤngſt<lb/> aus der Mode gekommen iſt, und der uns, gleich der<lb/> roͤmiſchen Toga, nicht mehr zu Geſichte ſteht.“</p><lb/> <p>„Wir Neueren ſagen jetzt beſſer mit Napoleon: die<lb/><hi rendition="#g">Politik</hi> iſt das Schickſal. Huͤten wir uns aber mit<lb/> unſeren neueſten Literatoren zu ſagen, die Politik ſey<lb/> die <hi rendition="#g">Poeſie</hi>, oder ſie ſey fuͤr den Poeten ein paſſender<lb/> Gegenſtand. Der engliſche Dichter Thomſon ſchrieb ein<lb/> ſehr gutes Gedicht uͤber die Jahreszeiten, allein ein ſehr<lb/> ſchlechtes uͤber die Freyheit; und zwar nicht aus Man¬<lb/> gel an Poeſie im Poeten, ſondern aus Mangel an Poeſie<lb/> im Gegenſtande.“</p><lb/> <p>„So wie ein Dichter politiſch wirken will, muß er<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [356/0366]
nen man nicht nahe kommen kann, ohne zu empfinden,
daß ſie hoͤherer Art ſind.“
Einige Tage ſpaͤter.
Wir ſprachen uͤber die tragiſche Schickſals-Idee der
Griechen.
„Dergleichen, ſagte Goethe, iſt unſerer jetzigen Den¬
kungsweiſe nicht mehr gemaͤß, es iſt veraltet, und uͤber¬
haupt mit unſeren religioͤſen Vorſtellungen in Wider¬
ſpruch. Verarbeitet ein moderner Poet ſolche fruͤhere
Ideen zu einem Theaterſtuͤck, ſo ſieht es immer aus wie
eine Art von Affectation. Es iſt ein Anzug, der laͤngſt
aus der Mode gekommen iſt, und der uns, gleich der
roͤmiſchen Toga, nicht mehr zu Geſichte ſteht.“
„Wir Neueren ſagen jetzt beſſer mit Napoleon: die
Politik iſt das Schickſal. Huͤten wir uns aber mit
unſeren neueſten Literatoren zu ſagen, die Politik ſey
die Poeſie, oder ſie ſey fuͤr den Poeten ein paſſender
Gegenſtand. Der engliſche Dichter Thomſon ſchrieb ein
ſehr gutes Gedicht uͤber die Jahreszeiten, allein ein ſehr
ſchlechtes uͤber die Freyheit; und zwar nicht aus Man¬
gel an Poeſie im Poeten, ſondern aus Mangel an Poeſie
im Gegenſtande.“
„So wie ein Dichter politiſch wirken will, muß er
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